Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um den 9. November in Berlin: Neonazi-Demo auf der Kippe
> Zahlreiche Organisationen fordern, den für den 80. Jahrestag der
> Pogromnacht angekündigten Aufmarsch zu verbieten. Senat will Verbot
> prüfen.
Bild: Jedes Jahr am 9. November wird am Mahnmal in Berlin-Moabit den deportiert…
Vor dem 80. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November werden die
Forderungen nach einem Verbot des für diesen Tag angekündigten
Neonazi-Aufmarschs lauter. In einer gemeinsamen Pressekonferenz verlangten
am Dienstag verschiedene Bündnisse und Initiativen, der Senat müsse der
rechtsextremen Organisation Wir für Deutschland untersagen, wie angekündigt
am Freitag durch Berlin zu marschieren.
„Es kann nicht sein, dass an diesem Tag ein solcher Aufmarsch nicht nur
stattfinden soll, sondern auch aufs Hervorragendste von der Polizei
geschützt werden wird“, sagte Lala Süsskind, Vorsitzende des Jüdischen
Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus. „Man sagt mir, unsere
Demokratie müsse mit so etwas fertig werden, aber ich will nicht damit
fertig werden.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass die Routen rechter Aufmärsche
meist nur sehr kurzfristig bekannt gegeben und Protest in Hör- und
Sichtweite durch die Polizei „erheblich erschwert“ werde.
Gegen den rechtsextremen Aufmarsch am Freitag sind zahlreiche
Protestveranstaltungen geplant. Auch von der Gedenkveranstaltung am Mahnmal
für die aus Berlin deportierten Juden in der Moabiter Levetzowstraße, die
die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) seit 1990 organisiert, soll
eine Demonstration zum Auftaktort der Neonazis am Hauptbahnhof führen.
„Unser Gedenken richtet sich nicht nur an die Toten, sondern auch und
gerade an die Lebenden“, so der Geschäftsführer des Berliner VVN-BdA,
Markus Teervoren, am Dienstag. Er zog eine Parallele zu dem jüngsten
antisemitischen Anschlag in den USA, bei dem ein Attentäter am 27. Oktober
elf Menschen in einer Synagoge in Pittsburgh getötet hatte. „Genau die
Mischung aus Antisemitismus und Rassismus, die diesen Attentäter
auszeichnete, finden wir auch auf den Aufmärschen von Wir für Deutschland.“
Das rechtsextreme Bündnis Wir für Deutschland (WfD), das seit Frühling 2016
regelmäßig in Berlin demonstriert, hat für Freitagabend einen
„Trauermarsch“ angemeldet, mit denen man „allen Opfern der Politik“
gedenken wolle – offenbar eine bewusst offen gewählte Formulierung. Wie die
Berliner Polizei auf taz-Anfrage mitteilte, wurden bei den Veranstaltungen
von Wir für Deutschland in diesem Jahr bereits zahlreiche Straftaten
registriert, darunter körperliche Angriffe auf Gegendemonstranten sowie das
Zeigen des Hitlergrußes. Auflagen wurden den WfD-Demonstrationen in diesem
Jahr nur in einem Fall erteilt.
Bereits in der letzten Woche hatten auf Initiative der Aktion Sühnezeichen
Friedensdienste verschiedene Organisationen und Einzelpersonen in einem
offenen Brief ein Verbot des Aufmarsches gefordert. Zu den
Erstunterzeichnern gehörten unter anderem der Publizist Micha Brumlik, die
Migrationsforscherin Naika Foroutan sowie Meron Mendel, Direktor der
Bildungsstätte Anne Frank. „Wir wissen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes
Gut ist und die Forderung nach einem Verbot von Demonstrationen deswegen
ein Dilemma mit sich bringt“, sagt Jutta Weduwen, Geschäftsführerin der
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste am Dienstag der taz. „Aber ein
rechtsextremer Aufmarsch an diesem Tag ist nicht einfach nur eine
Demonstration, die mir politisch nicht passt, sondern eine Verhöhnung der
Opfer des Nationalsozialismus und ihrer Nachkommen, die wir nicht hinnehmen
können.“
Federführend bei den Gegenprotesten ist das Berliner Bündnis gegen rechts,
das ebenfalls scharfe Kritik am Berliner Senat übte: Durch die Praxis, „die
Aufmarschrouten von Neonazis erst spät zu veröffentlichen, sie großflächig
abzusperren und den Gegenprotest zu kriminalisieren“, sei dieser
mitverantwortlich dafür, dass Berlin zu einem „attraktiven Aufmarschgebiet
für Neonazis“ geworden sei, sagte der Bündnissprecher David Kiefer.
Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres, wies diese
Kritik am Dienstag zurück: „Die Behauptung, ausgerechnet die SPD-geführte
Innenverwaltung mache es Rechtsextremen in Berlin besonders einfach, ist
absoluter Unsinn“, so Pallgen zur taz. Innensenator Andreas Geisel (SPD)
habe sich „immer klar gegen neonazistische Umtriebe und rechtsextremes
Gedankengut gestellt“.
In Bezug auf den 9. November hat die massive Kritik allerdings offenbar
auch in der Innenverwaltung Wirkung gezeigt: „Die Aufforderung aus der
Zivilgesellschaft, diesen Aufmarsch zu verbieten, ist unüberhörbar und hat
uns selbstverständlich erreicht“, so Pallgen. Zwar seien die Hürden, eine
Versammlung zu verbieten, aufgrund des großen Werts der Meinungsfreiheit
sehr hoch. „Auch aus unserer Sicht ist der 9. November aber kein normaler
Demonstrationstag, sondern ein Tag mit einer besonderen historischen
Bedeutung“, so Pallgen. „Wir haben die Versammlungsbehörde gebeten, sehr
genau zu prüfen, ob die Bedingungen für ein Verbot erfüllt sein könnten.“
6 Nov 2018
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Der 9. November
Rechtsextremismus
Berliner Senat
Rechtsextremismus
Der 9. November
Rechtstextreme
Rechtstextreme
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt Neonazis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar zu rechter Demo in Berlin: Der Versuch des Verbots war richtig
Berlins Innensenator hat mit dem Verbot viel gewagt: Das war ein richtiges
und wichtiges politisches Zeichen. Auch wenn die Demo am Ende doch
stattfindet.
Rechte Demo in Berlin am 9. November: Gericht kippt Verbot
Am Freitag will die rechte Truppe „Wir für Deutschland“ durch Berlin
marschieren. Der Senat will das verhindern, scheitert aber in erster
Instanz.
Berliner Behörde verbietet Aufmarsch: Schlappe für Rechtsextreme
Ausgerechnet am 9. November wollten Rechtsextreme durch Berlin ziehen.
Dagegen protestierten zahlreiche Organisationen – jetzt wurde der Aufmarsch
verboten
9. November in Berlin: Für ein würdiges Gedenken
Ausgerechnet am 80. Jahrestag der Reichspogromnacht wollen Rechtsextreme
durch Berlin ziehen. Das Berliner Bündnis gegen Rechts will das verhindern.
Rechte Demo zum 3. Oktober in Berlin: Köthen und Chemnitz gaben Auftrieb
Über 1.000 Menschen kamen zur rechten Demo – und sangen alle Strophen des
Deutschlandlieds. Die Polizei löst Blockaden von Gegendemonstranten auf.
Nazi-Demo am 3. Oktober in Berlin: So läuft’s nicht
Am Mittwoch wollen bis zu 1.000 Nazis durch Berlin ziehen. Ihre Route wurde
aber erst am Montagabend bekannt. Das erschwert die Gegenproteste.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.