# taz.de -- Kroaten in Bosnien und Herzegowina: Zagrebs gefährliches Spiel | |
> Die kroatische Regierung will sich für die Interessen ihrer Landsleute im | |
> Nachbarland einsetzen – und stellt dabei dessen Existenzrecht infrage. | |
Bild: Präsidentin Grabar-Kitarović setzt sich für die angeblich „unterdrü… | |
SARAJEVO taz | Die Kroaten in Bosnien und Herzegowina haben derzeit im | |
Nachbarland Kroatien prominente Fürsprecher. Sowohl Premierminister Andrej | |
Plenković als auch Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović versuchen seit | |
Monaten vor allem in Brüssel die angeblich „unterdrückten Kroaten“ in | |
Bosnien und Herzegowina ins Zentrum der Diskussion zu rücken. | |
Die Kroaten Bosnien und Herzegowinas hätten nicht die gleichen Rechte wie | |
die anderen „konstitutiven Nationen“. Sie müssten um die Aufrechterhaltung | |
ihrer Identität kämpfen und würden vom Wahlsystem benachteiligt. | |
Lautstark fordern die kroatische Regierungspartei HDZ und vor allem ihr | |
Ableger in Bosnien und Herzegowina eine Revision des Wahlgesetzes. Das | |
Verfassungsgericht hatte ihnen 2017 sogar recht gegeben, dieses Urteil | |
steht jedoch der Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofes in | |
Straßburg entgegen. | |
Die HDZ fühlt sich benachteiligt, weil in der bosniakisch-kroatischen | |
Föderation in Bosnien und Herzegowina alle Bürger, auch die Bosniaken, das | |
kroatische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium mitwählen dürfen. Weil | |
auf diese Weise der linksliberale Kroate Željko Komšić die kroatische | |
Volksgruppe im Staatspräsidium vertreten darf, ging der Spitzenkandidat der | |
nationalistischen Rechten Dragan Čović leer aus. | |
## Forderungen nach „dritter Entität“ | |
Das wiederum veranlasste die Regierung und die Präsidentin im Nachbarland | |
Kroatien dazu, ihre diplomatische Offensive in der EU zu beginnen. Dazu | |
gehört auch, die Existenz des Nachbarstaates Bosnien und Herzegowina in | |
Frage zu stellen. | |
Immer unverhohlener fordern die konservativen bis rechtsradikalen Politiker | |
in Kroatien und in Bosnien und Herzegowina den Aufbau einer „dritten | |
Entität“. Neben der serbisch regierten Teilrepublik „Republika Srpska“ | |
sollte die bosniakisch-kroatische Föderation territorial aufgeteilt werden: | |
die kroatisch dominierten Gebiete sollten sich als Entität „Herceg-Bosna“ | |
von der Föderation lösen. | |
Der Parastaat [1][Herceg-Bosna] hatte schon während des Krieges 1992 bis | |
1994 bestanden. Die damalige Führung unter dem ultrarechten „Präsidenten“ | |
Mate Boban wollte wie Radovan Karadžić auf der serbischen Seite die | |
territoriale Aufteilung Bosnien und Herzegowinas zwischen den beiden | |
Nachbarn durchsetzen. Auch Kroaten begannen damals mit den Verbrechen der | |
ethnischen Säuberungen, für die ihre gesamte Führungsriege in Den Haag zu | |
langjährigen Haftstrafen verurteilt wurde. | |
## Kroatische Rechte im Aufwind | |
Kroatien strebe genauso wie Serbien erneut nach einer territorialen | |
Aufteilung ihres Staates, befürchten viele Menschen in Bosnien und | |
Herzegowina. Laut des aus Sarajevo stammenden Schriftstellers, Regisseurs | |
und Sozialdemokraten Gradimir Gojer, der wie der Politiker Željko Komšić | |
