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# taz.de -- Wohnungen für Obdachlose in Hannover: Wohnst du schon?
> Die Winter-Notquartiere schließen, die Obdachlosigkeit bleibt. Viele
> Menschen könnten mit Programmen wie „Housing First“ von der Straße geho…
> werden.
Bild: Dach überm Kopf, aber mehr nicht: Obdachlose unter der Kersten-Miles-Br�…
Hannover taz | Wer würde in diesem Elend nicht anfangen zu saufen? Wenn bei
nasskaltem Wetter die Klamotten klamm und die Schlafplätze matschig sind,
kann man mit ein paar Schlucken die Realität verschleiern. Sucht und
Obdachlosigkeit bedingen sich oft gegenseitig und machen den Wiedereinstieg
in ein geregeltes Leben so schwierig. Denn wer zurück in eine Wohnung will,
muss erst beweisen, dass er nicht nur seine Schulden im Griff hat, sondern
auch trocken ist.
Diese hohe Hürde will die Stadt Hannover jetzt einreißen. Die Koalition aus
SPD, Grünen und FDP hat der Verwaltung aufgegeben, zur Sommerpause das
Projekt „Housing First“ zu entwickeln. Erst mal eine Wohnung, heißt das.
Therapie kommt später.
Das Prinzip hat sich in Städten wie New York oder Wien schon bewährt. Die
Leute kommen in ihren eigenen vier Wänden erst einmal zur Ruhe. Anders als
in einer Notunterkunft ist da keiner, der besoffen randaliert oder den
anderen Obdachlosen nachts ihre wenigen Habseligkeiten klaut – und für
Frauen besonders wichtig: In einer eigenen Wohnung müssen sie keine Angst
vor sexuellen Übergriffen haben. Auch sozialpädagogische Betreuung soll es
geben.
## Wer hat Anspruch?
Eine rundum gute Idee. Die Frage ist nur, für wen gilt Housing First?
[1][In Hannover sind geschätzte 4.000 Menschen] ohne eigene Wohnung. Viele
schlafen bei Freunden, leben in städtischen Unterkünften und gerade Frauen
oft bei „Bekannten“ – „mit allen damit unter Umständen verbundenen
Abhängigkeiten“, wie die Stadtverwaltung treffend schreibt. Etwa 400
Menschen schlafen in Hannover auf der Straße. Überwiegend sind es Männer.
Ein großer Teil der Obdachlosen kommt aus Osteuropa. Genaue Zahlen darüber
gibt es nicht. Man kann aber ein ungefähres Gefühl dafür bekommen, wenn man
sich die Gemeinschaftsunterkünfte der Stadt ansieht. 36 Prozent der
Menschen, die dort untergekommen sind, kommen aus Rumänien. Damit ist die
Gruppe in etwa so groß wie die der Deutschen mit 40 Prozent.
Die Osteuropäer kommen in der Hoffnung auf Arbeit her. Seitdem auch Rumänen
und Bulgaren EU-weit nach einer Arbeit suchen dürfen, versuchen sich einige
in Deutschland ein besseres Leben aufzubauen. Aber was bleibt ihnen, wenn
sie nicht gerade zu Dumpinglöhnen Fleischteile im Akkord zerlegen? Wer
stellt einen Rumänen ohne große Deutschkenntnisse ein?
Das wenige Ersparte ist schnell weg und EU-Ausländer haben in Deutschland
keinen Anspruch auf Sozialleistungen, wenn sie weniger als fünf Jahre im
Land sind. Der Weg auf die Straße ist da kurz. Ein Projekt wie Housing
First könnte diese Gestrandeten aus ihrer Misere herausholen. Ob
Osteuropäer aber überhaupt von dem Projekt profitieren können, ist äußerst
fraglich.
## Kaum Chancen für Osteuropäer
Katrin Langensiepen sitzt für die Grünen im Rat der Stadt Hannover. Sie ist
eine der Initiatorinnen des Projekts. „Es geht nicht um die
Staatsbürgerschaft“, sagt sie. „Ich würde es mir wünschen, auch die
Menschen aus Osteuropa einzubringen.“ Für sehr wahrscheinlich hält sie es
aber nicht, dass die Stadtverwaltung diese Gruppe in ihrem Konzept
berücksichtigen wird. „Man wird dafür nicht aufkommen wollen“, vermutet
Langensiepen. Denn wenn die Stadt tatsächlich Wohnungen für Osteuropäer
schaffen wollte, müsste sie das wohl selbst bezahlen.
Auch der Koalitionspartner SPD möchte die Obdachlosen aus Osteuropa nicht
ausschließen. „Housing First ist grundsätzlich für alle“, sagt das
Ratsmitglied Lars Kelig. Rechtlich sei Housing First auf einem Level mit
der bisherigen Unterbringung, „also im Zuge von Gefahrenabwehr“. Und in den
städtischen Unterkünften dürfen Osteuropäer übernachten.
Kelig sieht aber noch ein anderes Problem als das Geld: „Unsere
Hauptaufgabe ist es, mehr zu bauen“, sagt er. „Wenn wir genügend Wohnungen
haben, dann können wir auch alles umsetzen.“
Die Stadtverwaltung nennt zu ihrem Konzept von Housing First noch keine
Details. Daran werde noch gearbeitet, schreibt ein Sprecher. Wenn das
Konzept für ein Pilotprojekt steht, muss der Stadtrat darüber abstimmen.
Letztlich liegt es also an Ratsmitgliedern wie Langensiepen und Kelig, mit
ihrer Stimmenmehrheit in der Ampel-Koalition dafür zu sorgen, dass vom
schnellen Zugang zu Wohnungen und Privatsphäre in Hannover niemand
ausgeschlossen wird.
Den ganzen Schwerpunkt der taz nord zu Obdachlosigkeit lesen Sie in der taz
am Wochenende im Zeitschriftenhandel oder [2][hier].
23 Mar 2018
## LINKS
[1] https://e-government.hannover-stadt.de/lhhsimwebre.nsf/DS/0310-2018
[2] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Andrea Scharpen
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