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# taz.de -- Kolumne Macht: Drama, Drama, Drama
> Reaktionen auf die Bayern-Wahl: Wer als Journalist Politik mit einer
> Seifenoper verwechselt, muss sich nicht wundern, wenn die Glaubwürdigkeit
> leidet.
Bild: Sie muss raus aus der Groko, er raus aus dem Amt! Solche Forderungen zeug…
Drama macht Spaß, jedenfalls dann, wenn es nicht zu dramatisch ist – also
kein Blut, keine Hungertoten. Streit macht auch Spaß. Familienkrach,
beispielsweise parteiinterner Zoff, macht ganz besonders viel Spaß. Wer
einem dieser Sätze nicht zustimmt, sollte die Finger von politischem
Journalismus lassen. Ich weiß, wovon ich rede – ich übe den Beruf der
politischen Journalistin schon lange aus. Und ich habe viel Spaß dabei.
Aber man kann’s auch übertreiben. Wer Politik mit einer Seifenoper
verwechselt und in Kauf nimmt, dass angekündigte Stürme regelmäßig nur im
Wasserglas toben, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Glaubwürdigkeit
leidet. Viele der Reaktionen auf die Landtagswahl in Bayern dürften das
Vertrauen der Öffentlichkeit in unseren Berufsstand nicht gestärkt haben.
Die ersten Hochrechnungen waren gerade erst verkündet, da stand in
Kommentaren von Medien ganz unterschiedlicher Ausrichtung schon fest, was
nun zu geschehen habe. Die SPD müsse die Große Koalition in Berlin
verlassen, unverzüglich.
Was auch sonst. Noch vor ein paar Monaten galt es als politisches
Abenteurertum, vorsichtig vor einem solchen Bündnis zu warnen und darauf
hinzuweisen, dass eine Partei schlecht gleichzeitig die Rollen von
Regierung und Opposition ausfüllen kann. Dass es also mit der Erneuerung
der SPD schwierig werden könnte. Jetzt ist das Schnee von gestern. Manchen
Kollegen kann es gar nicht schnell genug gehen mit dem Bruch der Koalition.
Drama, Drama, Getümmel, Getümmel.
## Undurchdacht und schludrig
Fest steht selbstverständlich auch, dass Horst Seehofer nun weder
Innenminister noch CSU-Vorsitzender bleiben kann. Und die Zeit von Angela
Merkel ist abgelaufen. Wie übrigens schon seit etwa fünf Jahren, wieder und
wieder. Man muss etwas nur oft genug prophezeien, irgendwann wird es schon
wahr werden.
Das alles ist Unfug in Tüten, oder, weniger salopp formuliert: zutiefst
unseriös. Nicht deshalb, weil sich die Vorhersagen nicht bewahrheiten
werden – vielleicht treffen sie ja sogar ein –, sondern weil sie von einer
verächtlichen Gleichgültigkeit gegenüber politischen Institutionen und
ihren Aufgaben zeugen.
Zur Erinnerung: Über den Vorsitz von Parteien entscheidet deren jeweilige
Basis und sie orientiert sich an dem, wovon sie glaubt, dass es im
Interesse ihrer Partei liegt. Also nicht am Gemeinwohl und auch nicht an
der öffentlichen Meinung. Das ist weder undemokratisch noch ein Beweis für
Postengeschacher, sondern gehört zur Arbeitsteilung in einer
parlamentarischen Demokratie.
Weiter. Es gibt gute Gründe dafür, dass Legislaturperioden mehrere Jahre
dauern und Termine für Neuwahlen nicht von Meinungsforschungsinstituten
festgelegt werden. Muss man diese Gründe wirklich aufzählen? Das wäre, wie
ich glaube, eine Beleidigung der Intelligenz von Leserinnen und Lesern.
Also lasse ich’s.
Letzter Punkt: Wer Landtagswahlen ausschließlich als bundespolitischen
Stimmungstest betrachtet, zeigt damit, was er oder sie vom Föderalismus
hält. Nämlich nichts. Nun lässt sich ein solcher Standpunkt ja vertreten,
aber das war nicht Thema der Reaktionen auf die [1][Bayernwahl]. In den
eilfertigen ersten Stellungnahmen wurde der Föderalismus ganz beiläufig mit
abgeräumt. Undurchdacht und schludrig, wie ich glaube.
Jetzt steht also die Landtagswahl in Hessen bevor. Das nächste Drama. Oder
geht es dieses Mal vielleicht doch eine Nummer kleiner? Es wäre schon
schön, wenn die AfD in ihrer Systemverachtung nicht von manchen
demokratischen Leitartiklern ganz unabsichtlich übertroffen würde.
19 Oct 2018
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## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Journalismus
Bayernwahl
Horst Seehofer
Schwerpunkt Angela Merkel
Andrea Nahles
Landtagswahl in Hessen
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
CSU
Lesestück Meinung und Analyse
Landtagswahl Bayern
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