| # taz.de -- Frauen gegen philippinischen Präsidenten: Rühr mich nicht an | |
| > Die Berater des philippinischen Präsidenten Duterte halten seine | |
| > frauenfeindlichen Sprüche für „Witze“. Die Frauenbewegung mobilisiert | |
| > gegen ihn. | |
| Bild: Aufruf zur Demonstration am 25.11., dem internationalen Tag gegen Gewalt … | |
| Manila taz | Vor Kurzem verhaftete die Polizei in der philippinischen | |
| Hauptstadt Manila ein Ehepaar als angebliche Drogenkriminelle. Die Beamten | |
| schleppten auch die 15-jährige Tochter des Paars auf die Wache. Dort wurde | |
| dem Mädchen gesagt, seine Eltern kämen frei, wenn es sich „gebrauchen“ | |
| lasse. Kurz darauf ging ein Video viral, in dem der tatverdächtige Beamte | |
| zu Manilas Polizeichef sagte, es sei doch „nichts Neues“, dass Polizisten | |
| Frauen vergewaltigen. | |
| Das ist nur ein Beispiel für Berichte in philippinischen Medien über | |
| Vergewaltigungen aus den vergangenen vier Wochen. Seit dem Machtantritt von | |
| Rodrigo Duterte als Präsident vor zwei Jahren hat sich die Situation für | |
| Frauen extrem verschärft. Der 73-Jährige ist berüchtigt für seine | |
| sexistischen Ausfälle. | |
| Im Wahlkampf 2016 sagte Duterte über die Vergewaltigung und Ermordung einer | |
| australischen Laienmissionarin in Davao, wo er seinerzeit Bürgermeister | |
| war: „Ich war über die Vergewaltigung empört. Aber sie war so schön. Der | |
| Bürgermeister hätte der Erste sein sollen.“ | |
| ## In die Vagina schießen | |
| Entsetzen löste Duterte auch mit seinem Befehl an Soldatenaus, weiblichen | |
| Kämpferinnen der kommunistischen Guerilla Neue Volksarmee in die Vagina zu | |
| schießen. Davao steht in dem unrühmlichen Ruf, die Stadt mit den meisten | |
| Fällen von Vergewaltigung auf den Philippinen zu sein. Für den Präsidenten | |
| ist das kein Skandal, im Gegenteil. „Solange es dort viele schöne Frauen | |
| gibt, wird es mehr Vergewaltigungsfälle geben“, sagte Duterte im August in | |
| einer Rede. | |
| Dutertes Berater und Sprecher spielen solche Äußerungen immer wieder als | |
| Witze ihres Chefs herunter. Frauen auf den Philippinen finden den vulgären | |
| und brutalen Sexismus Dutertes alles andere als lustig. „Duterte ist ein | |
| Rückschlag für Frauen“, sagt Joms Salvador, Generalsekretärin der kleinen, | |
| aber einflussreichen linken, sich als militant definierenden Frauenpartei | |
| Gabriela. „Seine Bemerkungen sind nicht privat. Er ist der Präsident, und | |
| seine Worte werden als politische Anweisungen aufgefasst“, sagt Salvador. | |
| Sie zieht eine Parallele zu Dutertes Aufforderungen, angebliche | |
| Drogenkriminelle zu erschießen. | |
| In Dutertes „Drogenkrieg“ sind seit seinem Amtsantritt vor über zwei Jahren | |
| 30.000 Menschen erschossen worden. Täter sind Polizisten sowie anonyme | |
| Todesschwadronen. Immer wieder fallen auch Regierungskritiker, | |
| Umweltaktivisten, Menschenrechtler und kritische Journalisten Attentaten | |
| zum Opfer. Die Täter kommen in aller Regel ungeschoren davon. | |
| ## Schikanierung, Diffamierung, Verhaftung | |
| Wer nicht ermordet wird, der muss mit Schikanen, Diffamierungen und | |
| Verhaftung rechnen. „Er hat die Polizei und die Armee ermutigt, die Linke | |
| zu attackieren“, sagt Liza Maza. Die 61-Jährige weiß, wovon sie redet. Bis | |
| zu ihrem Rücktritt im August war sie Chefin der Nationalen | |
| Antiarmutskommission und damit ein Mitglied des Kabinetts von Duterte. | |
| „Der Präsident beruft immer mehr ehemalige Generäle in die Regierung und | |
| verschaffte dem Militär und den Rechten einen immer größeren politischen | |
| Einfluss. Ich konnte unter diesen Umständen nicht weiterarbeiten.“ | |
| Maza war in das Kabinett von Duterte in der Hoffnung eingetreten, einen | |
| Beitrag zu den Friedensverhandlungen der Regierung mit der kommunistischen | |
| Guerilla auf Mindanao leisten zu können. Von diesem zentralen | |
| Wahlkampfversprechen Dutertes ist wenig übrig geblieben. | |
| Verhandlungsführer der Kommunisten sitzen als Terroristen im Gefängnis, der | |
| Friedensprozess liegt in Trümmern, die Armee setzt auf eine militärische | |
| Lösung des jahrzehntealten Konflikts. | |
| ## Die Armut ist die Wurzel des Konflikts | |
| „Die wirkliche Wurzel des bewaffneten Konflikts ist die Armut“, betont | |
