# taz.de -- Kolumne Der Rote Faden: Niemand muss mit Rechten reden | |
> Rassisten haben kein Anrecht auf eine Debatte – und gerade von | |
> Marginalisierten kann nicht erwartet werden, dass sie sich um deren | |
> Bekehrung kümmern. | |
Bild: Auch „Anleitung zum Konservativsein“ von Alexander Gauland steht bei … | |
Mit anderen Menschen zu reden erzeugt immer Missverständnisse. | |
Kommunikation ist fehleranfällig, das hat schon Friedemann Schulz von Thun | |
erklärt oder auch die großartige Mascha Kaléko, die meinte, man werde | |
„missverstanden fast so oft man spricht“. Nun können wir nicht aufhören zu | |
sprechen, weil wir uns nicht immer richtig verstehen. Sehr wohl können wir | |
aber aufhören zu sprechen, wenn wir uns überhaupt nicht verstehen. Auch | |
wenn „Debattenfähigkeit“ der neue heiße Scheiß im deutschen Wertemuseum … | |
– nicht immer ist eine Debatte gut für alle Beteiligten. Und schon gar | |
nicht hat jede Debatte einen versöhnlichen Sinn oder ein intellektuelles | |
Ziel. | |
Konkret ging es in der vergangenen Woche oft um die „Debattenfähigkeit“ der | |
Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski, die an der Münchner Buchhandlung | |
Lehmkuhl, in der sie lesen sollte, auszusetzen hatte, dass diese auch | |
Bücher des Antaios Verlags führt – etwa das rechtsradikale Buch [1][„Finis | |
Germania“] oder die „Anleitung zum Konservativsein“ von Alexander Gauland | |
(AfD) – Stichwort: Vogelschiss. | |
Im Mailverkehr mit dem Inhaber äußerte Stokowski, dass man zwar die | |
Positionen Rechter kennen sollte, sie aber nicht sehe, wie man sich gegen | |
rechts engagiere, indem man die Schriften dieser Autor*innen aktiv anbiete | |
und durch Verkäufe noch fördere. Sie sagte die Lesung ab, der Inhaber | |
veröffentlichte den Vorgang, sie bezog Stellung und das deutsche Feuilleton | |
lief schreiend im Kreis. | |
Das alles warf schließlich die Frage auf, ob man als LinkeR nicht sogar die | |
Verantwortung habe, mit Rechten zu reden und wie unter anderem der | |
geschätzte Kollege [2][Jan Feddersen daraufhin befand]: Man hat. Das kann | |
man so sehen, vor allem wenn man weiß ist. Aber ich denke, ich spreche hier | |
für viele Schwarze Menschen, People of Color, Juden und Muslime, wenn ich | |
sage: Nope. | |
## Man muss nicht jeden Horst aufkären | |
Natürlich muss niemand mit Rechten reden. Nicht beruflich und nicht mal mit | |
den Rechten in der eigenen Familie. Denn zum einen ist es niemals die | |
Aufgabe der Marginalisierten, den Marginalisierer zu bilden. Zum anderen | |
muss selbst eine Autorin, die mit ihren Kolumnen Aufklärungsarbeit leistet, | |
nicht jede Aufklärungsarbeit für jeden Horst freudig übernehmen. So wie | |
sich jeder Weltraumforscher selbst fragen darf: Inwiefern bringt es mir | |
persönlich Freude, mit Menschen zu sprechen, die der festen Überzeugung | |
sind, dass die Erde flach ist – und könnte ich in dieser wertvollen | |
Lebenszeit nicht andere schöne Dinge tun, etwa Körbe flechten oder mich | |
einer Wurzelbehandlung unterziehen? | |
Es ist eine freie Entscheidung, die Menschenrechte zu respektieren oder | |
eben nicht. Den Linken und damit auch allen nichtweißen Linken die | |
Verantwortung für die Bekehrung jener Menschen zu überreichen, die wiederum | |
deren Existenz, deren Rechte und Teilhabe in diesem Land infrage stellen, | |
ist eine eigenartige Auffassung von Debattenkultur. | |
Und der weitergehende Vorwurf, wenn man sich gegen diese Auseinandersetzung | |
verwehre, verliere man den „Meinungskampf“, ist schlicht fehlgeleitet. Denn | |
das Weiterbestehen von Rassismus hängt selbstverständlich zuallererst von | |
den Rassist*innen ab. Das Eingehen einer Debatte beinhaltet zumeist die | |
Vorannahme, dass man sich mindestens einen Schritt aufeinander zubewegen | |
kann. | |
## Nicht alle haben die Wahl | |
So können Feminist*innen unterschiedliche Standpunkte zum Binnen-I haben | |
und diese zielführend besprechen, weil niemand die Gleichstellung von Mann | |
und Frau grundsätzlich infrage stellt. Dagegen ist mit Menschen zu | |
sprechen, die grundsätzlich davon ausgehen, dass andere aufgrund ihres | |
Aussehens gewisse Charakterzüge besäßen oder weniger wert seien, in den | |
meisten Fällen reine Frustration. Die Forderung, man müsse mit Rechten | |
reden, fußt auch auf der Annahme, man habe die Wahl. | |
Weiße Menschen haben diese Wahl. Sie können diesen Diskurs an- und | |
ausknipsen wie eine Stehlampe, die mal passend das Zimmer erleuchtet und | |
mal nervig blendet. Wer nicht weiß ist, wer sich als Jude oder Muslim | |
erkennbar zeigt, der kann das nicht. Wenn man sich also eh schon ungefragt | |
mit den rechten, antisemitischen, islamfeindlichen, rassistischen oder | |
antifeministischen Weltbildern der leider gar nicht so stillen | |
„schweigenden Mehrheit“ konfrontiert sieht und auch mit der zugehörigen | |
physischen und psychischen Bedrohung – muss man dann wirklich noch von sich | |
aus den Dialog mit diesen Menschen suchen? | |
Selbst wenn man der Einteilung in „gute Debatten-Rechte, schlechte | |
Schläger-Rechte“ folgt, sind die beiden Gruppen doch nicht ganz getrennt | |
voneinander zu betrachten. Nur weil Alexander Gauland nicht persönlich | |
Menschen bedroht, die Kippa tragen, heißt das nicht, dass er das | |
gesellschaftliche Klima, das es möglich macht, Juden auf offener Straße | |
anzufeinden, nicht mitverantwortet. | |
19 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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