# taz.de -- Menschenrechtsanwältin zu KiK-Prozess: „Beurteilt nach pakistani… | |
> Am Landgericht Dortmund wird der Fabrikbrand in Karatschi mit 258 Toten | |
> verhandelt. In dem Musterprozess fordern Betroffene Schmerzensgeld. | |
Bild: Saeeda Khatoon zeigt das Foto ihres beim Brand ums Leben gekommenen Sohnes | |
taz: Frau Saage-Maaß, am Donnerstag verhandelt das Landgericht Dortmund | |
über einen Fabrikbrand in Pakistan. Wie kommt es dazu? | |
Miriam Saage-Maaß: Im September 2012 sind [1][in einer Textilfabrik der | |
Firma Ali Enterprises in Karatschi 258 Menschen gestorben]. Die Fabrik | |
arbeitete zu 70 Prozent im Auftrag des Textildiscounters Kik. In dem | |
Musterprozess verlangen ein Überlebender und drei Angehörige Schmerzensgeld | |
von Kik. Nach Ansicht der Kläger ist Kik für den mangelnden Brandschutz und | |
die versperrten Fluchtwege in der Fabrik mitverantwortlich. | |
Warum findet der Prozess in Dortmund statt? | |
Die Firma Kik hat ihren Sitz in Bönen, im Landgerichtsbezirk Dortmund. | |
Die Klage wird also nach deutschem Recht beurteilt? | |
Nein, nach pakistanischem Recht. Denn Pakistan ist der Ort, an dem die | |
schuldhafte Verletzung von Sorgfaltspflichten stattfand. | |
Wie soll das gehen? Kennen Dortmunder Richter pakistanisches Recht? | |
Für Fragen des pakistanischen Rechts wurde der britische Juraprofessor Ken | |
Oliphant als Sachverständiger beauftragt. In einem ersten Gutachten ging es | |
nur um die eventuelle Verjährung der Klage nach pakistanischem Recht. | |
Wie man hört, geht der Gutachter von einer Verjährung der Klage aus. | |
In Pakistan müssen derartige Schadenersatzklagen spätestens ein Jahr nach | |
dem Todesfall eingereicht werden. Die Klage gegen Kik wurde erst | |
zweieinhalb Jahre nach dem Brand erhoben. Die Kläger hatten aber mit Kik | |
einen Verjährungsverzicht ausgehandelt, das ist in Deutschland möglich. Ein | |
solcher Verzicht ist nach pakistanischem Recht aber nicht wirksam. | |
Wird das Landgericht die Klagen also abweisen? | |
Kik erwartet das. Wir weisen darauf hin, dass es im pakistanischen Recht | |
eine Ausnahme von der strengen Verjährungsfrist gibt – wenn bereits über | |
eine gütliche Einigung verhandelt wurde. Tatsächlich haben die Kläger ja | |
mit Kik über eine außergerichtliche Entschädigung verhandelt. Aus unserer | |
Sicht ist die Klage deshalb nicht verjährt. | |
Hat Kik die Kläger getäuscht? Wusste Kik, dass der vereinbarte | |
Verjährungsverzicht eventuell unwirksam ist? | |
Vermutlich nicht. Allerdings berufen sie sich jetzt massiv auf die | |
angebliche Verjährung. Wenn sie damit durchkommen, wird die rechtliche | |
Verantwortung von Kik nicht geklärt, obwohl Kik immer behauptet hat, sie | |
wollen eine gerichtliche Entscheidung. | |
Es würde also nicht geklärt, ob ein Großauftraggeber wie Kik für den | |
Zustand in den beauftragten Fabriken mitverantwortlich ist? | |
Die Frage der Haftung wird dann nicht geklärt – weshalb auch in der | |
Textilbranche offenbar manche unzufrieden sind mit dem deutschen | |
Textildiscounter Kik. Auch dort hatte man auf eine rechtliche Klärung | |
gehofft. | |
Gehen die pakistanischen Kläger dann leer aus? | |
Nein, zum Glück nicht. Zum einen bekommen sie eine Entschädigung vom | |
pakistanischen Staat, weil dieser die Fabrik nicht genügend kontrolliert | |
hat. Zum anderen hat Kik den Klägern Ende 2016 in einer Schlichtung bei der | |
Internationalen Arbeitsorganisation ILO eine Entschädigung von 5 Millionen | |
Euro gewährt. Aus diesem Fonds werden monatliche Renten für über 500 | |
Personen ausbezahlt, insbesondere für Hinterbliebene. | |
Warum dann noch die Klage in Deutschland? | |
Vor dem Landgericht Dortmund wurde nur auf Schmerzensgeld geklagt. Einen | |
solchen Schadenersatz für die seelischen Belastungen hatten die Betroffenen | |
bisher noch nicht erhalten. Und natürlich geht es auch darum, die | |
Verantwortung deutscher Unternehmen für ihre Produktionsstätten und | |
Zulieferer in Asien grundsätzlich festzustellen. | |
Fühlen sich die Betroffenen nicht ausgenutzt, wenn sie in Deutschland | |
Grundsatzfragen für europäische Organisationen klären sollen? | |
Nein. Wir haben alle Schritte immer intensiv mit den Betroffenen | |
besprochen. Auch sie wollen, dass die Verantwortlichkeit von Kik | |
gerichtlich festgestellt wird. Außerdem haben die Betroffenen den Eindruck, | |
dass die Klage in Deutschland für den Durchbruch bei den ILO-Verhandlungen | |
hilfreich war. | |
29 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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