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# taz.de -- Werder emanzipiert sich vom FC Bayern: Tschüss, alter Rivale!
> Vom Klassenkampf zwischen Willi und Uli bis zum Klose-Klau – lange war
> der FC Bayern München Lieblingsfeind der Werder-Fans. Haben sie das noch
> nötig?
Bild: Szene aus dem Jahr 2003: Werders Ümit Davala und der damalige Münchner …
Bremen taz | Vor zwei Wochen schien es sich zu verflüchtigen, wie die Fata
Morgana bei Sonnenuntergang: das Feindbild FC Bayern München. Da sah man im
TV die ewigen Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge beim
Versuch, sich aufzuplustern wie junge Gockel. Doch statt Angst und
Schrecken verbreiteten sie nur mickriges Gegacker, statt stolze Federn sah
man nur dünne Borstenhaut. Ein Bild des Jammers, das nicht mehr zur
Feindschaft taugt. Schlagartig wurde klar: Die Bayern-Könige haben ihren
Hof nicht bestellt.
Am Wochenende stellte der Spiegel dann die gute alte Feind-Freund-Ordnung
wieder her. Mit der Plattform Football-Leaks enthüllte das Magazin Pläne
von Rummenigge und Co., sich aus der Provinz Bundesliga in eine Art
Metropolen-Liga abzusetzen, mit eigenen Regeln, eigener Vermarktung und
ohne die lästige Gefahr des Abstiegs. Als wenn man vorher nicht zumindest
geahnt hätte, dass solche Planspiele in München, Madrid, Mailand und
Manchester existieren: Schlagartig war es wieder da, das Bayern-Bild der
bösen Kapitalisten.
Dass dieses Bild über lange Zeit besonders in Bremen kultiviert wurde,
liegt auch an der beharrlichen Verdrängung zweier historischer Fakten. So
wird bis heute im Werder-Land schamvoll darüber geschwiegen, dass ein
Sprössling der Hansestadt maßgeblich an der Geburt des heutigen
Branchenprimus beteiligt war. Die Gründungsurkunde des FC Bayern ziert der
Name Wilhelm Focke – der Sohn des Gründers des gleichnamigen Museums weilte
damals zum Kunststudium in München.
Ebenfalls selten erwähnt wird in Bremen, dass der SV Werder schon Anfang
der 1970er Jahre versuchte, sich mit Hilfe der Wirtschaft und der Bremer
Landesregierung eine Legionärs-Mannschaft zusammenzukaufen. Diese
„Millionenelf“, die in rot-weiß auflief, den Farben der Bremer Speckflagge,
wurde zum Feindbild der damaligen Kommerzialisierungs-Kritiker.
Der Kraftakt misslang, Werder wurde zur Grauen Maus der Liga und stieg 1980
ab. Als der Verein sich in der anschließenden Lemke/Rehhagel-Ära langsam
wieder nach oben kämpfte, hatten die Bayern ihre sportlichen Erfolge aus
den 1970er Jahren zur Finanzmacht ausgebaut. Aus heutiger Sicht war es das
marketingtechnische Glanzstück des damaligen Managers Willi Lemke, Werder
in den politisch bewegten 1980iger Jahren bundesweit zum Antipoden des
Branchen-Primus aufzubauen.
Willi, der Sozi, Uli, der Kapitalist – dieses klassenkämpferische
Kasperle-Theater führten die Talkshows jahrelang mit Vergnügen auf – und es
funktionierte umso besser, da Werder über einen langen Zeitraum auch noch
den schöneren Fußball spielte.
Die Münchner taten alles, um mit „Mia san mia“-Arroganz ihrem bösen Ruf
gerecht zu werden. Jahr um Jahr kauften sie Werder die besten Spieler weg
und hinterließen traurig-wütende Fanherzen. In der Reihenfolge des
Abtretens: Andreas Herzog, Mario Basler, Claudio Pizarro, Valerien Ismael,
Miroslav Klose, Serge Gnabry. 1995 warben sie sogar die Trainerlegende Otto
Rehhagel ab – und feuerten ihn vor dem Uefa-Pokalfinale, in das er die
Mannschaft geführt hatte.
## Fies und brutal
Der offensichtlichste Beweis für die den Bayern zugeschriebene Mischung aus
Fiesigkeit und Brutalität war das schwere Foul von Klaus Augenthaler an
Rudi Völler im November 1985, das den Bremer Mittelstürmer zwei Operationen
und eine monatelange Spielpause einbrachte. Außerdem war es mitentscheidend
für den hauchdünnen Vorsprung am Ende der Saison, der den Bayern die
Meisterschale brachte.
So knapp geht es schon lange nicht mehr zu – auch wenn die Münchner gerade
schwächeln, spielen die alten Rivalen heute schon in zwei verschiedenen
Ligen. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass es wenig Sinn macht,
sich an jemandem abzuarbeiten, der auf einer anderen Geschäftsgrundlage
agiert. Es sei denn, man möchte sich zum ewigen Underdog stilisieren, aber
dafür können die Bremer zu selbstbewusst auf die eigene Entwicklung gucken.
Nicht nur der Dichter Moritz Rinke sieht bei Werder ein Team am Werk, das
„auch vom Kopf her gut riecht.“ Nach den Football-Leaks-Enthüllungen freut
sich schon mancher Fan darauf, dass die Bayern eines Tages ganz in der
europäischen Moneten-Liga verschwinden, noch ein paar andere mitnehmen, und
der Rest endlich wieder eine richtige Meisterschaft ausspielen kann.
6 Nov 2018
## AUTOREN
Ralf Lorenzen
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