# taz.de -- Expertin über Partnerschaftsgewalt: „Das Thema ist schambesetzt�… | |
> Es gibt zu wenig Aufmerksamkeit für Gewalt gegen Frauen und eine hohe | |
> Dunkelziffer, beklagt Katharina Göpner vom Frauenhilfeverband. | |
Bild: Viele Hochrisikofälle werden zu spät erkannt, oft fehlt es an rechtzeit… | |
taz: Frau Göpner, sind heterosexuelle Beziehungen für Frauen | |
lebensgefährlich? | |
Katharina Göpner: Das ist natürlich etwas spitz formuliert. Die Zahlen | |
zeigen vor allem, dass es zu wenig Aufmerksamkeit für das Thema gibt – die | |
letzten Jahre über waren die Zahlen schon ähnlich hoch. Und die Anzahl der | |
versuchten Tötungen von Frauen liegt noch einmal deutlich höher. Deshalb | |
ja, heterosexuelle Beziehungen können für Frauen gefährlich sein. Viele | |
Hochrisikofälle werden zu spät erkannt und es fehlt oft an rechtzeitigen | |
Schutzmaßnahmen. | |
Viele Frauen melden Gewalt gegen sich gar nicht erst, die Dunkelziffer ist | |
extrem hoch. Warum suchen so viele Frauen keine offizielle Hilfe? | |
Es gibt verschiedene Gründe, warum Frauen keine Anzeige erstatten. Manche | |
sind abhängig vom Partner. Gewalt gegen Frauen war lange Zeit tabuisiert. | |
Das hat sich in den letzten Jahrzehnten verbessert, durch [1][#MeToo und | |
andere Bewegungen] ist viel passiert. Trotzdem ist das Thema sehr | |
schambesetzt, weil es die eigene Integrität betrifft, ist es für viele | |
schwer, darüber zu sprechen. | |
Wie kann man dieses Tabu abbauen? | |
Durch verschiedene Präventionsmaßnahmen und Kampagnen, um für das Thema | |
Gewalt gegen Frauen zu sensibilisieren. Wir starten gerade eine neue | |
Kampagne „Beziehungen auf Augenhöhe“, speziell für junge Frauen, weil vie… | |
schon in ihren ersten Beziehungen zum Beispiel sexualisierte Gewalt | |
erleben. Da muss man sich auch die Frage stellen: Welche Geschlechterrollen | |
sind noch weit verbreitet? Der Einsatz gegen Gewalt ist eine | |
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. | |
Für welche Gruppen von Frauen ist die Gefahr noch besonders groß, Opfer von | |
Gewalt zu werden? | |
Eine Studie von 2012 hat Frauen mit Behinderung nach ihren Erfahrungen mit | |
Gewalt befragt. Dabei kam heraus, dass sie deutlich häufiger verschiedene | |
Formen von Gewalt erleben, sexualisierte Gewalt, aber auch körperliche, | |
dass sie zum Beispiel geschlagen werden. [2][Frauen in | |
Geflüchtetenunterkünften sind auch gefährdet], weil diese Orte einfach kein | |
sicherer Ort für Frauen sind und keinen Schutz bieten können – wobei sie | |
nicht nur keinen Schutz bieten, sondern sogar Gewalt fördern. | |
Für Opfer von Gewalt ist es oft eine große Hürde, sich Hilfe zu suchen. | |
Wann wenden sich Frauen an die Beratungsstellen? | |
Der Zeitpunkt, wann sie sich an uns wenden, ist völlig unterschiedlich. | |
Manche Frauen haben in ihrer Kindheit und Jugend, also vor langer Zeit, | |
Gewalt erlebt, andere sind akut von Gewalt betroffen – sexualisierte | |
Gewalt, [3][körperliche Gewalt durch den Partner], aber auch digitale | |
Gewalt, Stalking oder Ähnliches. Oft melden sich aber auch | |
Unterstützer_innen oder Bezugspersonen bei den Beratungstellen, die beste | |
Freundin zum Beispiel. Das nahe soziale Umfeld ist ein ganz wichtiger | |
Anknüpfungspunkt, eine wichtige Ressource für gewaltbetroffene Frauen. | |
Was kann die Gesellschaft tun, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen? | |
Franziska Giffey hat angekündigt, das Hilfesystem auszubauen, das ist schon | |
einmal ein ganz wichtiger Punkt. Fachberatungsstellen und Frauenhäuser | |
brauchen mehr Geld und Personal. Wichtig ist auch, dass man zum Beispiel | |
medizinisches oder pädagogisches Personal schult, das Kontakt mit Frauen | |
hat, die von Gewalt betroffen sind. Man muss die Täterarbeit ausbauen für | |
gewalttätige Männer. | |
Wo setzt man da an? | |
Die Prävention muss schon im Kindergarten losgehen. Da können die Kinder | |
zum Beispiel lernen, Grenzen zu setzen, Nein zu sagen. Daran kann man mit | |
den Mädchen und Jungen schon arbeiten, es muss weiterhin für das Thema | |
Gewalt gegen Frauen sensibilisiert werden. | |
Die Kinder sollen außerdem lernen, zwischen – man sagt das so – „guten�… | |
„schlechten“ Geheimnissen zu unterscheiden. Bei sexualisierter Gewalt in | |
der Kindheit und im Jugendalter ist es oft eine Strategie von Tätern, zu | |
sagen, dass die Kinder das niemandem erzählen dürfen, da ist es ganz | |
wichtig, dass die Kinder den Mund aufmachen und sich öffnen. Und man muss | |
schon früh Angebote schaffen auch für die Kinder, deren Mütter von Gewalt | |
betroffen sind. Die sind automatisch mitbetroffen. | |
21 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Sophie Spelsberg | |
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begrüßt das. |