| # taz.de -- Vorfall in Sachsen-Anhalt: Eine Liebe in Köthen | |
| > Der Streit um ihr gemeinsames Kind soll die Schlägerei in Köthen | |
| > ausgelöst haben, nach der Markus B. starb. Nun werden Lena und Sajid | |
| > bedroht. | |
| Bild: Früher war Köthen nur eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, jetzt ist es d… | |
| Köthen taz | Er liebt sie und sie liebt ihn, seit ein paar Monaten schon, | |
| was auch immer das bedeutet mit 18 Jahren. Schmetterlinge, Eifersucht, | |
| Pläne schmieden und wieder verwerfen, chillen mit den anderen, wissen, dass | |
| das Herz sowieso gebrochen werden wird. | |
| „Weißt du noch“, fragt er, „wie du mich damals Kanake nanntest, als wir … | |
| zum ersten Mal sahen?“ | |
| „Das hab ich nicht“, antwortet sie. „Vielleicht doch. Damals habe ich so | |
| was noch gesagt.“ | |
| Sie heißt Lena. Er Sajid. | |
| Sajid lebte in Afghanistan, bis er floh und nach Deutschland kam. In Lenas | |
| Heimatstadt in Sachsen-Anhalt, Köthen. Lena liegt in Sajids Bett, es ist | |
| fünf Uhr am Nachmittag, der Tag vergeht mit nichts. Ein Rapper motzt über | |
| emanzipierte Frauen. Ich will das nicht mehr hören, sagt Sajid und sucht | |
| ein anderes Lied. Eine Schnulze. Bitte bleib doch für immer, singt ein Mann | |
| auf Persisch und Sajid mit, er schaut Lena dabei in die Augen. Es hätte | |
| eine schöne Liebe sein können. | |
| Aber jetzt ist Lena schwanger und ein Mann tot. Deshalb heißen Lena und | |
| Sajid eigentlich anders. | |
| Köthen ist so eine Kleinstadt, die dem Rest des Landes egal sein kann. | |
| 28.000 Einwohner. Weltstadt der Homöopathie, weil es einen homöopathischen | |
| Weltärzteverband gibt, der hier seinen Sitz hat und jede Stadt etwas | |
| braucht, was sie von anderen unterscheidet. Nur ist das seit der Nacht vom | |
| 8. auf den 9. September etwas anderes. | |
| ## Später, im Krankenhaus, stirbt Markus B. | |
| In dieser Nacht kommt es zu einer Schlägerei auf einem Spielplatz im | |
| Zentrum der Stadt. Anfangs streiten sich mehrere Afghanen, prügeln sich, | |
| dann kommt eine Gruppe Deutscher dazu. Einer von ihnen wird geschubst, | |
| stürzt zu Boden. Später, im Krankenhaus, wird Markus B. sterben. Der | |
| Obduktionsbericht zeigt, dass er einem Herzinfarkt erlag. Die Polizei | |
| ermittelt gegen zwei afghanische Geflüchtete wegen Körperverletzung mit | |
| Todesfolge. So viel teilt die Polizei bislang mit. | |
| Jetzt ist Köthen die Stadt, in der ein Deutscher von Afghanen umgebracht | |
| wurde. Egal, ob das nun stimmt oder nicht. Jetzt ist Köthen die Stadt, in | |
| der sie Lena die Schuld dafür geben. Der Streit war an einer Frage | |
| entfacht: „Lena, von wem bist du eigentlich schwanger?“ | |
| Am nächsten Morgen macht der Vorfall die Runde in der Stadt. Über WhatsApp, | |
| Anrufe, später auch in den Nachrichten. In einer lokalen Facebook-Gruppe | |
| steht noch vor 10 Uhr morgens: „heute früh in Köthen…2 Afghaner töten | |
| Deutschen…echt der Hammer....wo soll das noch hinführen…man wird es | |
| versuchen tot zu schweigen....“ – „Drecks viehcher“, kommentiert ein | |
| anderer darunter. Noch am gleichen Abend versammeln sich Rechtsextreme vor | |
| dem Spielplatz, auf dem Markus B. gestorben war. Hunderte Köthner stehen | |
| dabei. | |
| ## 2015 kommen die Flüchtlinge nach Köthen | |
| Lena zieht an einer Zigarette, beobachtet Sajid, ihre Schwester und die | |