der kroatischen Volksgruppe zugerechnet wird und sich selbst zum | |
nichtnationalistischen Lager gehörig definiert, entwickelt sich die HDZ | |
immer mehr zu einer rückwärtsgewandten rechtsradikalen Kraft. Diese | |
versuche jetzt nicht nur die Verbrecher des letzten Krieges, sondern sogar | |
die kroatischen Faschisten des II. Weltkriegs, die Ustaschen, zu | |
rehabilitieren. | |
Die kroatische Rechte fühle sich im Aufwind, weil sie den Status als | |
Mitgliedsstaat der EU dafür nutzen kann, die nationalistischen Kräfte in | |
Bosnien und Herzegowina zu unterstützten. Und weil sie nun auch dafür mit | |
Rückendeckung aus Ungarn und Polen rechnen könne. | |
## „Ustaschisierung“ der Gesellschaft | |
Seit der [2][erfolgreichen Fußball-Weltmeisterschaft] sei es erlaubt, dass | |
Kinder in Ustascha-Uniform den Ustascha-Gruß „Für die Heimat bereit“ | |
öffentlich benutzten. „Der sportliche Erfolg wird für die Ustaschisierung | |
der Gesellschaft genutzt,“ sagt Gojer. Die Jugend werde „zu Hass gegenüber | |
anderen“ erzogen. | |
[3][Bei den letzten Wahlen am 7. Oktober] behielten die linken und | |
nichtnationalistischen Parteien in den bosniakischen und ethnisch | |
gemischten Gebieten die Oberhand. So wurde die antinationalistische Partei | |
„Naša Stranka“ im engeren Stadtgebiet Sarajevos stärkste Partei. | |
Daher sei es für die kroatischen Nationalisten immerhin etwas schwieriger | |
geworden, ihre auf Trennung der Bevölkerungsgruppen abzielende Politik auch | |
durchzusetzen, hoffen diplomatische Stimmen aus Sarajevo. | |
12 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Wahl-in-Bosnien-Herzegowina/!5537878 | |
[2] /Kroatiens-Praesidentin-und-die-WM/!5516213 | |
[3] /Wahl-in-Bosnien-Herzegowina/!5541952 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
EU | |
Rechtsextremismus | |
Serbien | |
Diplomatie | |
Ex-Jugoslawien | |
Fußball-WM | |
Bosnien und Herzegowina | |
Kroatien | |
HDZ | |
Fußballweltmeisterschaft | |
Kroatien | |
Kolinda Grabar-Kitarovic | |
Serbien | |
Serbien | |
Frauen-WM 2019 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kroatiens Vergangenheit: Der Stolz überdeckt Verbrechen | |
Am 4. August feiert Kroatien. Doch die Differenzierung zwischen dem | |
Befreiungskrieg der Kroaten und dem Angriffskrieg in Bosnien und | |
Herzegowina fehlt. | |
Terror in Bosnien und Herzegowina: Waffen in Moscheen | |
Bosnier in Kroatien sollten Waffen nach Bosnien schmuggeln. Auftraggeber | |
ist Kroatiens Geheimdienst. Das passt zur offiziellen Politik in Zagreb. | |
Kommentar Wahlen in Bosnien: Aus Mangel an Alternativen | |
Müde Wähler, ein Präsident, der den Staat ablehnt: Die jüngste Wahl zeigt, | |
dass Bosnien-Herzigowina eine Verfassungsänderung braucht. | |
Wahl in Bosnien-Herzegowina: Dodik und Dzaferovic gewinnen | |
Bei der Wahl des Staatspräsidiums stimmen Bosnier und Serben für | |
nationalistische und konservative Kandidaten. Die Kroaten wählen einen | |
Sozialdemokraten. | |
Kroatiens Präsidentin und die WM: Jubeln mit politischem Kalkül | |
Die größte Anhängerin des kroatischen Teams ist Kolinda Grabar-Kitarović. | |
Die Präsidentin will die aufwallenden nationalistische Gefühle für sich | |
nutzen. |