# taz.de -- Boxtrainerin über feministischen Sport: „Es gibt ganz viele Lebe… | |
> Corinna Schmechel ist Boxtrainerin und Soziologin. Sie erklärt, was | |
> feministischen Sport ausmacht und weshalb er auch für den Leistungssport | |
> bedeutsam ist. | |
Bild: „Wir müssen reingehen in die Institutionen, und zeigen, dass Schutzrä… | |
taz: Frau Schmechel, Ihr Sportverein Seitenwechsel feiert gerade | |
30-jähriges Jubiläum. Wie steht es denn zum Geburtstag um den | |
feministischen Sport? | |
Corinna Schmechel: Ich glaube, die Lage ist ziemlich gut. Vor drei Wochen | |
gab es die Bundesnetzwerktagung der queeren Sportvereine, organisiert von | |
Vorspiel. Bundesweit gibt es mittlerweile ziemlich viel. Und natürlich hat | |
sich einiges verändert. | |
Was denn zum Beispiel? | |
Aktuell vor allem die Einführung eines dritten positiven | |
Geschlechtseintrages. Damit steht der etablierte Sport vor der | |
Herausforderung, wie er in Zukunft arbeiten will. Sport basiert bis heute | |
noch maßgeblich auf einem zweigeschlechtlichen Bild; aber das geht | |
eigentlich Ende des Jahres nicht mehr. Das ist ein ganz spannender Moment, | |
wo der feministische und queere Sport zeigen kann: Wir sind da. Und wir | |
haben ganz viel Expertise, die jetzt wichtig wird. | |
Gleichzeitig hört man immer wieder, unter Sportlerinnen seien feministische | |
Einstellungen nicht so präsent. | |
Eigentlich ist das nicht meine Wahrnehmung. Die feministischen und queeren | |
Vereine haben innerhalb der letzten 30 Jahre stetiges Wachstum und | |
Professionalisierung erlebt. Sowohl bei den Zugehörigenzahlen als auch in | |
der Wahrnehmung. | |
Aber es gibt auch einen konservativen Backlash. Im Leistungssport sieht man | |
vor allem Frauen mit langen Haaren, Schönheit wird enorm vermarktet. | |
Natürlich ist es eine Herausforderung für den feministischen Sport, was den | |
Wandel von Körperbildern angeht. Ich höre schon länger von feministischen | |
Trainerinnen, dass die jungen Frauen heute zunehmend Sport machen, weil sie | |
ihren Körper optimieren wollen. Es geht gar nicht mehr viel darum, zu | |
sagen: Ich möchte was mit anderen Frauen machen, Selbstverteidigung lernen | |
oder Fußball spielen lernen. Die Motivation junger Frauen, Sport zu machen, | |
sei eher: Ich möchte schlank sein und Schönheitsidealen entsprechen. Der | |
Fitnessstudiomarkt ist massiv gewachsen, das hat sicherlich Ursachen im | |
Körperbild. | |
Wie feministisch ist ein Frauen-Fitnessstudio? | |
Nur, weil ein Raum nur aus Frauen besteht, macht das keinen feministischen | |
Raum aus. Feministischer Sport geht darüber hinaus, sich nur über die | |
Zielgruppe zu definieren. Es gehört auch eine selbstkritische | |
Auseinandersetzung dazu. Sich den internen Reibungen zu stellen und | |
trotzdem in solidarischer Verbundenheit Sporträume zu schaffen. | |
Auf dem Flyer zur Jubiläumsveranstaltung fragen Sie sinngemäß: Rein in den | |
organisierten Sport oder eigene Räume schaffen? Wie würde Ihre Antwort | |
lauten? | |
Die Leistungsdebatte hat den feministischen Sport immer schon beschäftigt. | |
Natürlich war die Frage absichtlich etwas kontrovers gestellt. Ergebnis der | |
Diskussion heute war auch: Es braucht beides. Zuerst mal braucht man | |
Nischen und Alternativen, also reine FrauenLesbenTrans*- oder BPoC-Gruppen. | |
Um Selbstsicherheit zu entwickeln und später, wenn das Bedürfnis da ist, in | |
den organisierten Sport zu gehen. Wir müssen aber auch reingehen in die | |
Institutionen, um zu zeigen, dass Schutzräume notwendig sind. Es sind nicht | |
nur weiße Heteromänner mittleren Alters, die Sport treiben. Es gibt ganz | |
viele Lebensrealitäten im Sport. | |
Auf dem Podium war viel von rassistischer Diskriminierung die Rede, aber | |
wenig von sozialer. Schaut der feministische Sport zu wenig auf dieses | |
Gebiet? | |
Im Gegenteil, das ist ein Thema, was Seitenwechsel sehr viel beschäftigt. | |
Es gibt ein ausgeklügeltes Ermäßigungssystem. Das gibt es eigentlich bei | |
allen queer-feministischen Sportvereinen, die ich kenne. Geld ist kein | |
Grund, nicht mitmachen zu können. Die Gebühren sind sehr stark gestaffelt. | |
Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Mädchensport- und dem | |
Erwachsenensport-Segment. Im Mädchensport ist der Anteil von | |
BPoC-Teilnehmenden wesentlich größer, und wesentlich öfter kommen sie auch | |
aus sogenannten sozialen Brennpunkten. Aber da, wo das Angebot für | |
Erwachsene konzipiert ist, haben wir das Problem, das alle feministischen | |
Sportstrukturen in Berlin beschäftigt: Größtenteils sind es akademisch | |
gebildete Menschen mit relativ guten Einkommensverhältnissen. Da müssen wir | |
uns fragen, welche Barrieren außer der ganz konkret finanziellen es gibt. | |
Warum funktioniert es bei Mädchen besser? | |
Der Mädchensport hat mehr aktive Ansprechpolitik zum Beispiel an Schulen. | |
Er macht AGs, und da kann man natürlich ganz gut steuern. Im | |
Erwachsenenbereich entscheiden die Leute frei: Ich gehe in den Sportverein. | |
Und da gibt es bestimmte kulturelle Mechanismen, die einigen Menschen | |
nahelegen, in den Sportverein zu gehen, und anderen nicht. Daran müssen wir | |
arbeiten. | |
19 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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