| anderen, wie sie miteinander albern, sie trägt ein Top mit | |
| Jägermeister-Logo, die Haare offen, zieht die Decke in karierter | |
| Bettwäsche, die die Ausländerbehörde stellt, dichter an sich heran, als | |
| wollte sie etwas zwischen sich und die Welt bringen. Lenas Leben ist eines | |
| von denen, die nicht in eine ideale Welt passen. | |
| Hauptschulabschluss im zweiten Anlauf, keine Ausbildung. Sieben | |
| Geschwister. Wenn der Jugendclub ein Fest feiert, hilft sie. In der | |
| Tanzgruppe ist sie dabei, aber auch bei einem Nazi-Aufmarsch. Warum läufst | |
| du bei denen mit, hatte sie ein Sozialarbeiter später gefragt. Weil endlich | |
| mal was los war, hat Lena geantwortet. Ein anderes Mal fragt er, warum sie | |
| ihre Mutter beleidigt. Lena antwortet: Weil sie auch Schlampe zu mir sagt. | |
| 2015 kommen die Flüchtlinge nach Köthen, die Jüngeren von ihnen in den | |
| Jugendclub, in den Skatepark, den Friedenspark. Die deutschen Mädchen | |
| finden die afghanischen Jungs schön, die afghanischen Jungs die deutschen | |
| Mädchen spannend. „Die Mädchen machen hier in Deutschland, was sie wollen�… | |
| sagt einer von ihnen, „mal sind sie mit dem zusammen, mal mit dem.“ | |
| „Wir bringen den Jungs bei: Ihr wascht hier auch mit ab“, sagt Olaf | |
| Schwertfeger. Er leitet einen der Jugendclubs. Er sagt aber auch: | |
| „Jugendliche sind Menschen, die ihre Grenzen testen.“ Schwertfeger sitzt in | |
| seinem Büro, an der Pinnwand hinter ihm hängt ein Rezept, Waffeln für 20 | |
| Personen. Seit das mit Markus B. passiert ist, kommt kaum noch jemand, sagt | |
| er. Dafür war neulich die Polizei da, hat das Haus beschützt, als die | |
| Demonstranten durch die Straßen zogen. Jeder in der Stadt weiß, dass über | |
| dem Jugendclub Flüchtlinge wohnen. Eigentlich stand die Tür offen, jetzt | |
| klebt ein Zettel daran. „Bitte klingeln“. | |
| ## Politik und Freundschaft, Überzeugung und Langeweile | |
| Auch die beiden mutmaßlichen Täter, zwei Afghanen, 18 und 20 Jahre alt, | |
| haben in diesem Haus gewohnt. Seit einiger Zeit waren sie als aggressiv | |
| aufgefallen, waren ausfallend geworden, gegen einen von ihnen lief ein | |
| Verfahren wegen schwerer Körperverletzung. Nach einem soll sich der | |
| Staatsschutz erkundigt haben, sagt der Pfarrer, dessen Kirche die beiden | |
| Männer betreut hatte, als sie noch minderjährig waren. Beide sitzen jetzt | |
| in Untersuchungshaft. | |
| In diesen Jugendclub kommen nicht die Gymnasiasten, nicht die Kinder von | |
| Eltern, die sich engagieren, die aufklären, die lieben. Wer hierher kommt, | |
| ist oft alleine, das verbindet, beim Kickern, beim Fußball, vor dem | |
| Computer. „Der Kennenlernprozess hier hat schon einen langfristigen | |
| Effekt“, sagt Schwertfeger. „Ob totale Demokraten dabei rauskommen, weiß | |
| ich jetzt aber nicht.“ | |
| Jetzt ist sowieso wieder alles anders. Schwertfeger erzählt von der | |
| Kollegin, die bei den Rechtsextremen mitlief. Nur mal gucken. Von den | |
| Mädchen, die mit den Geflüchteten im Jugendclub Zeit verbringen und | |
| trotzdem gegen Angela Merkel demonstrieren wollen. „Ich sag denen dann, | |
| auch wenn ihr nur dabei steht, macht ihr mit“, sagt Schwertfeger. Hier, im | |
| ganz Kleinen, verschwimmen die Ebenen zwischen Politik und Freundschaft, | |
| Überzeugung und Langeweile. Schwertfeger sagt: „Wenn wir diese Jugendlichen | |
| nicht abholen, tun es die Rechten, und dann schwimmen sie leider in eine | |
