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# taz.de -- Kommentar Wahlen in Bosnien: Aus Mangel an Alternativen
> Müde Wähler, ein Präsident, der den Staat ablehnt: Die jüngste Wahl
> zeigt, dass Bosnien-Herzigowina eine Verfassungsänderung braucht.
Bild: Gewinner mit Abstrichen: Milorad Dodik stellt oft die Existenzberechtigun…
Wo die Logik aufhört, beginnt Bosnien und Herzegowina, lautet ein schon
etwas angestaubtes Sprichwort. Wie sollte man auch sonst erklären, dass
[1][bei den Wahlen für die dreiköpfige Präsidentschaft] des Landes der
Serbe Milorad Dodik als Vertreter der Serben gewählt wurde? Und das, obwohl
er in den letzten Monaten wiederholt die Existenz des Staates Bosnien und
Herzegowina in Frage gestellt und für eine Abspaltung des von Serben
dominierten Landesteils votiert hat. Jetzt nach der Wahl muss er genau
diesen von ihm verdammten Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina
repräsentieren. Doch immerhin, er wurde zum gerupften Huhn. Der Mehrheiten
von 70 Prozent gewohnte „starke Mann“ konnte diesmal nur knapp über die 50
Prozent springen.
Die Stimmeneinbussen sind Folge einer Bewegung, die vehement Parteigänger
Dodiks für den Mord an dem jungen Studenten David Dragićević verantwortlich
macht. Zehntausende von Menschen protestierten dagegen auf den Straßen.
Dass die Wahlbeteiligung der 3,3 Millionen Wähler mit 53 Prozent noch
niedriger lag als vor vier Jahre, begünstigt die herrschenden Parteien. Im
Parteiengefüge hat sich dabei wenig geändert. Viele Menschen sehen es
angesichts der komplizierten und den Erfolg nationalistischer Parteien
begünstigenden Verfassung als sinnlos an, sich zu beteiligen oder wählen
jene, die ihnen einen Job zuschanzen.
Dort, wo das Wahlgesetz die Wahl von Alternativen möglich macht, kam es
aber zu Verschiebungen. Die kroatische Nationalpartei HDZ unter Führung von
Dragan Čović musste eine herbe Niederlage einstecken. Der kroatische
Vertreter im Staatspräsidium wird mit Željko Komšić ein
nicht-nationalistischer Kroate aus Sarajevo sein, der für einen
demokratischen Bürgerstaat eintritt und gegen den Ethno-Nationalismus
ankämpft. Der auch wegen des in der kroatisch-bosniakischen Föderation
geltenden Wahlgesetzes mit muslimischen Stimmen gewählte Komšić gilt den
Nationalisten nicht als „echter Kroate.“ Deshalb kündigten sie an, eine
neue Verfassungskrise auszulösen.
Eine Verfassungsreform wäre tatsächlich notwendig, allerdings nicht im
Sinne der Nationalisten. Sie sollte es endlich möglich machen, nationale
Grenzen zu überwinden, wie es die Demonstranten für David fordern. Doch
eine solche Verfassungsänderung wird von vielen Seiten blockiert – auch von
Europa aus.
8 Oct 2018
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## AUTOREN
Erich Rathfelder
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