| # taz.de -- Weltkriegsgedenken in Bosnien: Aufmarsch der Tschetniks | |
| > Hunderte serbische Nationalisten erinnern an den Tschetnik-Führer Draza | |
| > Mihailovic. Das löst in Bosnien heftige Debatten aus. | |
| Bild: „Die Drina wird wieder blutig sein.“So lautet eine Zeile in einem Lie… | |
| Sarajevo taz | Hunderte serbische nationalistische Extremisten, sogenannte | |
| Tschetniks, haben am vergangenen Wochenende in Visegrad, einer bosnischen | |
| Stadt an der Grenze zu Serbien, ihres Führers im Zweiten Weltkrieg, Draza | |
| Mihailovic, gedacht. Er wurde1946 von einem Gericht in Sarajevo zum Tode | |
| verurteilt. | |
| In der gesamten Region tobt seitdem eine heftige Debatte. Vor allem für die | |
| bosniakische Bevölkerung stellt dieser Aufmarsch eine ungeheure Provokation | |
| dar. Denn in Visegrad und dem gesamten Drinatal begingen die Tschetniks | |
| 1943 schwere Verbrechen. Tausende von Menschen wurden unter dem | |
| Oberkommandierenden Draza Mihailovic ermordet. | |
| 50 Jahre später, 1993, wiederholten sich die Ereignisse. Serbische | |
| Extremisten überfielen die Städte Foca, Visegrad und töteten Tausende von | |
| Bosniaken, brachten überlebende Frauen in Vergewaltigungslager – so zu | |
| einem Hotel drei Kilometer von Visegrad – und warfen lebende Männer | |
| gefesselt in die Drina. 3000 Menschen sollen damals ermordet worden sein. | |
| „Wir kommen von den Bergen, die Drina wird wieder blutig sein,“ sangen die | |
| Tschetniks am vergangenen Wochenende. Opferorganisationen und die | |
| Zivilgesellschaft zeigten sich entsetzt. Das bosniakische Mitglied des | |
| dreiköpfigen Staatspräsidiums, Sefik Dzaferovic, verurteilte den Aufmarsch | |
| und erklärte, er sei gegen den Geist jeglicher Versöhnung. | |
| ## Untersuchung angekündigt | |
| Alle internationalen Organisationen verurteilten den zum Ausdruck | |
| gekommenen Hass, auch die US-Botschaft. Der für Polizei und Sicherheit | |
| zuständige Minister, der Serbe Dragan Mektic, kündigte an, dass die Polizei | |
| des Gesamtstaates die Ereignisse untersuchen und das Ergebnis der | |
| Staatsanwaltschaft zukommen lassen werde. | |
| Während auch andere serbische Politiker den Aufmarsch kritisierten, spielte | |
| das serbische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, der starke Mann | |
| der serbischen Teilrepublik in Bosnien Milorad Dodik, die Ereignisse | |
| herunter. Auch der kroatische nationalistische Extremist Dragan Covic, der | |
| Vorsitzende der kroatischen Nationalpartei HDZ-BiH, sah nichts Schlimmes im | |
| Aufmarsch der serbischen Extremisten. | |
| Dies ist für Vertreter der Zivilgesellschaft wieder einmal ein Beweis | |
| dafür, dass heute serbische und kroatische Nationalisten in Bosnien und | |
| Herzegowina wieder nah aneinander gerückt sind. So wie die kroatischen | |
| Ustaschen und die serbischen Tschetniks während des Zweiten Weltkrieges. | |
| Obwohl die Ustaschen in ihrem Herrschaftsbereich Hunderttausende von Serben | |
| verfolgt und Zehntausende ermordet hatten, kollaborierte Draza Mihailovic | |
| mit der deutschen Wehrmacht, den Nazis und dem Ustaschastaat von Hitlers | |
| Gnaden. | |
| Die Nationalisten beider Seiten vereinte der kompromisslose Kampf gegen | |
| ihren größten Feind: die Partisanen unter Josip Broz, genannt Tito. Die | |
| Partisanen hatten es mit der Parole „Brüderlichkeit und Einheit“ mit allen | |
| faschistischen Mächten aufgenommen und trugen schließlich den Sieg davon. | |
| Das Todesurteil gegen Draza Mihailovic 1946 war die Folge. Doch seit dem | |
| Krieg 1992-95 haben sich die Gewichte wieder verschoben. Seither regieren | |
| serbische Extremisten in der Republika Srpska, dem serbisch dominierten | |
| Teilstaat in Bosnien und Herzegowina. Vor vier Jahren wurde Mihailovic in | |
| Serbien offiziell rehabilitiert. | |
| 13 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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