| Richtung.“ | |
| Im Spätsommer vor zwei Jahren, ein Nachmittag im Friedenspark, der früher | |
| einmal Friedhof war: Es kommt zu einem Streit zwischen Jugendlichen aus | |
| Afghanistan und deutschen Jungs. Auch damals steht schnell fest, was | |
| passiert sein soll: Zwei 15-Jährige aus Afghanistan hätten deutsche Mädchen | |
| belästigt und die sich dagegen gewehrt, sogar mit Pfefferspray. So haben es | |
| die Mädchen ausgesagt, die Jungs immer bestritten. Noch am selben Abend | |
| waren Rechtsextreme durch die Stadt marschiert. Damals nannte man die noch | |
| nicht besorgte Bürger, sondern organisierte Kameradschaften. | |
| Die Stadt hatte deshalb schnell reagiert, runde Tische einberufen, Beratung | |
| gesucht, um den Rechten die Deutungshoheit zu nehmen. Und um die Frage zu | |
| stellen: Kümmern wir uns genug um die jungen Geflüchteten? | |
| ## Integration der Fremden | |
| Offiziell ist das Jugendamt für die Minderjährigen zuständig, stellt einen | |
| Vormund, in Köthen leben sie in Wohngemeinschaften, die Sozialarbeiter | |
| betreuen. Bis sie 18 werden, dann müssen sie ausziehen. Ihre Akten | |
| übergeben die Mitarbeiter aus dem Jugendamt in der zweiten Etage des | |
| Landratsgebäudes an die Ausländerbehörde im ersten Stock. Ein Geflüchteter | |
| gilt dann als Erwachsen. | |
| In Köthen stellen sie die Frage, wie die Integration der Fremden eigentlich | |
| gelingt, zu einem Zeitpunkt, an dem sie andernorts noch Turnhallen mit | |
| Feldbetten füllen. Der Landkreis stockt den Betreuungsschlüssel für | |
| Minderjährige freiwillig auf, bringt sie in Wohnungen statt in | |
| Sammelunterkünften unter. | |
| Eine Flüchtlingsinitiative, die später, 2017, von der Bundeskanzlerin | |
| ausgezeichnet wurde, schlug damals schon vor, die jungen Geflüchteten | |
| besser zu begleiten, mit einem Patensystem, auch wenn sie schon volljährig | |
| sind. Damit sie zur Schule gehen, Jobs finden und Freunde. Eigentlich, | |
| hatten sie damals vorgeschlagen, könnte man das ja auch für Deutsche | |
| anbieten. Die Idee wurde nie umgesetzt. | |
| Sajid steht in seinem Zimmer und tritt lustlos gegen einen Fußball. Sein | |
| Zimmer ist ein Raum, der aussieht, als hätte der Vormieter beim Auszug | |
| Sperrmüll und ein paar Flüchtlinge zurückgelassen. Die Wände nur zur Hälfte | |
| gelb gestrichen, drei Betten und eine ausgeklappte Couch mit zerrissenem | |
| Bezug, ein Schrank, dessen Tür abfällt, als der Fußball dagegen rollt. | |
| Offiziell wohnen vier junge Männer hier und dann sind da noch die, die | |
| nicht alleine schlafen wollen. | |
| Wie war dein Leben in Afghanistan? | |
| „Ich bin zur Schule gegangen und habe Fußball gespielt“, sagt er. | |
| Und hier in Deutschland? | |
| „Hier will man keine Araber in den Fußballvereinen.“ | |
| Sajid sagt, er geht gerne zu Schule. Deutsch hat er schnell gelernt. | |
| „Alter, bist du bescheuert, Mann.“ „Jetzt laber doch nicht.“ So was. Er | |
| würde gerne als Informatiker arbeiten. Oder, wie wird man eigentlich | |
| Journalist? Bis jetzt hat er nur einen Hauptschulabschluss und keine | |
| Ahnung, ob er noch weiter zur Schule gehen darf. Eigentlich muss er | |
| ausreisen, ist nur geduldet. Ein paar Tage noch, so steht es in seinen | |
| Papieren. Dann ist es vorbei für ihn in Deutschland, vielleicht. So wie am | |
| Ende eines jeden Monats. | |
| ## Ein Ultraschallbild will er nicht behalten | |
