Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Macht: Jutta Cordt ist halt nicht Maaßen
> Die Chefin des Bundesamtes für Migration musste gehen, obwohl der Skandal
> in ihrer Behörde gar keiner war. Und niemand empört sich?
Bild: War mal Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, wird nun M…
Dass über vermeintliche Skandale mit größeren Schlagzeilen berichtet wird
als über eine spätere Erkenntnis, es sei doch alles nur halb so wild
gewesen, ist nicht neu. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass oft Menschen
unter dieser Praxis zu leiden haben, für die sich kaum noch jemand
interessiert, wenn sich die allgemeine Aufregung erst einmal gelegt hat.
Pech für Jutta Cordt. Sie ist ein Opfer politischer Querelen und
Rücksichtnahmen – ihr ist also genau das passiert, was einer Berufsbeamtin
eigentlich nicht widerfahren sollte.
Oder haben Sie von Solidaritätskundgebungen für die ehemalige Leiterin des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gehört? Von einer
Koalitionskrise, die mit ihr in Zusammenhang steht? Von Sondersitzungen in
Parteizentralen? Sie haben davon nichts gehört? Kein Wunder. Es hat sie
nicht gegeben. Es wird sie nicht geben.
Im Juni wurde Jutta Cordt wegen der sogenannten Bamf-Affäre entlassen.
Einen „handfesten und schlimmen Skandal“ hatte Innenminister Horst Seehofer
die Angelegenheit seinerzeit genannt. Von systematischem, bandenmäßigem,
hochkriminellem Betrug in der Bremer Außenstelle der Behörde war die Rede,
Tausenden von Asylbewerbern sei zu Unrecht ein Schutzstatus gewährt worden.
Übrig geblieben ist von diesen Vorwürfen fast nichts. Mehr als 18.000 Fälle
wurden überprüft – [1][in 165 Fällen gab es tatsächlich grobe Verstöße].
Also in 0,9 Prozent. Wenn die Fehlerquote in allen Behörden so gering wäre,
das Leben wäre einfach.
Auf Zeit Online erschien vor gut zwei Wochen ein Kommentar mit der
Überschrift [2][„Horst Seehofers doppelter Maßstab“]. Treffend. Der
Innenminister sprach im Zusammenhang mit den – erwiesenen – Vorwürfen gegen
den amtierenden Präsidenten des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen von
seiner „Fürsorgepflicht“ gegenüber einem leitenden Beamten. Deshalb wollte
er ihn ursprünglich auch befördern und hat dann zumindest durchgesetzt,
dass ihm aus seinem Verhalten keine Nachteile erwachsen.
Jutta Cordt gegenüber quälten Seehofer offenbar weniger Skrupel. Die soll
sich künftig im Innenministerium um das Thema Digitalisierung kümmern. Im
Rang einer Ministerialdirigentin. Sie fällt um drei Gehaltsstufen nach
unten, verdient also künftig rund 1.700 Euro weniger monatlich.
Darf der Minister das entscheiden? Ja, das darf er. Beamtenrechtlich
handelt er im Rahmen seiner Befugnisse. Aber das ist, wie ich glaube, nicht
der Grund, warum sich niemand öffentlich für Jutta Cordt starkmacht.
Sondern: Bloß keine neue Personaldebatte innerhalb der Koalition! Darin
sind sich vermutlich alle im Regierungsbündnis einig. Und: Bloß nicht das
Thema Asyl jetzt noch mal in die Schlagzeilen bringen! Selbst wenn es nur
eine einzige falsche Entscheidung gegeben hätte, würde die wohl für die
Forderung nach schwerer Kerkerhaft für Frau Cordt genügen. Jedenfalls
seitens der AfD – und mit der legt sich niemand mehr gerne an. Ein schöner
Erfolg für die radikale Rechte.
Und Pech für Jutta Cordt, wie gesagt. Aber nicht nur für sie. Wer das
Berufsbeamtentum für sinnvoll hält, kann nicht fröhlich sein, wenn
tagespolitische Überlegungen für die Besetzung einer „nachgeordneten
Behörde“ entscheidend sind. Wer erwartet, dass Beamte sich loyal gegenüber
dem Staat verhalten, muss wissen, dass Loyalität keine Einbahnstraße ist.
Es ist nicht anzunehmen, dass Jutta Cordt in [3][ihrem neuen
Tätigkeitsfeld] demnächst einen Hackerangriff auf das Innenministerium
startet. Aber verständlich wäre es.
29 Sep 2018
## LINKS
[1] /Ueberpruefung-der-Bremer-Bamf-Affaere/!5530650
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/verfassungschutz-horst-seeh…
[3] /Neuer-Job-fuer-Ex-Bamf-Chefin/!5538715
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Horst Seehofer
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Hans-Georg Maaßen
Jutta Cordt
Schwerpunkt USA unter Trump
Bundesamt für Verfassungsschutz
Hans-Georg Maaßen
Jutta Cordt
Hans-Georg Maaßen
Bundesamt für Verfassungsschutz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Macht: Sprechen über Sprachlosigkeit
Donald Trump ist es tatsächlich gelungen, die US-Gesellschaft zu spalten.
Das gilt auch für persönliche Beziehungen.
Nachfolger von Hans-Georg Maaßen: Haldenwang soll übernehmen
Laut Medienberichten soll der bisherige Verfassungsschutz-Vize Thomas
Haldenwang neuer Chef der Behörde werden. Er arbeitet dort seit 2009.
SPD verliert die Geduld: Maaßen ist immer noch nicht weg
„Zügig“ sollte Verfassungsschutzchef Maaßen abtreten. Nun ist er noch imm…
im Amt – und legt zu Chemnitz nach. Die SPD zeigt sich empört.
Neuer Job für Ex-Bamf-Chefin: Jutta Cordt geht ins Innenministerium
Horst Seehofer hatte sie entlassen, jetzt holt er Jutta Cordt einem
„Bild“-Bericht zufolge in sein Ministerium. Dort soll sie für
Digitalisierung zuständig sein.
Kommentar GroKo und Maaßen: Psycho-Drama auf offener Bühne
Die Beförderung von Verfassungsschutzschef Maaßen ist so absurd, dass man
es sich nicht ausdenken könnte. Das Ansehen der Koalition wird weiter
sinken.
Kolumne Macht: Maaßen muss gehen, Punkt
Sich in einen politischen Streit einmischen und diesen zu beeinflussen? Das
kann und darf der Chef eines Nachrichtendienstes einfach nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.