# taz.de -- Neues Wertschöpfungskettengesetz: Schnittmuster für eine bessere … | |
> Hiesige Unternehmen sollen strengere Sorgfaltspflichten für die | |
> Beschäftigten in ausländischen Zulieferfabriken einhalten. Es drohen hohe | |
> Strafen. | |
Bild: Oktober 2015: Entwicklungsminister Müller beim Besuch einer Textilfabrik… | |
BERLIN taz | Der Druck auf deutsche Unternehmen steigt, die Menschenrechte | |
von Beschäftigten im Ausland zu schützen. Das Bundesentwicklungsministerium | |
von Gerd Müller (CSU) hat dazu den Entwurf eines | |
Wertschöpfungskettengesetzes erarbeitet. Der Text mit Datum des 1. Februar | |
liegt dieser Zeitung vor. | |
Das Vorhaben ist unter anderem eine Reaktion auf die Katastrophen in den | |
asiatischen Fabriken Rana Plaza und Ali Enterprises, bei denen vor Jahren | |
Hunderte Arbeiter*innen starben. „Die Position der Kläger*innen im | |
KiK-Fall wäre mit einem solchen Gesetz besser gewesen“, sagte Miriam | |
Saage-Maaß von ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights). | |
Die Organisation hatte im Namen von Opfern auf Schmerzensgeld gegen den | |
Textildiscounter KiK geklagt – und verloren. | |
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist es ein Anliegen, die Zustände in | |
den weltweiten Zulieferfabriken zu verbessern. Darüber, ob der Entwurf das | |
richtige Mittel ist, herrscht in seinem Haus allerdings Dissens. Die | |
Befürworter*innen hoffen auf die Unterstützung der Spitze ihres | |
Ministeriums und von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Beide Ministerien | |
veranstalten zusammen mit der Menschenrechtsbeauftragten der | |
Bundesregierung, Bärbel Kofler, demnächst eine Konferenz, bei der der | |
Entwurf eine Rolle spielen dürfte. | |
Der Entwurf enthält ein neues Gesetz für die Sorgfaltspflichten von | |
Unternehmen sowie geplante Änderungen unter anderem im Handelsgesetzbuch. | |
Es wird genauer definiert, welche Pflichten hiesige Firmen für ihre Ableger | |
und Auftragnehmer im Ausland haben. Dabei geht es um soziale und | |
ökologische Standards, die in diversen internationalen Abkommen | |
niedergelegt sind, aber heute oft nicht durchgesetzt werden. | |
## Leitprinzipien der UN für Wirtschaft und Menschenrechte | |
Grundsätzlich müssten Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik dann | |
stärker darauf achten, dass beispielsweise die Fabrikgebäude in Ostasien | |
sicher gebaut sind und nicht zusammenbrechen, die Beschäftigten dort | |
existenzsichernde Löhne erhalten, die maximal zulässige Arbeitszeit nicht | |
überschritten und die Umgebung nicht durch giftige Chemikalien verseucht | |
wird. | |
„Kommt das Gesetz durch, wäre es ein wesentlicher Fortschritt zur Umsetzung | |
der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und | |
Menschenrechte“, sagte Christian Scheper, Wissenschaftler am Institut für | |
Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. Entwicklungs- und | |
Bürgerrechtsorganisationen fordern ein solches Gesetz seit Jahren. | |
Laut Textentwurf sollen die Firmen interne Analysen durchführen, wo die | |
menschenrechtlichen Risiken in ihren Produktionsketten liegen. Sie müssen | |
Vorsorge leisten, dass die Risiken nicht eintreten. Jedes Unternehmen | |
bräuchte einen „Compliance-Beauftragten“, der oder die dafür sorgt, die | |
Sorgfaltspflichten einzuhalten. | |
Ausländischen Beschäftigten soll ein Beschwerdemechanismus in der | |
jeweiligen Firma zur Verfügung stehen. Hinweisgeber müssen geschützt | |
werden, sie sollen keine Nachteile erleiden. Das Ganze gilt vornehmlich für | |
„große“ Unternehmen mit über 250 Beschäftigten und mehr als 40 Millionen | |
Euro Jahresumsatz. Konkret genannt werden im Gesetzentwurf unter anderem | |
die Branchen Landwirtschaft, Energie, Bergbau, Textil-, Leder- und | |
Elektronikproduktion. | |
## Bußgelder und Freiheitsstrafen | |
Die Gewerbeaufsicht, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin | |
sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sollen die | |
Regelungen gegenüber den Firmen durchsetzen und kontrollieren. Als | |
Sanktionen werden Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro, Freiheitsstrafen | |
und der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge im Inland | |
angedroht. | |
Fraglich erscheint allerdings, ob und wie das Gesetz den Zugang | |
ausländischer Arbeitnehmer*innen zur bundesdeutschen Justiz verbessert. | |
Nach wie vor würden „viele Konstellationen nicht zivilrechtlich geltend | |
gemacht werden können“, sagte Juristin Saage-Maaß, etwa „die Zerstörung … | |
Umwelt und Lebensgrundlagen und ausbeuterische Arbeitsbedingungen“. | |
10 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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