| In Lena verknallt er sich im Friedenspark, da ist noch Frühling und sie mit | |
| einem anderen zusammen. Sie ist die mit der großen Klappe, er der mit den | |
| schönen Augen. Seitdem sind sie mal ein Paar, mal wieder nicht. Vorher war | |
| Lena mit einem anderen aus dem Jugendclub befreundet, auch er kommt aus | |
| Afghanistan. Als sie Sajid erzählt, dass sie schwanger ist, muss er weinen. | |
| Ist von dir, sagt sie. Ein Ultraschallbild will er nicht behalten. | |
| Am Ende eines verliebten Sommers kommt der achte September. Lena und Sajid | |
| verbringen den Abend bei Lenas älterer Schwester. Seit ein paar Wochen ist | |
| die mit Sajids bestem Freund zusammen, auch Afghane, auch als Jugendlicher | |
| nach Deutschland gekommen. In diesem Text heißen die beiden Selina und | |
| Ahmad. | |
| Die Schwestern versuchen es zu überhören, wenn ihre Freunde manchmal | |
| fragen, wie es den beiden „Bimbos“ gehe. Zu ihren Freunden gehört auch die | |
| Familie von Markus B. B.s Vater trinkt hin und wieder mit Selina Eierlikör. | |
| Der Sohn der einen Familie und die Tochter der anderen haben ein Kind. | |
| Später erzählt Selina, dass manchmal, abends, wenn sie sich treffen, | |
| rechtsextreme Musik läuft. Sleipnir, Annett Müller. Sie kann Videos davon | |
| zeigen. | |
| Den Abend, an dem Markus B. starb, schildern die vier, mal in gemeinsamen | |
| Gesprächen, mal alleine. Es ergibt sich ein Bild, aber kein vollständiges. | |
| Die Polizei ermittelt noch. Inzwischen werten sie sogar die Daten aus | |
| Markus B.s Herzschrittmacher aus. Die Version der vier geht so: Die beiden | |
| Tatverdächtigen rufen an, fragen, wo Lena und Sajid sind, kommen vorbei. | |
| Lena und Sajid gehen zu ihnen raus. Die Männer sind mit Lenas Ex-Freund | |
| befreundet. Sie alle kennen sich gut. | |
| Wer denn der Vater ihres Kindes sei, fragt der eine. | |
| „Sajid“, antwortet Lena. | |
| Der eine schlägt daraufhin Sajid ins Gesicht. „Warum Sajid, warum?“, soll | |
| er gerufen haben. | |
| Lena ruft ihre Schwester um Hilfe, sie gehen zurück in ihre Wohnung. Damit | |
| hätte alles beendet sein können. | |
| Dann kommen Markus B., einige seiner Geschwister und Freunde dazu. Es kommt | |
| schnell zur Schlägerei, zu Beschimpfungen. Mal versucht Selina einen der | |
| Afghanen aufzuhalten, so schildert sie es, später würgt ihn ein Deutscher. | |
| Selina hört: Immer drauf! Eins gegen eins! Sie hört auch: Was wollt ihr | |
| Kanaken? Kommt mal ran! | |
| Der Vater von Markus B. soll dabeigestanden haben, seine Schwester | |
| mitgegrölt, der Bruder, der auf Facebook die NPD liked, war da. Selina | |
| erinnert sich auch daran, wie einer der Afghanen, der jetzt in | |
| Untersuchungshaft sitzt, Markus B. getreten hat, er lag da schon am Boden. | |
| Als die Polizei schon da ist, schlägt jemand ein Fenster von Selinas | |
| Wohnung ein. | |
| Lena und Sajid werden noch in der Nacht befragt. Auch Selina muss zweimal | |
| zur Polizei. Beim ersten Mal fragen sie, ob sie ein Messer gesehen hat. | |
| Nein, sagt sie, nur Fäuste. Beim zweiten Mal, ob jemand mit einer | |
| Eisenstange zuschlug. Das dritte Mal meldet sie sich bei der Polizei, wegen | |
| ihres Bruders. Wenn das Kind da ist, habe er gesagt, spiele ich damit | |
| Fußball, so wie die mit Markus’ Kopf. Ihre Familie hat ihn angezeigt. | |
| Zwei Wochen sind seither vergangen, als der Bürgermeister der Stadt zu | |
