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# taz.de -- Kriminalstatistik zu Partnerschaftsgewalt: Jeden Tag ein Mordversuch
> Täglich verletzen, vergewaltigen oder töten Männer in Deutschland ihre
> Partnerin. Die Frauenministerin will das Recht auf Schutz etablieren.
Bild: „Für viele Frauen ist das eigene Zuhause ein gefährlicher Ort, an dem…
Berlin taz | Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland seine Partnerin
oder Ex-Partnerin umzubringen. In 147 Fällen, also mehr als an jedem
dritten Tag, ist das 2017 gelungen. Das geht aus Zahlen der Polizeilichen
Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts hervor, die Frauenministerin
Franziska Giffey (SPD) am Dienstag in Berlin vorstellte. „Für viele Frauen
ist das eigene Zuhause [1][ein gefährlicher Ort, an dem Angst herrscht]“,
sagte Giffey.
2017 wurden mehr als 138.000 Fälle von partnerschaftlicher Gewalt in
Deutschland registriert, darunter waren mehr als 113.000 weibliche Opfer.
Bei den Delikten Vergewaltigung und sexueller Nötigung waren sogar mehr als
98 Prozent der Opfer weiblich. Der größte Anteil der weiblichen Opfer litt
unter vorsätzlicher einfacher Körperverletzung, gefolgt von den Kategorien
Bedrohung, Stalking und Nötigung. „Das sind schockierende Zahlen“, sagte
Giffey. „Für ein Land wie Deutschland, das sich als modern und
fortschrittlich versteht, ist das eine unvorstellbare Größenordnung.“
Giffey will deshalb langfristig einen Rechtsanspruch auf den Schutz vor
Gewalt etablieren. „Momentan haben wir [2][6.000 Plätze in Frauenhäusern] �…
das reicht nicht“, sagte sie. „Es muss einen gesellschaftlichen Konsens
darüber geben, dass wir das ausbauen.“ Den zu erreichen, sei allerdings
kein leichter Weg, sagte Giffey. Da müssten noch „dicke Bretter“ gebohrt
werden.
Erstmals erfasste die Polizeiliche Kriminalstatistik 2017 wegen der
Gesetzesänderungen im Sexualstrafrecht („Nein heißt Nein“) neue
Deliktbereiche, darunter Nötigung, Freiheitsberaubung und Zuhälterei. In
diesen Kategorien wurden knapp 7.000 Opfer erfasst, weshalb auch die
Gesamtzahl der Opfer stieg. Fast die Hälfte der Opfer lebte mit dem Täter
zusammen.
Unter den Opfern sind weit überwiegend Deutsche, die zweitgrößte Gruppe der
Opfer sind Türkinnen. Auch unter den Tatverdächtigen sind mit rund 68
Prozent weit überwiegend Deutsche, danach folgen mit knapp 6 Prozent
ebenfalls Türken. „In der öffentlichen Debatte kann man ja den Eindruck
bekommen, die Ausländer sind’s“, sagte Giffey. „Aber Gewalt geht durch a…
ethnischen Gruppen und sozialen Schichten.“
## Dunkelziffer liegt bei rund 80 Prozent
Dass der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen mit rund 32 Prozent
dennoch recht hoch ist, liege vor allem daran, dass es bestimmte
Risikofaktoren für Täter gebe, sagte Giffey. Zum einen sind Männer
grundsätzlich viel häufiger tatverdächtig als Frauen. Zudem gelte: „Je
jünger und je prekärer die soziale Lage, desto höher ist die Anfälligkeit
für Kriminalität generell“, sagte Giffey. Besonders gewalttätig sind der
Statistik zufolge Männer zwischen 30 und 39 Jahren.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik bildet das sogenannte Hellfeld ab, also
die angezeigten Delikte – die Dunkelziffer im Bereich Partnerschaftsgewalt
liegt, wie Giffey sagte, bei rund 80 Prozent. Diese hohen Zahlen ließen
sich auf Schätzungen und Studien wie die der Europäischen
Grundrechteagentur zur Gewalt gegen Frauen von 2014 zurückführen.
Das unterstrich auch Petra Söchting, die Leiterin des 2013 ins Leben
gerufenen [3][bundesweiten Hilfetelefons für Frauen], das beim Bundesamt
für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben angesiedelt ist und dessen
neue Kampagne am Dienstag ebenfalls vorgestellt wurde.
„Jetzt rede ich“ sei das Motto der Kampagne, so Söchting. Mit einem
Fernsehspot, mit Plakaten und Flyern soll auf das Angebot aufmerksam
gemacht werden. Beim Hilfetelefon sind rund um die Uhr Beratungen in 17
Sprachen per Telefon, Chat oder E-Mail möglich. Rund 40 Prozent der
Gespräche würden zwischen 18 Uhr abends und 8 Uhr früh geführt, sagte
Söchting.
Die ausschließlich weiblichen Beraterinnen informierten dann über
Hilfemöglichkeiten vor Ort oder auch Hinweise zur anonymen Spurensicherung.
„Aber vielen geht es erst mal gar nicht um eine Anzeige, sondern darum,
dass sie und ihre Kinder geschützt sind“, sagte Söchting.
## Zahlen zeigen nur Vorfälle innerhalb von Partnerschaften
Giffey und Söchting gingen auch darauf ein, dass auch Männer unter den
Opfern von Partnerschaftsgewalt sind. Zwar sei es richtig, „dass wir einen
Schwerpunkt auf Gewalt gegen Frauen legen“, sagte Giffey, weil Frauen mit
82 Prozent einfach in viel größerem Maße betroffen sind. „Das Hilfetelefon
berät aber auch Männer“, sagte Söchting.
Im September trafen sich Bund, Länder, Kommunen und Beratungsstellen zum
ersten Mal zum runden Tisch gegen Gewalt an Frauen. Dort wird erarbeitet,
wie die Strukturen im Gewaltschutz verändert werden können. Für die
Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Aktionsprogramms zur
Prävention und Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen und Kindern ist
geplant, 2020 35 Millionen Euro aufzuwenden.
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Gesine Agena, forderte, der
runde Tisch müsse eine bundesweit einheitliche Finanzierung von
Beratungsstellen und Frauenhäusern sowie einen Rechtsanspruch auf den
Schutz gegen Gewalt „zügig durchsetzen“.
Die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Cornelia
Möhring, sagte, die Zahlen würden [4][nur Vorfälle innerhalb von
Partnerschaften] zeigen – das sei aber nur „ein Bruchteil der Gewalt“. Zu
Tötungsdelikten an Frauen außerhalb von Beziehungen lägen der
Bundesregierung demgegenüber so gut wie keine Erkenntnisse vor. „Wir
brauchen umfassende Untersuchungen zu allen Formen der Gewalt an Frauen“,
forderte Möhring, „damit diese wirksam bekämpft werden kann.“
20 Nov 2018
## LINKS
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[4] /Debatte-Gewalt-in-Partnerschaften/!5418290
## AUTOREN
Patricia Hecht
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