| # taz.de -- Ex-Referatsleiter über politische Bildung: „Lehrer dürfen nicht… | |
| > Lehrerbildungs-Experte Kurt Edler sagt, dass Parteien keinen Anspruch | |
| > haben, in Schulen eingeladen zu werden – auch nicht die AfD, die deswegen | |
| > beleidigt ist. | |
| Bild: Will rein in die Hamburger Schulen: Die AfD, hier beim Landesparteitag 20… | |
| taz: Herr Edler, die AfD in Hamburg beklagt ihre Ausgrenzung an Schulen. | |
| Müssen Schulen die AfD einladen? | |
| Kurt Edler: Keine Partei hat ein Recht, von Schulen eingeladen zu werden | |
| oder sich in Schulen zu engagieren. Wenn es aus methodisch-didaktischen | |
| Gründen geboten ist oder ein Interesse der Schulöffentlichkeit besteht oder | |
| von Kursen und Klassen, sich mit einer Partei und deren Positionen | |
| auseinanderzusetzen, dann können Parteien eingeladen werden. Aber ein | |
| Recht, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen, hat keine Partei. | |
| Aber es gibt eine Bestimmung der Schulbehörde zum Umgang mit politischer | |
| Werbung. Da steht, wenn Parteien eingeladen werden, dann alle. | |
| Der Sinn dieser Vorschrift ist, dass es ein plurales Spektrum von Meinungen | |
| gibt. Das hat zu tun mit dem sogenannten „Beutelsbacher Konsens“, der | |
| Kontroversität vorschreibt, also nicht nur eine Meinung zur Geltung kommen | |
| zu lassen. Das gilt sowohl für die Schulöffentlichkeit als auch für den | |
| Unterricht. Aber dies kann gewährleistet werden, ohne dass immer alle | |
| Parteien eingeladen werden. Ein Beispiel: Beschäftige ich mich in | |
| Wirtschaftskunde mit sozialer Gerechtigkeit, kann ich zwei Parteien | |
| einladen, von denen ich weiß, dass sie dazu verschiedene Meinungen haben, | |
| zum Beispiel die FDP und die Linke. Aber keineswegs hätten zum Beispiel die | |
| Grünen dann ein Recht, auch geladen zu werden. | |
| Gilt das auch für Podiumsdiskussionen? | |
| Das kann auf einem Podium genauso sein. Wenn ein Moderator sagt, wir | |
| sollten nicht mehr als drei verschiedene Positionen auf der Bühne haben, | |
| ist das konferenzdidaktisch plausibel. Bei der AfD haben wir außerdem aber | |
| noch ein besonderes Problem. Die Schulen müssen darauf achten, dass den | |
| Jugendlichen keine verfassungsfeindlichen oder schulgesetzwidrigen | |
| Positionen nahegebracht werden. Deswegen wäre bei einem AfD-Vertreter | |
| zunächst zu prüfen, ob er zum Beispiel Standpunkte wie Björn Höckes | |
| Aussagen zum Holocaustmahnmal auch gegenüber den Jugendlichen vertreten | |
| würde. Das wäre klar unvereinbar mit dem Schulgesetz. | |
| Inwieweit müssen Lehrer neutral sein und sich mit ihrer Meinung | |
| zurückhalten? | |
| Lehrer dürfen gar nicht neutral sein. Sie sind durch das Schulgesetz und | |
| die Verfassung in Sachen Menschenrechte und Demokratie darauf festgelegt, | |
| grundrechtsklar gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und diskriminierende | |
| Positionen, wie sie die AfD laufend vertritt, aufzutreten. Insofern haben | |
| sie eine Pflicht zur demokratischen Parteilichkeit. Und es gebietet die | |
| Fairness, die eigene Position in einer Streitfrage auch kenntlich zu | |
| machen. | |
| In der Zeit spricht Schuljurist Philipp Verenkotte vom „Graubereich“, wenn | |
| es darum geht, was ein Lehrer darf. | |
| Es gibt in der pädagogischen Arbeit niemals nur Schwarz und Weiß. Es ist | |
| notwendig, Positionen, die fragwürdig sind, abzuklopfen und zur Diskussion | |
| zu stellen. Der Lehrer ist in einem seriösen Unterricht niemals nur | |
| Parteigänger einer speziellen Position. Er ist immer Moderator und stellt | |
| kritisch Positionen zur Diskussion. Beschäftigen wir uns mit dem | |