| Maza. Armut ist das größte Problem der Philippinen, die von superreichen | |
| feudalen Familienclans ausgebeutet werden. Deshalb versteht sich Gabriela | |
| auch nicht ausschließlich als Partei für den Kampf um Frauenrechte. | |
| Die Mehrheit der Frauen sei arm, so Maza, Gründungsmitglied und erste | |
| Vorsitzende von Gabriela. „Arme im Allgemeinen und besonders arme Frauen | |
| sind politisch einflusslos. Gabriela ist deshalb eine Bewegung für | |
| sozioökonomische Reformen.“ | |
| Das System „substanziell“ zu verändern sei extrem schwierig. „Die meisten | |
| Politiker stammen aus der Elite und sind männlich“, sagt Maza. | |
| Die gesellschaftliche Situation der Frauen auf den Philippinen ist | |
| schillernd. Emmi de Jesus, eine Parlamentsabgeordnete von Gabriela, | |
| verweist auf die zahlreichen in den vergangenen zehn Jahren verabschiedeten | |
| Gesetze zur Stärkung der Frauenrechte mit der „Magna Charta für Frauen“ a… | |
| Kernstück: „Das Problem besteht oft in der Umsetzung der Gesetze.“ Frauen | |
| würden in der „feudalen und patriarchalischen Kultur“ noch immer als | |
| billige Arbeitskräfte und als Ware behandelt. | |
| ## Zentrale Rolle der Frauen | |
| Unter Duterte spielen drei Frauen eine zentrale politische Rolle. Die | |
| ehemalige, als extrem korrupt geltende Präsidentin Gloria Arroyo hatte vor | |
| einigen Monaten ein überraschendes Comeback als Parlamentssprecherin. | |
| Dutertes Tochter Sara, Nachfolgerin ihres Vaters im Bürgermeisteramt von | |
| Davao, strebt bei der Wahl 2019 einen Sitz im Senat an wie auch Imee | |
| Marcos, Gouverneurin von Ilocos Norte und Tochter des verstorbenen | |
| Diktators Ferdinand Marcos, den Duterte bewundert. | |
| Alle drei Damen stehen als Vertreterinnen der Elite nicht in dem Ruf, sich | |
| sonderlich für Frauenrechte, für Menschenrechte und die Armen zu | |
| interessieren, obgleich die Spindoktoren des Präsidenten das weibliche | |
| Dreigestirn als „Stärkung des Feminismus“ feiern. | |
| Für Inday Espina-Varona – Feministin, Journalistin und Vorsitzende der | |
| Nationalen Journalistengewerkschaft der Philippinen – repräsentieren die | |
| drei Frauen „die Perversion des Feminismus, den Gebrauch von Macht zur | |
| Stärkung der Frauenfeindlichkeit und anderer Formen des Machtmissbrauchs“. | |
| Unter Duterte und seinen Generälen werden Frauen auf den Philippinen immer | |
| häufiger Opfer häuslicher Gewalt und sexueller Belästigungen am | |
| Arbeitsplatz. Die Armut treibt immer mehr Frauen – und oft auch deren | |
| Kinder – in die auf den Philippinen boomende Prostitution. | |
| ## 11.500 Fälle im Jahr 2017 | |
| Allein in der Hauptstadt Manila wurden 2017 über 11.500 Fälle sexueller und | |
| körperlicher Gewalt gegen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren | |
| registriert. Besonders gefährdet sind Frauen aus armen Verhältnissen. 31 | |
| Prozent der Frauen aus Haushalten mit niedrigem Einkommen sind 2017 laut | |
| einer Untersuchung der Behörden Opfer seelischer, körperlicher oder | |
| sexueller Gewalt ihrer Partner geworden. Hingegen waren es in Haushalten | |
| mit Spitzeneinkommen lediglich 18 Prozent. | |
| Jetzt wehren sich die Frauen. Gabriela startet am 25. November im José | |
| Rizal Park in Manila die philippinische Version von „One Billion Rising“, | |
| der weltweiten Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen. José Rizals 1887 in | |
| Berlin gedruckter Roman „Noli me tangere“ – „Rühre mich nicht an“ �… | |
| Inspiration für den philippinischen Unabhängigkeitskampf gegen die | |
| Herrschaft der Spanier. | |
| In dem Buch übte der philippinische Nationalheld ätzende Kritik an dem | |
| herrschenden politischen System, an der römisch-katholischen Kirche als | |
| Stütze der spanischen Herrschaft und prangerte Korruption und Landraub an. | |
| Geändert hat sich seitdem offenbar nichts. | |
| Gabriela-Generalsekretärin Joms Salvador kann Duterte auch eine positive | |
| Seite abgewinnen. „Als gemeinsamer Feind stärkt er die Frauenbewegung.“ Das | |
| lässt hoffen, dass das Motto von One Billion Rising auf den Philippinen | |
| eingelöst wird: „Rise. Resist. Unite“ – Wachst. Leistet Widerstand. Vere… | |
| euch.“ | |
| 25 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Lenz | |
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