Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Große Bruegel-Ausstellung in Wien: Der Meister der Handelsmetropole
> Pieter Bruegel d. Ä. wurde viel zu lange auf Genrebilder reduziert. In
> Wien gibt es nun die Gelegenheit, den Maler neu zu entdecken.
Bild: Dudelsackpfeifen sind bei Bruegel oft phallisch: Bauerntanz, um 1568
So viel Bruegel war nie. Noch nie waren so viele Originalgemälde und
Grafiken des flämischen Meisters Pieter Bruegel d. Ä. zusammen ausgestellt.
Und wahrscheinlich wird sich das auf absehbare Zeit auch nicht wiederholen.
Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums (khm) in Wien,
schwärmte daher von einer Gelegenheit „once in a lifetime“. Dementsprechend
wird mit einem wahren Besucheransturm gerechnet, der durch streng
kontingentierte Time-Slots gesteuert werden soll.
Sechs Jahre hat ein internationales Kuratorenteam daran gearbeitet. Wien
ist der logische Schauplatz für diese Megaschau, deren vordergründiger
Anlass der 450. Todestag des Meisters im Jahr 2019 ist. Das khm besitzt mit
12 von 41 bekannten Gemälden die größte Sammlung des Künstlers, der lange
Zeit als „Bauern-Bruegel“ auf das Malen rustikaler Genrebilder reduziert
wurde. Die 15 Leihgaben stammen aus 15 verschiedenen Museen und
Privatsammlungen. Leihgeber profitierten durch Restaurierungen und die
Teilnahme an einem Forschungsprojekt der Getty Foundation, das die eine
oder andere überraschende Erkenntnis brachte.
Mit modernsten Techniken wie der Infrarotreflektografie und hochauflösenden
Makroaufnahmen konnten bisher verborgene Details aufgespürt werden. So
deuten die (phallischen) Dudelsackpfeifen der Musiker auf der
Bauernhochzeit auf einen über dem Brautpaar befindlichen leeren Heuboden.
Unsichtbar unter den Ölfarben findet sich ein verschlungenes Liebespaar,
das offenbar die Hochzeitsnacht vorwegnimmt. Ob diese Szene der Zensur oder
der Selbstzensur zum Opfer gefallen ist, bleibt Spekulation.
Bruegel muss Grafiken oder Skizzen von Hieronymus Bosch besessen haben.
Denn auf dem apokalyptischen Bild „Dulle Griet“ (Die tolle Grete) findet
sich ein Tonnenmensch oder Kopffüßler, wie ihn Bosch auf einem Gemälde
skizziert, aber dann übermalt hatte. Auch sonst orientiert sich Bruegel in
frühen Werken an den von Monstern bevölkerten Bildern von Bosch, der schon
einige Jahre tot war, als Bruegel auf die Welt kam.
## Wenige gesicherte Fakten
Vom Leben des Meisters gibt es wenige gesicherte Fakten. Selbst sein
Geburtsjahr, das irgendwann zwischen 1525 und 1530 vermutet wird, ist ein
Geheimnis. Auch über seinen familiären Hintergrund weiß man nichts. Er
dürfte aber hoch gebildet gewesen sein und hat auch die für Maler damals
fast obligatorische Italienreise absolviert. In Rom arbeitete er mit Giulio
Clovio zusammen. 1563 heiratete er Mayken Coecke, die Tochter seines
Meisters. Erst in den letzten fünf Jahren vor seinem Tod wurden die beiden
Söhne Pieter und Jan geboren.
Bruegels Schaffensperiode dauerte knappe 18 Jahre. Dass er seiner Witwe
testamentarisch auftrug, den Großteil seiner Grafiken zu vernichten, wird
als Furcht vor der Inquisition gedeutet. Der Katholik, so mutmaßen
Experten, dürfte die manchmal versteckt in seinen Bildern angedeutete
Kirchenkritik auch explizit ausgedrückt haben. Bruegel verbrachte seine
produktivsten Jahre in Antwerpen, einer pulsierenden Handelsmetropole, wo
neben Katholiken auch alle denkbaren protestantischen Strömungen um den
wahren Glauben stritten. Die Stadt an der Schelde war mit 100.000
Einwohnern doppelt so groß wie Rom und damals wahrscheinlich die reichste
Stadt Europas. Sie beherbergte fast doppelt so viele Künstler wie Bäcker.
