# taz.de -- Koalitions-Vertrag in Bayern steht: CSU mit orangefarbenen Sprenkeln | |
> CSU und Freie Wähler haben ihren Koalitionsvertrag unterschrieben. Auch | |
> die Grünen scheinen ihre Handschrift hinterlassen zu haben. | |
Bild: Die Unterschrift sitzt, nun koalieren CSU und Freie Wähler in Bayern | |
MÜNCHEN taz | Für die einen [1][ist es eine Papaya], für die anderen ein | |
Spezi und für wieder andere ganz phantasielos einfach nur Schwarz-Orange: | |
In jedem Fall sind sie nun ganz offiziell Bayerns neue Regierung. An diesem | |
Montagmorgen setzen Ministerpräsident Markus Söder, CSU-Fraktionschef | |
Thomas Kreuzer sowie [2][Freien-Wähler-Chef Hubert Aiwanger] und sein | |
Parlamentarischer Geschäftsführer Florian Streibl ihre Unterschriften unter | |
den am Sonntagnachmittag von beiden Parteien abgesegneten | |
Koalitionsvertrag. | |
Sie selbst nennen sich gern Bayernkoalition – und in der Tat: Das scheint | |
einer der größten gemeinsamen Nenner dieser neuen Schicksalsgemeinschaft zu | |
sein. Zwei Regionalparteien haben sich hier gefunden, auch wenn die größere | |
der beiden, die CSU, [3][ihr Wahldesaster] nicht zuletzt auch der | |
unrühmlichen Rolle zu verdanken hatte, die sie in den vergangenen Monaten | |
auf Bundesebene spielte. | |
Wie sehr die beiden einander wollten, war schon vom ersten Tag nach der | |
Wahl an unverkennbar. Aiwanger, der sein Selbstbewusstsein in den letzten | |
Wochen vor der Wahl [4][kaum noch zu zügeln wusste], hat seit dem 14. | |
Oktober in einem Tempo verbal abgerüstet, dass man ihn kaum noch | |
wiedererkannt hätte – wären da nicht weitere sein markantes Idiom und die | |
Liebe zu oft verwegenen Metaphern geblieben. | |
Aiwangers Botschaft an den Verhandlungspartner lautete – frei übersetzt und | |
etwas verkürzt: Lasst mich in die Regierung, und wir können über alles | |
andere reden. Ein Gesprächsangebot, das man bei der CSU freudig, vielleicht | |
auch etwas überrascht, annahm. | |
## Diskrepanzen zwischen den Parteien waren überschaubar | |
Dass die Verhandlungen dann auch in Rekordgeschwindigkeit über die Bühne | |
gingen, dürfte dem geschuldet sein. Aber auch dem Fakt, dass die | |
Diskrepanzen ohnehin überschaubar waren und die aktuelle wirtschaftliche | |
Lage des Freistaats so gut ist, dass genug da ist für Bürgergeschenke | |
beider Parteien. | |
Das Ergebnis ist nun der schon im Frühjahr von Söder aufgelegte | |
Maßnahmenkatalog mit einigen orangefarbenen Tupfern und ein paar kleineren | |
Abstrichen. Seine Prestigeprojekte, etwa das Luft- und Raumfahrtprogramm | |
oder auch das Familiengeld, darf Söder behalten. Die dritte Startbahn des | |
Münchner Flughafens wird fünf Jahre lang nicht weiterverfolgt. | |
Auch das kein allzu großer Wermutstropfen für Söder. Der hatte das Projekt | |
angesichts des großen Protests ohnehin vorläufig schon mal auf Eis gelegt; | |
dazu kommt, dass die Lufthansa jüngst hat durchblicken lassen, dass es ihr | |
gar nicht mehr so pressant mit der Startbahn ist. | |
Bei ihrer Kernforderung nach einer kostenfreien Kinderbetreuung konnten | |
sich die Freien Wähler dagegen – weitgehend – durchsetzen. Für Kinder in | |
einer Kita oder im Kindergarten bekommen die Eltern künftig einen Zuschuss | |
von 100 Euro pro Monat, was bisher lediglich im letzten Kindergartenjahr | |
der Fall war. Auch die Straßenausbaubeiträge werden abgeschafft. | |
## Nur 100 Pferde für die Kavallerie | |
Hier hatte es zuletzt noch den Streitpunkt gegeben, inwieweit die | |
Betroffenen auch rückwirkend entlastet werden können. Der Kompromiss: Man | |
einigte sich auf einen Sonderfonds für Härtefälle seit 2014. Viele der | |
übrigen „Erfolge“ Aiwangers bewegen sich auf einem Niveau, wo Söder | |
