# taz.de -- Koalition CSU und Freie Wähler: Eine wunderbare Männerfreundschaft | |
> Bayern hat eine neue Regierung. Söder und Aiwanger sind nach wüsten | |
> Beschimpfungen im Wahlkampf nun ein Herz und eine Seele. | |
Bild: Freie Wähler und CSU haben sich zu einem Männerbund zusammengetan | |
München taz | „Ein historischer Tag“, sagt Markus Söder, und in der Tat: | |
Die Einführung Alexander Humboldts in den Maximiliansorden, die sich da | |
gerade im Akademiesaal des bayerischen Landtags vor den Fotografen und | |
Kamerateams abspielt, ist keineswegs alltäglich. Gut, in Wirklichkeit hat | |
die von Engelbert Seibertz festgehaltene Szene nicht stattgefunden, aber | |
Söder meint ohnehin das, was gerade unterhalb dieses Freskos passiert ist. | |
Denn auch hier wurden wenige Minuten zuvor neue Mitglieder in eine Art | |
Männerbund aufgenommen. Der bayerische Ministerpräsident saß dort mit drei | |
weiteren Herren, seinem Fraktionschef Thomas Kreuzer sowie den beiden | |
Politikern der Freien Wähler, Hubert Aiwanger und Florian Streibl. | |
Vor ihnen die dunkelblauen Mappen, die sie so lange reihum reichten, bis | |
jeder von ihnen unter jedes der Schriftstücke seine Unterschrift gesetzt | |
hatte. Das Ergebnis: Die Freien Wähler, erst seit zehn Jahren überhaupt im | |
Parlament, dürfen künftig mitregieren. | |
Somit ist es am Ende tatsächlich ein historischer Tag. Zumal es auch der | |
Tag ist, an dem der bayerische Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung | |
zusammenkommt. Ein Landtag, der erstmals aus sechs Parteien besteht, der | |
erstmals auch eine AfD in seinen Reihen ertragen muss. | |
## Söder ist die krachende Niederlage nicht anzusehen | |
Und es ist der größte Landtag, den es in Bayern je gab: 205 Sitze hat er, | |
25 mehr als bisher. Es ist eng im Plenarsaal. Und es ist ein bisschen wie | |
der erste Schultag: Die einen kommen aus den großen Ferien zurück, begrüßen | |
sich, die anderen schauen erst mal, wo es langgeht. | |
Söder ist einer der Ersten, die sich im Saal einfinden, er unterhält sich | |
mit ein paar Fraktionskollegen, posiert auch mal für ein Selfie. Helmut | |
Markwort, einst Focus-Chef und jetzt FDP-Abgeordneter, begrüßt Ilse Aigner | |
mit Küsschen, bevor er sich auf dem Platz niederlässt, der bald der ihre | |
sein wird, dem der Parlamentspräsidentin. | |
Um 15.04 Uhr schwingt Markwort die Glocke, denn heute darf er, mit 81 | |
Jahren Alterspräsident des Parlaments, die Sitzung eröffnen. Er doziert ein | |
wenig über demokratische Spielregeln und verständliche Sprache, bevor | |
schließlich die ersten Wahlen stattfinden. Am Dienstag soll dann bereits | |
Markus Söder zum Ministerpräsidenten gewählt werden. | |
Der ist an diesem Montag gut gelaunt, strahlt, wirkt keinesfalls wie einer, | |
der vor drei Wochen eine krachende Wahlniederlage eingefahren hat. „Die | |
erste Koalition zwischen CSU und Freien Wählern, die es weltweit gibt“, | |
scherzt Söder am Morgen im Akademiesaal und lobt dann [1][das ausgehandelte | |
Vertragswerk]. | |
## Aus dem Flirt könnte was Dauerhaftes entstehen | |
Der Auftrag des Wählers sei klar, Stabilität wolle er, andererseits auch | |
Erneuerung und Veränderung. Die Koalition, die man hier in nur zweiwöchiger | |
Verhandlung auf die Beine gestellt habe, sei „ein guter Kompromiss“, „ein | |
schöner Kompass“. | |
Dass sich da wirklich zwei gefunden haben, dass aus dem Flirt vielleicht | |
tatsächlich mehr, vielleicht sogar etwas Dauerhaftes entstehen könnte, wird | |
deutlich, als Söder und Freie-Wähler-Chef Aiwanger dann zu den | |
gegenseitigen Lobhudeleien ansetzen: Die Freien Wähler hätten viele gute | |
Ideen eingebracht, erzählt Söder. | |
Die Zusammenarbeit mit ihnen werde die Regierung bereichern. Bereichern. | |
Söder spricht nicht von einem schmerzlichen, aber notwendigen Kompromiss, | |
nein, sondern von einer – Bereicherung? Sprich: Eine Regierung ohne Freie | |
Wähler, also etwa eine CSU-Alleinregierung, wäre ärmer als eine mit ihnen? | |
Meint er bestimmt nicht so. Sagt man halt so, der will bestimmt nur nett | |
sein. Oder? | |
Auch Aiwanger hält sich mit freundlichen Worten nicht zurück, dankt der CSU | |
für die gute Arbeit in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Man wolle jetzt | |