| einer Besprechung bittet. In einem holzvertäfelten Saal, an dessen Wänden | |
| Stadtwappen aus dem ganzen Landkreis hängen, sitzen etwa 50 Männer und | |
| Frauen, sie kommen aus Vereinen, Initiativen, dem Stadtrat. Aus Köthen. Sie | |
| planen eine Versammlung. Der Ministerpräsident soll kommen, die Hochschule | |
| will sich präsentieren, der Fleischer spendiert Würstchen. | |
| ## Bürgermeister legt einen Blumenkranz nieder | |
| Noch an dem Sonntag, als die Nachricht von dem Toten die Runde machte, | |
| versuchten die Bürger der Stadt besonnen zu reagieren. Der Bürgermeister | |
| legte einen Blumenkranz nieder, die Pfarrer luden zu einem | |
| Gedenkgottesdienst ein und einige Tage später auch dazu, den Marktplatz mit | |
| bunten Botschaften zu bemalen. Die Polizei rückte in ausreichend großer | |
| Zahl an, um zu verhindern, dass es zu Szenen wie in Chemnitz kommt. | |
| Jetzt haben sich wieder Rechtsextreme angekündigt, Konzerte soll es geben | |
| und hässliche Reden. | |
| Also wollen auch sie Reden halten, Tänze aufführen, Musik. Gibt es Strom? | |
| Haben wir bei der Feuerwehr ein Megafon? | |
| Dann meldet sich ein Mann mit sorgenvoller Miene und sagt: „Ich weiß nicht, | |
| ob der Kuchenbasar so eine gute Idee ist. Wenn uns jemand was Schlechtes | |
| unterjubelt haben wir ein Problem.“ | |
| Sie wollen alles richtig machen. Nur an die Flüchtlinge hat niemand | |
| gedacht. Sajid kennen sie nicht, auch nicht Ahmad, nicht Selina, nicht | |
| Lena. | |
| Die würden eh nicht kommen. Sie sind gar nicht mehr in der Stadt. | |
| Unmittelbar nach dem Vorfall postet eine Frau auf Facebook ein Foto von | |
| Lena und schreibt dazu: „Deshalb mach ich es, das jeder sehen kann weshalb | |
| Marcus sterben muss, weil du dich von diesem Viehzeug schwängern lassen | |
| musstest“. | |
| Dann eine Nachricht: „Die werden richtig bluten vor allen die Schlampe, die | |
| mach ich richtig fertig“. | |
| Und noch eine: „IHR SEIT VERANTWORTLICH DAS MARKUS NICHT MEHR DA IST“. | |
| Sajid erzählt der Ausländerbehörde von einem Anruf. Lass dich nicht mehr in | |
| Köthen blicken, hört er jemanden sagen, wir werden dich kriegen. Es ist ein | |
| Afghane. Ein paar Tage nach dem Vorfall darf Sajid umziehen, zu seinem | |
| besten Freund, in eine andere Stadt. Um mehr kümmert sich die Behörde | |
| nicht, teilt sie mit, Sajid sei ja schließlich volljährig. | |
| Selina und Lena sind zu Besuch, sind eine Stunde mit dem Bus von Köthen aus | |
| gefahren. Zwei Tage wollen sie bleiben, dann werden es drei, vier, | |
| schließlich eine Woche in der Asylunterkunft und nichts könnte besser | |
| passen. | |
| Lena erzählt, dass sie sich bald eine eigene Wohnung sucht, für sich und | |
| das Kind. Sajid, dass er zur Afghanischen Botschaft nach Berlin fahren | |
| muss, einen Pass beantragen, damit er als Vater anerkannt werden kann. Nur | |
| könnte man ihn dann, wenn er den Pass hat, abschieben. | |
| Selina überlegt, aus Köthen wegzuziehen, hierher vielleicht, weil es hier | |
| mehr Migranten gibt. Früher, sagt sie, da habe sie sich vor denen | |
| gefürchtet. Aber nicht vor Ahmad. „Der wird mir nicht wehtun“, sagt Selina. | |
| „Nur das Herz brechen.“ | |
| „Ich hab Hunger“, sagt Ahmad. „Oh ja“, sagt Lena, „lasst uns Döner e… | |
| gehen.“ | |
| 5 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Schmidt | |
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