# taz.de -- Obdachlose Jugendliche in Hamburg: Erst mal wohnen | |
> Straßenkinder und Experten fordern ein „Housing First“-Modell für | |
> obdachlose Jugendliche. Die Hamburger Sozialbehörde zeigt sich zu | |
> Gesprächen bereit. | |
Bild: In Hamburg für Jugendliche aus der Heimerziehung nicht leicht zu bekomme… | |
HAMBURG taz | Viele wohnungslose Jugendliche kommen aus der Heimerziehung. | |
Das kam am Wochende auch auf der Fachtagung „In and Out of Care“ des | |
Arbeitsbereichs Sozialpädagogik der Uni Hamburg zu Rechten und | |
Möglichkeiten junger Menschen in der Heimerziehung zur Sprache. | |
Eindrücklich forderten zum Schluss Josi und Kevin vom Straßenkinder-Projekt | |
„Momo – Voices of Disconnected Youth“, dass auch Hamburg nach dem Vorbild | |
anderer Städte ein „Housing First“-Modell anbietet. | |
Wie das funktioniert, erklärte Peter Heemann von der „Werkstatt | |
Solidarität“ aus Essen anschaulich. Der erst vor drei Jahren gegründete | |
Träger hat in der Ruhrpott-Stadt bereits 130 Wohnungen angemietet und auf | |
diese Weise Jugendliche vor der Obdachlosigkeit bewahrt. „Wir stellen die | |
Jugendhilfe auf den Kopf“, sagt Heemann. Häufig flögen die Jugendlichen aus | |
Heimen, wenn sie sich dort nicht an Regeln hielten. | |
Es seien junge Menschen mit teils schweren Problemen wie Drogenkonsum oder | |
Schulverweigerung. An Drogenfreiheit oder Schulbesuch ist das Projekt nicht | |
geknüpft. Der Träger erwartet vielmehr, dass die jungen Menschen sich auf | |
eine Beziehung einlassen. Je zwei Betreuer stehen ihnen zur Seite, die sie | |
nicht treffen müssen, aber von sich aus rufen können. | |
„Wir bringen denen Mülltrennen bei und dass man den Nachbarn nicht | |
verhaut“, sagt Heemann. Auch Kochen und Einkaufengehen gehöre dazu. | |
Mitunter fliege ein Jugendlicher aus einer Wohnung, weil er sich nicht | |
benehme, bekomme dann aber eine andere und behalte seine Betreuer. Werde er | |
volljährig, werde der Mietvertrag auf ihn überschrieben. | |
Viele größere Städte stehen vor diesem Problem. Eine Studie des Deutschen | |
Jugendinstituts (DJI) hat hochgerechnet, dass bundesweit rund 37.000 junge | |
Menschen bis 26 Jahre entweder obdachlos (23,9 Prozent) oder wohnungslos | |
(76,2 Prozent) sind. Basis war eine Onlinebefragung von Fachkräften und | |
eine Befragung von rund 300 Jugendlichen aus Köln, Berlin und Hamburg. | |
## Verkürzte Jugend | |
„Die meisten von ihnen haben schon Erfahrung mit Heimerziehung gemacht“, | |
erläuterte Sarah Beierle vom DJI – oft nicht so gute. Sie bräuchten | |
Angebote, wo sie ihre Handlungsfähigkeit entwickeln können: „Projekte, wo | |
Jugendliche jugendlich sein dürfen.“ Jugendliche, die mit 18 aus der | |
Heimerziehung ausscheiden, haben eine „verkürzte Jugend, und beschleunigte | |
Verselbstständigung“, darauf wies auch Katharina Mangold von der Uni | |
Hildesheim hin. Zum Vergleich: Im Durchschnitt ziehen Männer mit 25,1 | |
Jahren und Frauen mit 23,9 Jahren zu Hause aus. | |
Die konkreten Forderungen der Jugendlichen vom Straßenkinder-Projekt | |
„Momo“: Notschlafstellen und neue Konzepte. „Was die in Essen machen ist | |
supergut“, sagt Josi. Momo fordert, Housing First solle offener und ohne | |
direkte Anbindung an die Jugendhilfe gestaltet werden. Wie Ronald Prieß, | |
Fachreferent der Linksfraktion für Kinder, Jugend und Bildung, berichtete, | |
sei die Sozialbehörde zu Gesprächen bereit. | |
Das bestätigte deren Sprecher Marcel Schweitzer der taz. Es gebe bereits | |
zwei Jungerwachsenenprojekte in Hamburg. „Die Herausforderung ist, dass wir | |
als Staat nicht unverbindlich Wohnungen zur Verfügung stellen können für | |
Minderjährige, die dann nach ein paar Tagen wieder weiterziehen“, sagt er. | |
Minderjährige genössen einen besonderen Schutz, den der Staat einlösen | |
müsse. „Das macht nicht jedes Gespräch einfach“, sagt Schweitzer, „aber… | |
sind zuversichtlich, dass wir mit den Momos eine Lösung finden können.“ | |
15 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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