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# taz.de -- Syrer stirbt nach Brand in Zelle: „Ein unfassbarer Justizskandal�…
> Nach dem Tod eines zu Unrecht inhaftierten Syrers werden Vorwürfe gegen
> NRW-Justizminister Biesenbach laut. Gegen die Polizei wird ermittelt.
Bild: Nicht so idyllisch: Die Justizvollzugsanstalt in Kleve (NRW)
Im Fall des zu Unrecht inhaftierten und nach [1][einem Brand in seiner
Einzelzelle verstorbenen 26-Jährigen] erheben SPD und Grüne schwere
Vorwürfe gegen Nordrhein-Westfalens CDU-Justizminister Peter Biesenbach.
Der Christdemokrat habe entweder „vorsätzlich das Parlament falsch
informiert“ oder schlicht „seinen Laden nicht im Griff“, sagte
SPD-Fraktionsvize Sven Wolf am Dienstag im Düsseldorfer Landtag. Der
rechtspolitische Sprecher der grünen Fraktion, Stefan Engstfeld, sprach von
einem „unfassbaren Justizskandal“.
Der in der Justizvollzugsanstalt Kleve inhaftierte 26-Jährige war schon am
17. September Opfer eines starken Feuers geworden, bei dem auch acht
Mitarbeiter und zwei weitere Insassen des Gefängnisses Rauchvergiftungen
erlitten. Mit schwersten Brandwunden wurde der aus Syrien stammende Mann
mit einem Krankenwagen zunächst in ein Klever Krankenhaus, danach per
Hubschrauber nach Duisburg und dann weiter nach Bochum transportiert. In
der auf Verbrennungen spezialisierten Bochumer Unfallklinik Bergmannsheil
erlag er am vergangenen Samstag, also am 29. September, seinen
Verletzungen.
Offenbar hatte der Syrer zuvor mehr als zwei Monate unschuldig im Gefängnis
gesessen: Wegen Freiheitsberaubung im Amt wird seit vergangenem Freitag
gegen mehrere Polizeibeamte aus Kleve ermittelt. Denn der 26-Jährige wurde
scheinbar aus Schlamperei Opfer einer Verwechselung. Ein von der
Staatsanwaltschaft Hamburg wegen schweren Diebstahls und nicht bezahlten
Geldstrafen mit zwei Haftbefehlen gesuchter Mann aus Mali hatte den Namen
des Syrers als Alias-Tarnnamen benutzt – und das war im Fahndungssystem der
Polizei auch so vermerkt.
Wie bei allen Aliaspersonalien üblich hakten die Hamburger deshalb schon im
Juli nach, ob die Identität des in Kleve einsitzenden Mannes geklärt sei –
und erhielten zur Antwort, Ausweispapiere gebe es nicht. „Danach wurde von
Seiten unserer Behörde nochmals nachgefragt, auf welcher Basis die
Identifizierung erfolgt ist“, so die Hamburger Oberstaatsanwältin Nana
Frombach zur taz – doch auch diese Anfrage versandete offenbar bei der
Polizei Kleve.
„Es wurde nicht alles getan, um die richtige Identität des Inhaftierten
herauszufinden“, räumt deshalb selbst ein Sprecher des
nordrhein-westfälischen Innenministeriums ein. Um zu verhindern, dass sich
Polizisten aus Kleve untereinander schützten, sei die konkrete Untersuchung
nun an die Polizei in Krefeld übergeben worden.
## Rechtsausschuss tagt am Freitag
„Äußerst tragisch, äußerst ungewöhnlich“ sei der Fall, sagt auch Günt…
Neifer, Sprecher der die Gesamt-Ermittlungen leitenden Staatsanwaltschaft
Kleve/Moers. Geklärt werden müsse jetzt, „ob, wann und gegenüber wem“ der
Syrer seine Unschuld beteuert habe – und ob es ein Fahndungsfoto gegeben
habe, mit dem die Verwechselung schnell hätte aufgeklärt werden können.
Mit Hochdruck ermittelt werde auch, wie der tödliche Brand in der
Einzelzelle des Syrers überhaupt entstehen konnte. „Wir nehmen die Sache
sehr ernst“, sagt Oberstaatsanwalt Neifer. Der Leiter des Krefelder
Gefängnisses, Udo Gansweidt, hatte einen Suizidversuch für unwahrscheinlich
erklärt – schließlich habe der 26-Jährige Mann aus Syrien noch noch bis
Mitte Oktober in Haft bleiben sollen: „Für so ein paar Tage“, sagte
Gansweidt kurz nach dem Brand, „bringt sich kein Mensch um“.
Aufklärung bringen soll nun eine Sondersitzung des Rechtsausschusses des
Düsseldorfer Landtages am kommenden Freitagnachmittag, bei der auch eine
längere Erklärung von Justizminister Biesenbach erwartet wird. Die Vorwürfe
der Opposition, der Minister habe dem Ausschuss schon bei einer Sitzung am
26. September verschwiegen, dass der Syrer zu Unrecht hinter Gittern saß,
wies ein Sprecher Biesenbachs gegenüber der taz zurück: Der Minister sei
darüber zwar am gleichen Tag, aber erst nach der Ausschusssitzung
informiert worden.
2 Oct 2018
## LINKS
[1] /Ermittlungen-gegen-Polizeibeamte/!5539750
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Polizei NRW
Syrische Flüchtlinge
Justiz
JVA
antimuslimischer Rassismus
Polizei NRW
Abschiebung
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