Warum Bruegel-Bilder so gut wie nie verliehen werden, kann man am Beispiel
der „Kreuztragung Christi“ von 1564 nachvollziehen, das aus dem Rahmen
genommen wurde und auch von der Rückseite zu sehen ist. Das Ölgemälde
besteht aus fünf dünnen und feinst verdübelten Eichenholzbrettern, denen
ein Transport nicht zugemutet wurde. Es sind auch vorwiegend kleinere und
daher weniger fragile Werke, die von den verschiedensten Leihgebern auf die
Reise nach Wien geschickt wurden.
## Von Sammlern seitlich oder oben beschnitten
Anders als praktisch alle anderen Gemälde Bruegels, ist dieses in seiner
Originalgröße erhalten. Es war durchaus normal, dass Sammler ihre
Akquisitionen seitlich oder oben beschnitten, um sie in einen fertigen
Rahmen zu passen. Dadurch sind Datierungen und Signaturen verloren
gegangen, was die Arbeit der Forschung erschwert. So weiß man etwa nicht,
welches der beiden Bilder vom Turmbau zu Babel das ältere ist. Die
Zusammenschau des viermal größeren Turmbaus aus Wien mit einer kleineren
Version, die sonst im Museum Bojimans Van Beuningen in Rotterdam hängt,
erlaubt auch dem Besucher direkte Vergleiche.
Auffällig ist nicht nur die unterschiedliche Perspektive, sondern auch,
dass der Rotterdamer Turm im Verhältnis zu den dargestellten Menschen
zweieinhalbmal größer ist als sein Wiener Pendant. Beide Bilder dürften
sich in der Sammlung von Kaiser Rudolf II. befunden haben. Erstmals seit
etwa 350 Jahren sind auch vier der sechs Bilder aus dem Jahreszeitenzyklus
vereint. Ein fünftes ist in New York und bekam keine Ausreiseerlaubnis. Das
sechste ist verschollen.
Die Schau stellt zunächst den kaum bekannten Zeichner und Kupferstecher
Bruegel vor, der durch seine Druckgrafiken mit Landschaften,
Städteansichten oder religiösen Motiven populär wurde. In einem Raum wird
eingeladen, beim berühmten „Wimmelbild“ „Kampf zwischen Fasching und
Fasten“ auf die unzähligen Details zu achten. Zur besseren Orientierung
werden Alltagsgegenstände aus den Niederlanden des 16. Jahrhunderts wie
Holzschuhe, Tongeschirr oder auch eine Pilgernadel daneben ausgestellt.
Ein weiterer Saal widmet sich den Techniken, mit denen der Meister die
Farbe mit dem Pinsel oder auch mit dem Daumen aufgetragen hat. Ein
Symposium im Dezember soll die wissenschaftliche Aufarbeitung der
vergangenen Jahre einem interessierten Publikum näher bringen. Die
[1][Internetplattform insidebruegel.net] bietet auch jenen, die nicht nach
Wien kommen können, eine Gelegenheit, in die Welt des berühmten Flamen
einzutauchen.
18 Oct 2018
## LINKS
[1] http://insidebruegel.net/
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Ausstellung
Archäologie
Chicago
Fotografie
Bauhaus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Museumsschau mit Street Photography: In der Upper East Side
Die Straße als Theater und Schlachtfeld: Die große Werkschau der New Yorker
Fotografin Helen Levitt in der Albertina in Wien.
Ausstellung über Archäologie: Es ging nicht mehr ohne Kunst
Die Ausstellung „Bewegte Zeiten“ im Berliner Gropius-Bau zeigt
archäologische Superlative. Sie beweist einmal mehr: Wir sind nur zufällig
hier.
Zeitgenössische Kunst: Black Artists Matter
Die Art Expo Chicago entpuppt sich als überaus spannende Kunstmesse – dank
dem starken Auftritt afroamerikanischer Künstler*innen.
Foto-Messe Unseen Amsterdam: Traut nicht allem, was ihr seht
Unseen Amsterdam versteht sich als Plattform für aufstrebende Fotokünstler.
Mit denen konnte man in der siebten Ausgabe ins Gespräch kommen.
Kunstfest Weimar: Tanzen Sie die Farbe Blau
Zwischen Gauforum und Bauhaus: Das Kunstfest Weimar horcht in die Stadt
hinein und erzählt von wechselnden Lesarten der Vergangenheit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.