offene Baustellen abarbeiten, aber schon auch an Bewährtem festhalten. Man | |
müsse ja nicht ein Haus neu bauen, sagt Aiwanger, nur weil ein Dachziegel | |
verrückt sei. Moment mal! Ein Dachziegel? Die Freien Wähler wollten so | |
unbedingt in die Regierung einziehen, um einen Dachziegel geradezurücken? | |
## Luft- und Raumfahrtprogramm darf bleiben | |
Nur mal so zur Erinnerung: Hubert Aiwanger, das ist der Mann, der Söder | |
noch im Wahlkampf als Diktator beschimpft, ihm Größenwahn unterstellt und | |
die CSU als korrupt hingestellt hat. Und Markus Söder, das ist der Mann, | |
der in seiner ersten Regierungserklärung erklärte, Dialekt mache schlau, um | |
dann mit Blick auf Aiwanger zu ergänzen, es gebe auch Ausnahmen. Das ist | |
also nun der Beginn einer wunderbaren Männerfreundschaft. | |
„Für ein bürgernahes Bayern“ lautet der Titel des 62 Seiten langen | |
Koalitionsvertrags, und zumindest der klingt wie der Slogan auf einem | |
Wahlplakat der Freien Wähler. Es ist aber natürlich auch [2][keiner, mit | |
dem die CSU fremdeln würde]. | |
Seehofer, der stets von der „Koalition mit dem Bürger“ sprach, spielt in | |
der bayerischen Politik zwar kaum noch eine Rolle, aber auch seinem | |
Ministerpräsidentennachfolger Söder macht in Sachen demonstrativ zur Schau | |
gestellter Bürgernähe keiner etwas vor. Es sind nicht viele Menschen in | |
Bayern, die von sich behaupten können, noch nie Söders Hand geschüttelt zu | |
haben. | |
Was dem nahen Bürger nun blüht, ist nichts, was einem der Koalitionäre | |
wehtun müsste. Grundlage des Koalitionsvertrags bleibt der | |
Maßnahmenkatalog, mit dem Söder im Frühjahr in seiner erste Amtszeit | |
gestartet ist. Seine Prestigeprojekte, etwa das Luft- und | |
Raumfahrtprogramm, aber auch das Familiengeld und die bayerische | |
Grenzpolizei, darf er behalten. | |
## Grüner Erfolg findet sich auch in Plänen wieder | |
Bei ihrer Kernforderung nach kostenfreier Kinderbetreuung konnten sich die | |
Freien Wähler durchsetzen. Auch die Straßenausbaubeiträge werden, wie von | |
ihnen gefordert, abgeschafft. Und dass ihm die Freien Wähler für seine | |
angekündigte bayerische Kavallerie statt der geplanten 200 nur 100 Pferde | |
zugestanden haben – Söder wird’s verkraften. Dafür bekommt er mehr | |
Polizeihunde. Und die umstrittene dritte Startbahn? Kommt erst mal fünf | |
Jahre lang nicht. Und dann wird wieder gewählt. | |
Sogar der [3][enorme Wahlerfolg der Grünen] findet seinen Niederschlag im | |
Koalitionsvertrag. „Bayern kann grüner werden – auch ohne die Grünen“, | |
findet Söder. Gemeint ist damit etwa das Vorhaben, im umstrittenen | |
Polizeiaufgabengesetz einen zentralen Kritikpunkt, den Begriff der | |
„drohenden Gefahr“, einer Überprüfung zu unterziehen. Oder auch die | |
Begrenzung des Flächenverbrauchs auf fünf Hektar. Allerdings bleibt es bei | |
Absichtserklärungen. | |
Nur ein Satz, der steht da tatsächlich ohne Wenn und Aber: „Die Änderungen | |
im Alpenplan werden wir rückgängig machen.“ Söder selbst hatte diese | |
Änderungen als Heimatminister durchgesetzt, um die Skischaukel am | |
Riedberger Horn zu ermöglichen. | |
Bei der Opposition stieß das Werk aus dem Hause Söder/Aiwanger | |
erwartungsgemäß auf wenig Begeisterung. Von einer „schwarz-schwarzen | |
Koalition“ sprach SPD-Landeschefin Natascha Kohnen, und der neue | |
FDP-Fraktionschef Martin Hagen gratulierte: „Glückwunsch an Markus Söder! | |
Er kann trotz seiner historischen Wahlniederlage die Politik der | |
CSU-Alleinregierung nahtlos fortsetzen.“ | |
## Dreckiges Lachen von Söder | |
Katharina Schulze befand auf Twitter: „Die Menschen haben Aufbruch und | |
Veränderung gewählt, und es gibt ein Weiter so.“ Eine bemerkenswerte | |
Aussage, denn letzten Endes unterstellt die Grünen-Fraktionschefin den | |
Wählern von CSU und Freien Wählern damit entweder, sie hätten aus Wunsch | |
nach Aufbruch und Veränderung just diese Parteien gewählt, oder, sie seien | |
keine Menschen. Schwer zu sagen, welche der beiden Thesen gewagter ist. | |
„Viel Spaß in der Regierung“, sagt Söder dann noch zu Aiwanger und lässt | |
ein ziemlich dreckiges Lachen vernehmen. Es könnte gespielt sein. | |
5 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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