# taz.de -- Kolumne Macht: Sprechen über Sprachlosigkeit | |
> Donald Trump ist es tatsächlich gelungen, die US-Gesellschaft zu spalten. | |
> Das gilt auch für persönliche Beziehungen. | |
Bild: US-Präsident Donald Trump während einer Pressekonferenz, 7. November | |
Alle, die aus den USA berichten, schreiben es, wieder und wieder. Alle, die | |
sich für die USA interessieren, lesen es. Wieder und wieder. Aber es gibt | |
Dinge, die lassen sich offenbar nicht angemessen beschreiben. Nur erleben. | |
Ich merke, dass auch mir die Worte fehlen, um zu schildern, wie tief | |
[1][die Spaltung der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten] mittlerweile | |
ist. Wie spricht man über Sprachlosigkeit? | |
Das politische Klima zerstört nicht nur die offene demokratische | |
Auseinandersetzung – schleichend und unaufhaltsam vergiftet es lebenslange, | |
persönliche Beziehungen. „Mein Trauzeuge ist ein Republikaner und | |
unterstützt Donald Trump“, erzählt ein 55-jähriger Geschäftsmann, | |
verheiratet seit 26 Jahren. | |
„Am Anfang haben wir uns noch angepflaumt und herumgewitzelt. Dann haben | |
wir den Elefanten im Wohnzimmer ignoriert und Gespräche über Politik | |
vermieden. Inzwischen habe ich einfach keine Lust mehr, ihn zu treffen. | |
Trump ist ein Verrückter. Seine Instinkte sind bösartig. Er lässt jeden | |
Anstand vermissen. Wie soll ich mit jemandem reden, der ihn gut findet?“ | |
## Der Gesprächsfaden wird dünner | |
Seine Frau macht ähnliche Erfahrungen. Jahrelang hat sie sich gemeinsam mit | |
einer engen Freundin auf lokaler Ebene in Wahlkämpfen für die Demokraten | |
engagiert. Die Freundin hat vor zwei Jahren einen Republikaner geheiratet. | |
„Sie ist schroff und abweisend geworden in letzter Zeit. Über Politik | |
möchte sie nicht mehr reden.“ Die 54-jährige deprimiert das, aber sie will | |
das Thema der Freundin gegenüber nicht offen ansprechen. Sie befürchtet, | |
dass der dünner werdende Gesprächsfaden ganz abreißen könnte. | |
Es gibt Schlimmeres, natürlich. Während ich diesen Text schreibe, wird über | |
das Motiv eines ehemaligen Soldaten gerätselt, der in einer kalifornischen | |
Bar 12 Leute erschossen hat. Erst vor ein paar Tagen hat eine ähnliche Tat | |
elf Opfer [2][in einer Synagoge in Pittsburgh] gefordert. Jede Gesellschaft | |
kann sich sogar an solche Meldungen gewöhnen, es muss nur genug davon | |
geben. | |
So weit ist es in den USA noch lange nicht. Aber in Medien wird immer mal | |
wieder irgendwer – meistens ein Mann, meistens ein Republikaner, meistens | |
aus der unteren Mittelschicht – mit der Einschätzung zitiert, das Land | |
steuere auf einen Bürgerkrieg zu. Als politische Analyse mag man das zu | |
Recht für unsinnig halten. Als Ausdruck des Gefühls gegenüber | |
Andersdenkenden im eigenen Land ist es jedoch beängstigend. | |
## Die Verantwortung lässt sich benennen | |
Bei allem guten Willen, sich um Fairness und Verständnis gegenüber allen | |
Seiten zu bemühen: Der Verantwortliche für diese Entwicklung lässt sich | |
benennen. Manchmal ist eine Schuldzuweisung unvermeidlich, wenn man der | |
Wahrheit die Ehre geben will. US-Präsident Donald Trump hat erreicht, dass | |
im politischen Raum nicht mehr vorwiegend über Tatsachen, sondern über | |
bloße Behauptungen gestritten wird. | |
Und er hat Gewalt mehrfach unmissverständlich zu einem legitimen Mittel der | |
Auseinandersetzung erklärt. Das Ergebnis der Zwischenwahlen in den USA wird | |
es ihm erschweren, sich widerstandslos mit allen Wünschen durchzusetzen. | |
Aber es ist fraglich, ob ihn das überhaupt stört. Denn es scheinen nicht | |
inhaltliche Ziele zu sein, die ihn treiben, sondern ausschließlich die Gier | |
nach Macht. | |
Das Bedrückende am Ausgang der Wahlen: Donald Trump ist nicht zu einem | |
Irrtum der Geschichte erklärt worden, sondern wurde durch die respektablen | |
Erfolge der Republikaner geadelt. Wer ihn gut findet, kann sich nun | |
moralisch legitimiert fühlen. | |
Im Hinblick auf die Psychologie, die stets untrennbar zur Politik gehört, | |
hätte kaum etwas Schlimmeres passieren können. | |
10 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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