# taz.de -- Linken-Politikerin zu Merkel und Hessen: „Es wäre mehr möglich … | |
> Die hessische Linke hat den Wiedereinzug in den Landtag geschafft, konnte | |
> der SPD aber kaum Wähler abluchsen. Janine Wissler sagt, was ihre Partei | |
> besser machen muss. | |
Bild: Zufrieden mit dem Ergebnis: Spitzenkandidaten Janine Wissler und Jan Scha… | |
taz: Frau Wissler, seit wann hört denn die CDU auf die Linke? Kaum hat ihre | |
Parteivorsitzende Katja Kipping den Rücktritt Angela Merkels verlangt, | |
[1][kündigte diese am Montag ihren Verzicht] auf CDU-Vorsitz und | |
Kanzlerkandidatur an. | |
Janine Wissler: Das zeigt natürlich die Krise der Großen Koalition und | |
speziell auch der CDU, dass da gerade so viel ins Rutschen kommt. Die Frage | |
ist, wer nach Merkel kommt. Wenn Jens Spahn oder Friedrich Merz nachfolgen, | |
kann es sein, dass die CDU nach rechts rutscht. | |
Wäre Ihnen das als Linke recht? Gregor Gysi hat ja immer gefordert, die CDU | |
müsse wieder konservativer werden. | |
Wenn sich der politische Diskurs dann noch weiter nach rechts verschiebt | |
und eine noch unsozialere Politik gemacht wird, kann uns das nicht recht | |
sein. | |
Lassen Sie uns über die Hessische Landtagswahl reden: die Linke ist wieder | |
in den Landtag eingezogen, aber die Umfragen sahen besser aus, als die 6,3 | |
Prozent, [2][die die Partei am Ende geholt hat]. Sind Sie ein klein wenig | |
enttäuscht? | |
Nein, enttäuscht bin ich nicht. Wir haben unsere West-Bastion verteidigt | |
und ausgebaut. Es ist super, dass die Fraktion um 50 Prozent wächst. Wir | |
haben neun Mandate geholt. Auf acht Mandate hatten wir gehofft, das neunte | |
hielten wir für unwahrscheinlich. Von daher sind wir zufrieden. | |
Wäre mehr möglich gewesen? | |
Ja, es wäre mehr möglich gewesen. | |
Warum hat es dann nur zu 6,3 Prozent gereicht? | |
Wir haben ein ziemliches Stadt-Land-Gefälle. In den Großstädten konnten wir | |
richtig zulegen, in Frankfurt etwa sind wir zweistellig. Aber wir haben | |
eben auch die weißen Flecken in den Landkreisen, wo uns nur um die vier | |
Prozent der Menschen wählen. | |
[3][Die SPD hat elf Prozent verloren], die Linke einen Prozent zugelegt. | |
Warum konnte die Linke nicht mehr enttäuschte SPD- Wähler von sich | |
überzeugen? | |
Das ist kein gutes Verhältnis, das ist klar. Und wir müssen uns fragen, wie | |
wir es verbessern können. Im Wahlkampf habe ich oft gehört: „Ihr sagt die | |
richtigen Sachen, aber ihr regiert ja dann doch nicht und könnt sie nicht | |
umsetzen.“ | |
Also liegt es an der fehlenden Regierungsoption? | |
Vielleicht. Auch wenn wir immer deutlich machen, dass grundlegende | |
Verbesserungen gesellschaftlichen Druck brauchen – egal, wer regiert. | |
Wären Sie ein rot-rot-grünes Bündnis eingegangen, wenn es gereicht hätte? | |
Das hätten wir von den Inhalten abhängig gemacht. Gesprächen hätten wir uns | |
auf jeden Fall nicht verweigert. Aber ich war von vornherein nicht allzu | |
optimistisch, dass es klappt. | |
Was kann die Linke sonst noch besser machen? | |
Eine stärkere gesellschaftliche Verankerung. Darauf müssen wir uns jetzt | |
konzentrieren. Wahlen gewinnt man ja nicht sechs Wochen vorher im | |
Wahlkampf, sondern zwischen den Wahlen. | |
[4][Zu den Grünen sind 104.000 ehemalige SPD-WählerInnen gewandert], zur | |
Linken nur 25.000. Was machen die Grünen besser? | |
Aus hessischer Sicht kann ich mir den Erfolg der Grünen nicht erklären. Ich | |
war auf vielen Podien, die repräsentativ besucht waren, wo Grüne und CDU | |
nicht ein einziges Mal Applaus bekommen haben. Ob in der Wohnungspolitik | |
oder in der Bildung, beide Parteien haben da ziemlich auf die Mütze | |
bekommen. Mein Eindruck ist: Die Grünen wurden stark vom Bundestrend | |
getragen. | |
Ist das ein Hype, der wieder vergeht? | |
Es ist jedenfalls ein Modell, das man nicht ewig fahren kann. Derzeit | |
gewinnen die Grünen Stimmen sowohl von der CDU als auch von der SPD, weil | |
sie sich nicht wirklich festlegen. Damit sind sie für viele, die von der | |
Groko enttäuscht sind, erst mal eine Alternative. Merkel-Anhänger können | |
die Grünen wählen, SPD-Wähler auch. Und viele sehen die Grünen als | |
Gegenpool zur AfD, weil sie Menschlichkeit und Weltoffenheit ausstrahlen – | |
was nicht immer im Einklang zu ihrer realen Politik steht. | |
Und die Linke strahlt das offenbar nicht aus. Liegt es an der | |
Uneindeutigkeit in der Flüchtlingspolitik? Im Parteiprogramm steht zwar | |
„offene Grenzen“, aber Sahra Wagenknecht fordert Wirtschaftsmigration zu | |
stoppen. | |
Sahra Wagenknecht hat jedenfalls noch keiner einzigen | |
Asylrechtsverschärfung zugestimmt, die Grünen schon. Aber ja: es wäre | |
hilfreicher, wenn wir in der Migrationspolitik mit einer Stimme sprechen | |
würden. | |
Im November soll es ein klärendes Treffen von Partei- und Fraktionsvorstand | |
geben. Was erhoffen Sie sich? | |
Es ist gut und sinnvoll, dass es stattfindet. Wir müssen da eine ehrliche | |
und offene Debatte führen und ein paar Dinge klären. | |
30 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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