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# taz.de -- Autorin über Jobs für Geflüchtete: „Viele Berufe sind nicht be…
> Viktoria Doll hat einen Bewerbungsratgeber für Geflüchtete geschrieben.
> Sie erzählt, warum angehende Friedhofsgärtner und Köche gute Chancen
> haben.
Bild: Agham Almawlawi (l.) und Mohamad Feras Almaoubwi, beide aus Syrien, begin…
taz: Frau Doll, Bewerbungsratgeber gibt es auf dem Markt etwa so viele wie
für gesunde Ernährung oder schöne Beziehungen. Warum haben Sie noch einen
Ratgeber geschrieben?
Viktoria Doll: Mein Bewerbungsratgeber richtet sich speziell an Geflüchtete
und Migranten. Das ist eine ganz andere Zielgruppe, die spezielle
Bedürfnisse hat.
Was hat Sie auf die Idee gebracht, dass Geflüchtete so etwas brauchen?
Ich bin selbst schon lange in der Flüchtlingsarbeit tätig und arbeite als
Coach im Bewerbungszentrum München. Immer wieder kommen Geflüchtete zu mir,
die Bewerbungen schreiben möchten, die mit den üblichen Ratgebern aber
nichts anfangen können. Diese sind sprachlich zu anspruchsvoll, sie richten
sich an junge Hochschulabsolventen, an deutschsprachige Schulabgänger, die
nach der 10. Klasse eine Ausbildung machen wollen, und so weiter. Andere
wiederum sprechen Migranten an, die sich aus dem Ausland in Deutschland
bewerben wollen, auch das ist eine ganz andere Zielgruppe.
Und die Zielgruppe der Geflüchteten hat sich an Sie gewendet?
Ja, aber nicht nur die. Ich habe ständig von allen Seiten gehört, dass es
in dieser Richtung nichts Gescheites gibt. Mir haben sowohl Ehrenamtliche
als auch Mitarbeitende vom Jobcenter immer wieder gesagt, dass sie gerne
Vorlagen hätten, an denen sie sich bei der Beratung von Geflüchteten
orientieren können. Deshalb richtet sich der Ratgeber ja auch schon im
Titel nicht nur an Migranten und Flüchtlinge, sondern auch an die
Helfenden.
Eine Nische, obwohl das Thema doch seit Jahren den Diskurs bestimmt?
Ja, genau, eine Nische, die trotzdem noch immer nicht besetzt war.
Natürlich wird das Thema Bewerben in den Integrationskursen behandelt, aber
das genügt nicht. Der Stark-Verlag sah das genauso, und so haben wir dieses
Buch in Angriff genommen.
Was beinhaltet Ihr Buch nun genau?
Das Buch beinhaltet Vorlagen für mehr als 20 Berufe. Die Formulierungen
darin lassen sich sicherlich nicht immer eins zu eins übernehmen, sind aber
doch ein Grundstock, um individuell darauf aufzubauen. Interessierte finden
Tipps fürs Bewerbungsfoto, Formulierungshilfen, verständliche Vorgaben, wie
ein Lebenslauf auszusehen hat.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Berufe ausgewählt?
Es sind Berufe, die für meine Zielgruppe geeignet sind, die also auch ohne
Schulabschlüsse und ohne Erfahrung infrage kommen.
Was sind das für Berufe? Welche sind bei Geflüchteten beliebt?
Das sind tendenziell alle Berufe, die sich im Lager- oder auch im ganzen
Sicherheitskomplex abspielen. Interessant ist aber natürlich auch der
Pflegebereich. In dem Buch gibt es einen Block über Ausbildungen, weil
viele das Konzept so in dieser Form wie bei uns nicht kennen. Genauso wie
eine Vielzahl von Berufen, die entweder nicht bekannt sind oder auf die sie
schlicht nicht kommen.
Zum Beispiel?
Der des Kochs. Da bleiben zahlreiche Stellen offen, die Chancen stehen auch
ohne Zeugnisse wirklich gut. Oder auch der des Friedhofsgärtners – den
kennen viele überhaupt nicht.
Welche anderen Gedanken haben Sie sich vorab gemacht?
