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# taz.de -- Strafe für Beschäftigte: Ryanairs Rache
> Ryanair will seine Bremer Basis dauerhaft schließen – wegen geringerer
> Gewinnerwartungen, auch aufgrund der Streiks. Ver.di spricht von
> „Erpressung“
Bild: Abflug aus Bremen – Ryanair will weg
BREMEN taz | Ryanair will seine Basis in Bremen ab dem 5. November
dauerhaft dichtmachen. Das gab die Fluggesellschaft am Montag bekannt.
Grund dafür sei eine um rund zwölf Prozent geringere Gewinnerwartung als
zuvor, die Ryanair vor allem auf jüngste Streiks zurückführt, sowie unter
anderem höhere Treibstoffkosten. Demnach werde für 2018 statt bis zu 1,35
Milliarden Euro nun von einem Gewinn von bis zu 1,2 Milliarden Euro
ausgegangen. Die Gewerkschaft Ver.di nannte die Schließung
„Erpressungspolitik“. Ryanair hatte den Gewerkschaften diesen Schritt im
Zuge der jüngsten Streiks bereits angedroht.
Laut Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Markus Westermann sind rund 90
MitarbeiterInnen in Bremen betroffen. „Für mich ist das ein riesen
Skandal“, sagte er der taz. „Mit der Schließung der Bremer Basis macht
Ryanair den Beschäftigen jetzt klar, dass sie keine Rechte haben.“ Den
MitarbeiterInnen sei angeboten worden, sich an andere Standorte versetzen
zu lassen. Ryanair hatte am Montag erklärt, man wolle Regelungen finden, um
einen Stellenabbau zu vermeiden.
## „Die Schließung ist dauerhaft“
In Bremen sind zwei Ryanair-Flugzeuge beheimatet. Was die Schließung für
den Flugplan bedeutet und ob sie nur vorübergehend ist, war am Montag
zunächst nicht klar. Auf Nachfrage bestätigte Robin Kiely, Head of
Communications von Ryanair, am Montagnachmittag dann der taz: „Die
Schließung ist dauerhaft.“
Zuvor laß sich eine Erklärung von Ryanair-Geschäftsführer Michael O’Leary
noch so, als würde das Angebot nur im Winter um ein Prozent gekürzt. Er
hatte erklärt, dass die Basis in Weeze von fünf auf drei Flugzeuge
verkleinert und neben der Basis in Bremen die in Eindhoven geschlossen
würde, wo vier Flugzeuge beheimatet sind.
## Routen werden weiter bedient
In Bremen sollen die meisten Routen nun mit nicht-deutschen Flugzeugen
weiter bedient werden, sagte O’Leary. Betroffene Kunden seien am Montag
kontaktiert worden. Ihnen würden andere Flüge oder Rückerstattungen
angeboten. Online waren am Montag auch nach November noch Flüge buchbar.
Auch die Flughafen-Sprecherin Andrea Hartmann erklärte, aktuell sei der
Winterflugplan 2018 und der Sommerflugplan 2019 für Bremen auf der
Ryanair-Webseite buchbar. Beim Airport Bremen war man bis dato jedoch
ebenfalls von einer vorübergehenden Maßnahme ausgegangen: „Eine Schließung
der Bremen-Basis im Winter bedeutet lediglich, dass die Bereitstellung der
Crews der Ryanair-Maschinen nicht mehr aus dem Standort Bremen, sondern von
anderen im Umlauf des Flugzeuges befindlichen Standorten erfolgt“, so
Hartmann.
In den zurückliegenden Wochen hatten Flugbegleiter und Piloten von Ryanair
in mehreren europäischen Ländern gestreikt – in Bremen zuletzt am Freitag.
Die Beschäftigten kämpfen für den Abschluss eines Tarifvertrages, bessere
Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
„Wir sind bei Ryanair weit weg von dem, was wir in Deutschland als
gesetzliche Standards haben“, sagte Westermann. Beschäftigte müssten sich
etwa unbezahlt für Einsätze bereithalten und hätten keine Absicherung im
Krankheitsfall. Bezahlt würden MitarbeiterInnen unter anderem, indem sie
durch Provisionen an den Verkäufen während des Fluges beteiligt würden. „Es
geht kein Ryanairbeschäftigter mit über 1.400 Euro brutto nach Hause“,
sagte Westermann. 90 Prozent der Bremer Ryanair-Beschäftigten seien in der
Gewerkschaft. Die Schließung der Basis werde man sich nicht gefallen
lassen. „Wir fordern, dass Ryanair die Entscheidung zurücknimmt und sich
wieder an den Verhandlungstisch setzt.“
Ryanair erklärte, in Italien, Irland und Großbritannien seien die
Verhandlungen mit den Gewerkschaften sehr erfolgreich verlaufen. In anderen
Ländern hätte es unnötige „Störungen“ gegeben, obwohl man den
Gewerkschaften schriftlich zugesichert habe, wonach sie verlangt hätten.
## „Nie dagewesene Härte“
Für Bremens FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner birgt die Schließung
der Basis eine Gefahr für Bremen. „Auch wenn Ryanair viele der Flüge von
anderen Basen weiterführen will, steht der komplette Rückzug weiter im
Raum.“ Wenn ein so wichtiger Akteur wie Ryanair sein Engagement
verringere, verschlechterten sich die Wachstumsperspektiven für den
Flughafen dramatisch.
Claudia Bernhard, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion,
erklärte: „Standortschließung als Reaktion auf Streiks ist die moderne Form
der Massenaussperrung und genauso inakzeptabel. Passagiere fragen sich mit
Recht, ob man es eigentlich verantworten kann, mit Ryanair zu fliegen.“ Von
der Landesregierung erwartet Bernhard, dass sie „die Erpressung öffentlich
zurückweist und deutlich macht: Das ist nicht die Art von
Unternehmenspolitik, die wir uns für den Standort Bremen wünschen.“
Ganz so deutlich fiel die Reaktion des Wirtschaftsressorts nicht aus.
Sprecher Tim Cordßen erklärte: „Der Wirtschaftssenator beobachtet, dass der
Tarifkonflikt mit einer nie dagewesenen Härte seitens der
Unternehmensführung ausgetragen wird. Diese Folgen entstehen im System
Ryanair.“ Der Senator stehe für gute Arbeitsbedingungen und guten Lohn ein,
möglichst mit Tarifverträgen. Einmischen aber wolle er sich nicht.
„Tarifauseinandersetzungen sind Sache der Tarifpartner“, so Cordßen.
1 Oct 2018
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Ryanair
Billigflieger
Flughafen
Tarifstreit
Ochtum
Verdi
Elke Breitenbach
Ryanair
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