| Nationalsozialismus, muss selbstverständlich an Originalquellen der | |
| Rassismus und der Antisemitismus für Schüler nachvollziehbar sein. Wenn wir | |
| dann einen AfD-Vertreter in unseren Gemeinschaftskundekurs einladen, um ihm | |
| die deftigsten Zitate von Gauland und von Storch vorzuhalten und sie mit | |
| den NS-Positionen zu vergleichen, ist es ohne Weiteres denkbar, dass nur | |
| der AfD-Mann im Unterricht erscheint und kein anderer Parteivertreter. | |
| Müssen Lehrer auch Meinungen unterdrücken? | |
| Sie müssen zumindest die Fatalität von Positionen herausarbeiten. Wir haben | |
| aber Fälle gehabt, gerade im Bereich des islamistischen Extremismus, in | |
| denen Schüler coram publico die Ermordung der französichen Karikaturisten | |
| von Charlie Hebdo gerechtfertigt haben. Da ist dann die rote Linie zur | |
| Straftat überschritten. Wenn ich jedoch in meinem Unterricht zur Debatte | |
| auffordere und sage, jetzt mal Feuer frei, sagt einfach mal, was ihr denkt, | |
| und wir diskutieren das Thema kontrovers, dann habe ich eine Situation | |
| geschaffen, wo, wenn wir hinterher dem Schüler ans Leder wollten, der | |
| Verwaltungsrichter zu Recht sagen könnte: „Naja, Herr Edler, wenn Sie | |
| sagen, alles auf den Tisch gepackt, was ihr denkt, dann muss der Schüler | |
| etwas Riskantes sagen können, ohne dass ihm daraus ein Strick gedreht | |
| wird.“ | |
| Können sich Schüler durch Äußerungen strafbar machen? | |
| Selbstverständlich. Eine Äußerung ist immer auch eine Handlung. Wenn ein | |
| Schüler den anderen rassistisch diskriminiert, wird das erst mal auf der | |
| Ebene des Schulrechts und der Hausordnung geregelt. Aber wenn ältere | |
| Schüler Positionen vertreten, wie sie beispielsweise von | |
| Nazi-Kameradschaften zu hören sind, dann müssen sie dafür auch die | |
| Verantwortung übernehmen. Das umso mehr, falls dies vor der | |
| Schulöffentlichkeit geschieht. | |
| Machen Lehrer Fehler im Umgang mit der AfD? | |
| Fehler werden überall gemacht. | |
| Was ist die pädagogisch richtige Art zu reagieren? | |
| Wir müssen Schülern die demokratische Handlungskompetenz vermitteln, sich | |
| mit fremdenfeindlichen, rassistischen und diskriminierenden Positionen | |
| auseinanderzusetzen. Dazu gehört aber, dass sie diese Positionen | |
| kennenlernen. Deswegen wäre es eine Riesendummheit, die Jugendlichen von | |
| einer Diskussion mit Deutschtümlern, Fremdenhassern und Hasspredigern | |
| abzuhalten. | |
| Wie verhindert man, dass die AfD sich als Opfer geriert? | |
| Indem man so differenziert vorgeht, wie ich es hier empfohlen habe und kühl | |
| und gelassen mit einem noch sehr schillernden Phänomen umgeht. Wir sollten | |
| nicht verkennen, dass es in der AfD auch Menschen gibt, die Nazis ablehnen | |
| und die lieber heute als morgen den ultrarechten Flügel vor die Tür setzen | |
| würden. Mit diesen bürgerlich-konservativen Kräften muss man natürlich | |
| einen Draht aufbauen, um die Selbstreinigung dieser neuen Partei zu | |
| befördern. | |
| Sie sind optimistisch. | |
| Als die GAL noch jung, radikal und frech war, wurde sie auch im Parlament | |
| behindert. Ich war ja in der ersten Bürgerschaftsfraktion dabei. Wir haben | |
| die Behinderung öffentlich gemacht, aber waren nicht so larmoyant wie die | |
| AfD heute. Es gehört zum Wesen des Rechtspopulismus, sich als Opfer zu | |
| stilisieren, um Massenemotionen zu wecken, mit denen man bei Wählern | |
| punkten kann. Aber diesen Trick kann die AfD nicht lange nutzen. Ich bin | |
| sicher, der Parlamentarismus wird auch diese Partei zähmen. | |
| 2 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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