Die sicherlich drängendste und schwierigste Frage war, wie wir es
sprachlich lösen. Veröffentlichen wir den Ratgeber nur auf Arabisch, nur
auf Türkisch, Persisch oder Englisch? Egal, wofür man sich entscheidet, es
fasst nie alle ein. Also haben wir uns entschieden, es einfach auf Deutsch
zu veröffentlichen und nach jedem Kapitel Zusammenfassungen auf Englisch
beizustellen. Die Bewerbung muss ja schließlich ohnehin auf Deutsch
verfasst werden. Außerdem richtet sich der Ratgeber ja auch an die
Helfenden.
Was sind Ihrer Erfahrung nach Probleme, die bei Geflüchteten während ihrer
Berufssuche häufig auftreten?
Sicherlich die Sprachbarriere und dass so viele Zeugnisse bei uns nicht
anerkannt werden. Dann kommen natürlich nur Berufe infrage, auf die sich
auch Bewerber ohne Zeugnisse bewerben können. Was ich hingegen nicht
gedacht hätte, was aber meine Erfahrung ist: Viele haben Probleme, mit
einem Computer umzugehen. Mit Smartphones funktioniert es wesentlich
besser, aber gerade bei Menschen aus Ländern mit anderen Schriftzeichen
muss die Arbeit an einem PC häufig erst gelernt werden. Drum stehen in
meinem Buch auch basale EDV-Tipps zum Bearbeiten von Dokumenten, wie ich
etwa ein Foto einfüge, eine Adresse austausche, eine E-Mail mit einem
Anhang versehe.
Welche Unterschiede gibt es ansonsten in den Bewerbungsverfahren hier und
anderswo?
Bei den Bewerbungen in Deutschland werden natürlich ganz bestimmte
Satzbausteine vorausgesetzt, die wir im Regelfall in der Schule lernen, die
andere aber nicht kennen. Gleiches gilt für die Anrede oder die
Abschiedsformel. So etwas ist kulturell verankert, so etwas verändert sich,
das ist schwierig nachzuvollziehen. Viele berichten mir, dass in ihrem
Herkunftsland mehr über den persönlichen Kontakt läuft, dass sie etwa durch
die Straßen spazieren und einfach fragen, ob es Arbeit gibt. Dieses ganz
Formale und Institutionalisierte wie bei uns, das kennen viele nicht aus
ihrem Heimatland.
Wie gelangt Ihr Buch nun an die Zielgruppe?
Es gibt Ehrenamtsinitiativen, die einen ganzen Schwung gekauft haben, auch
die Münchener Stadtbibliothek hat welche angeschafft. Ich mache meine
Klienten im Bewerbungszentrum natürlich auch darauf aufmerksam. Das sind
alle, die vom Jobcenter Leistungen beziehen, da das Bewerbungszentrum eine
Maßnahme des Jobcenters ist.
Haben Sie schon Resonanz bekommen?
Von dem Ehrenamtlichen und dem Fachpersonal habe ich schon auf
verschiedenen Wegen gehört, dass sie froh sind, dass es nun endlich so
etwas gibt. Bei meinen direkten Kunden bekomme ich das nicht immer so mit,
aber ich wurde jetzt auch schon im Bewerbungszentrum angesprochen, wenn
sich jemand das Buch gekauft hat und es ihm oder ihr hilft.
Und auch negative Rückmeldungen?
Nicht zum Buch, nein. Aber ich habe gerade in Bayern in letzter Zeit häufig
von Arbeitgebern gehört, dass sie verunsichert sind. Unschlüssig, ob sie
Geflüchteten eine Chance geben sollen. Denn selbst wenn diese dann einen
festen Arbeitsvertrag haben, ist es vielfach zu Abschiebungen gekommen, das
verfolgen natürlich alle in der Presse. Insbesondere die Afghanen haben es
nicht leicht, da werden Jugendliche aus der Berufsschule gerissen, und das
verunsichert die Arbeitgeber natürlich. Alle erhoffen sich da eine klarere
Haltung von der Politik.
21 Oct 2018
## AUTOREN
Hanna Voß
## TAGS
Lesestück Interview
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Arbeit
Integration
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Altenpflege
Andreas Geisel
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