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# taz.de -- Tod eines Syrers bei Brand im Gefängnis: Polizei machte schwere Fe…
> Ein zu Unrecht inhaftierter Flüchtling aus Syrien starb bei einem Brand
> in seiner Zelle. Jetzt entschuldigt sich NRW-Innenminister Herbert Reul.
Bild: Benennt Fehler der Polizei: NRW-Innenminister Herbert Reul
Düsseldorf taz | Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat
im Fall [1][eines zu Unrecht inhaftierten und nach einem Brand in seiner
Einzelzelle verstorbenen] 26-jährigen Syrers schwerste Fehler der Polizei
eingeräumt. „Hier ist in der Obhut des Staates [2][ein junger Mann
gestorben], der bei uns Schutz und Hilfe gesucht hat“, sagte Reul am
Freitag bei einer Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses des Düsseldorfer
Landtags. „Aber es ist noch schlimmer: Dieser junge Mann ist an einem Ort
gestorben, an dem er eigentlich nie hätte sein dürfen.“
Der Bürgerkriegsflüchtling hatte schon am 17. September in der
Justizvollzugsanstalt Kleve schwerste Verbrennungen erlitten. Am 29.
September erlag er in der Bochumer Unfallklinik Bergmannsheil seinen
Verletzungen. Zuvor hatte er mehr als zwei Monate zu Unrecht in Haft
gesessen.
Ein von der Staatsanwaltschaft Hamburg wegen schweren Diebstahls und nicht
bezahlter Geldstrafen mit zwei Haftbefehlen gesuchter Mann aus Mali hatte
den Namen des Syrers als Tarn-Aliasnamen benutzt. Eine Überprüfung „mit den
polizeilichen Fahndungsbeständen“ habe deshalb einen Treffer ergeben, sagte
Reul.
Fotos und Geburtsorte der beiden Männer hätten die ihm unterstellten
Polizeibeamten dann nicht mehr abgeglichen, räumte der Innenminister ein –
ebenso wenig wie „Phänotypus, Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, Tätowierungen…
All das sei „ein schwerer Fehler der Polizei“, sage Reul: „So etwas darf
nicht passieren.“ Er bitte „die Familie des Verstorbenen von ganzem Herzen
um Entschuldigung“.
## Kein Grund für eine mehrmonatige Inhaftierung
Er selbst habe aber das Versagen der Polizei „sofort erkannt, sofort
benannt“ und „sofort Konsequenzen gezogen“, rechtfertigte sich Reul. Gegen
die Polizeibeamten liefen nicht nur Ermittlungen wegen Freiheitsberaubung
im Amt, sondern auch Disziplinarverfahren.
Weiter gab Reul an, dass der verstorbene Syrer wegen Raubs und Bedrohung
bereits polizeibekannt gewesen sei. Konkreter Anlass seiner Festnahme sei
eine „Beleidigung auf sexueller Grundlage gewesen“ – an einem Badesee soll
er vier Frauen belästigt haben. Ein Grund für eine mehrmonatige
Inhaftierung wäre das aber nicht gewesen.
Für Aufregung sorgte im Ausschuss [3][ein Bericht von Zeit Online], nach
dem die Zelle des Syrers erst am 2. Oktober, also zweieinhalb Wochen nach
Ausbruch des Feuers, von einem unabhängigen Brandsachverständigen
untersucht wurde – zwischenzeitlich wurden deshalb von Seiten der SPD sogar
Forderungen nach einem Rücktritt von NRW-Justizminister Peter Biesenbach
(CDU) laut.
Ein Mitarbeiter des Ministers beruhigte die Situation aber mit dem Hinweis,
das zuständige Fachkommissariat der Klever Polizei habe am 24. September
den Haftraum untersucht und dabei die Matratze als Brandherd identifiziert.
Außerdem sei die Zelle versiegelt worden.
## Keine schlüssigen Antworten
Dennoch bleibt damit die theoretische Möglichkeit, dass Polizisten so ihre
Kollegen schützen konnten: Spuren eventuell eingesetzter Brandbeschleuniger
verfliegen sehr schnell und sind nach Wochen nur schwer nachweisbar. Um
Manipulationen durch die Klever Polizei auszuschließen, ermitteln in dem
Fall mittlerweile Beamte aus Krefeld.
Justizminister Biesenbach selbst versuchte immer wieder, die Verantwortung
für die Verwechslung und die unrechtmäßige Inhaftierung des 26-Jährigen der
Polizei zuzuweisen. Den Justizvollzugsanstalten würden Gefangene
zugewiesen, eine eigenständige, nochmalige Überprüfung der polizeilichen
Identifizierung erfolge routinemäßig nicht.
Nachfragen des rechtspolitischen Sprechers der grünen Landtagsfraktion,
Stefan Engstfeld, warum den Gefängnis-Mitarbeitern die Verwechselung eines
Syrers mit einem Gesuchten aus Mali nicht trotzdem auffiel, beantworteten
dagegen weder Biesenbach noch seine MitarbeiterInnen schlüssig.
## Justiz zahlt keine Beerdigung
Der Leiter der Landesvollzugsdirektion, Gerhard Marx, musste stattdessen
einräumen, dass der verstorbene Syrer in der Haft mindestens einmal auf die
Verwechselung hingewiesen habe. „Das Urteil betreffe ihn nicht, er sei nie
in Hamburg gewesen“, notierte eine Gefängnispsychologin in Kleve.
Dennoch wurde er erst elf Tage nach dem Brand, einen Tag vor seinem Tod,
nach einer erneuten Überprüfung seiner Identität offiziell „enthaftet“.
Damit muss die Justiz nun nicht für die Beerdigungskosten aufkommen. Der
eigentlich gesuchte Mann aus Mali ist dagegen offenbar weiter auf freiem
Fuß.
5 Oct 2018
## LINKS
[1] /Syrer-stirbt-nach-Brand-in-Zelle/!5539869
[2] /Ermittlungen-gegen-Polizeibeamte/!5539750
[3] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-10/jva-kleve-gefaengnis…
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Polizei NRW
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Justiz
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antimuslimischer Rassismus
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