beispielsweise für seine angekündigte bayerische Kavallerie statt der | |
geplanten 200 und 100 Pferde zugestanden wurden. | |
Auch in der Asylpolitik waren die Freien Wähler ohnehin mit der CSU | |
weitgehend einig oder bereit, Söder seine Spielzeuge wie die eigene | |
bayerische Grenzpolizei zu lassen. Ein kleines Bekenntnis mit gewissem | |
Neuigkeitswert gibt es jedoch – ob allerdings auf Betreiben der Freien | |
Wähler, ist unklar: Bayerns Regierung will künftig „die 3+2-Regelung noch | |
offensiver anwenden“. | |
Sollte dies tatsächlich umgesetzt werden, wäre das eine gewisse Abkehr von | |
der bisherigen Praxis, wonach man die Integration von Flüchtlingen – auch | |
auf dem Arbeitsmarkt – eher zu verhindern suchte, um keinerlei | |
Abschiebehürden entstehen zu lassen. | |
Dass CSU und Freie Wähler beide in dem Vertrag ihre Handschrift | |
hinterlassen haben, verwundert freilich nicht. Interessanter ist es da | |
schon, dass ausgerechnet die Grünen, die von der CSU nach einer kurzen | |
Sondierung aus Höflichkeit umgehend als potenzieller Koalitionspartner | |
aussortiert worden waren, ein paar Akzente in dem Schriftstück setzen | |
konnten. | |
## Eine Watschn für den Minister | |
So will die Koalition im umstrittenen Polizeiaufgabengesetz einen zentralen | |
Kritikpunkt, den Begriff der „drohenden Gefahr“, einer Überprüfung | |
unterziehen. Auch eine Begrenzung des Flächenverbrauch auf fünf Hektar | |
steht im Vertrag – zwar nur als Richtgröße, aber immerhin. | |
Und dann noch dieser schlichte Satz: „Die Änderungen im Alpenplan werden | |
wir rückgängig machen.“ Eine Watschn für den zuständigen Minister der | |
vorletzten Regierung – einen gewissen Markus Söder, der die Änderungen | |
durchsetzte, um die Skischaukel am Riedberger Horn zu ermöglichen. | |
All das, davon kann man ausgehen, ist dem beeindruckenden Erfolg der | |
bayerischen Grünen bei der Landtagswahl geschuldet. Mit 17,6 Prozent haben | |
sie ihr Ergebnis gut verdoppelt. Ein Signal der Wähler, das die CSU | |
offenbar nicht ignorieren wollte. | |
Das ist der Bereich, wo ein wenig die alte CSU durchschimmert, die es | |
früher stets meisterlich verstanden hat, der Opposition den Wind aus den | |
Segeln zu nehmen, indem sie deren Vorstöße, so sie nicht mehr abzuwenden | |
waren, einfach übernahm und umdeklarierte. Oder wie es Söder am Sonntag | |
formulierte: „Bayern kann grüner werden – auch ohne die Grünen!“ | |
## Söders Parteivorsitz gilt als sicher | |
Am Dienstag soll nun Söder vereidigt werden, in einer Woche dann das neue | |
Kabinett. Drei Minister und zwei Staatssekretäre werden die Freien Wähler | |
bekommen – das aus CSU-Sicht wohl schmerzhafteste Zugeständnis. Aiwanger | |
selbst wird das Wirtschaftsressort mit den Zuständigkeiten für Energie und | |
Landesentwicklung übernehmen, der profilierte Bildungspolitiker Michael | |
Piazolo das Kultus- und Thorsten Glauber das Umweltministerium. | |
Wer die CSU-Ministerien, darunter auch ein eigenes Digitalministerium | |
übernimmt, ist noch offen. Dass sich Söder hier bedeckt hält, könnte | |
vielleicht auch damit zusammenhängen, dass es da ja noch diese andere | |
Personalentscheidung gibt. Parteichef Horst Seehofer hat angekündigt, sich | |
nächste Woche zu seiner persönlichen Zukunft äußern zu wollen. | |
Dass Markus Söder künftig auch den Parteivorsitz übernehmen soll, gilt dem | |
Vernehmen nach mittlerweile in der Partei als ausgemachte Sache. Sollte in | |
diesem Zuge dann auch ein Ministerposten in Berlin zu vergeben sein, hätte | |
dies natürlich auch Auswirkungen auf Söders Berufungen in Bayern. | |
5 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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