Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Online-Pranger gegen „Indoktrination“: Schüler sollen bei der …
> Hamburgs AfD sieht sich als Opfer linker Ideologen und hält mit einer
> Meldeplattform dagegen. Der Schulsenator sieht Kinder instrumentalisiert.
Bild: Melden beim Lehrer ist kein Problem, melden des Lehrers dagegen schon
Hamburg taz | Seit Donnerstag ist eine Meldeplattform der AfD-Fraktion in
Hamburg freigeschaltet, auf der Schüler und Eltern anonym „Verdachtsfälle“
auf Verstöße von Lehrern gegen das Neutralitätsgebot melden können.
„Neutrale Schulen Hamburg“ nennt der AfD-Schulpolitiker Alexander Wolf
seine Aktion. Bis Freitag gingen schon über 350 Meldungen ein, wie ein
Sprecher mitteilt. Darunter seien auch Fake-Meldungen, etwa Neues über
Ernie und Bert.
Doch lustig ist die Sache nicht. „Hier werden Kinder zu Denunzianten
gemacht und einseitig für Anliegen der AfD instrumentalisiert“, erbost sich
Schulsenator Ties Rabe (SPD). Er will prüfen, „ob es rechtlich überhaupt
zulässig ist, wenn Schüler, Eltern oder Lehrer dort schulische Vorfälle
melden“. Ohnehin könnten eventuelle Verstöße gegen das Neutralitätsgebot
schon jetzt an die Behörde direkt gemeldet werden.
Jenes Gebot ist im „Beutelsbacher Konsens“ festgehalten, auf den sich
Politikdidaktiker unterschiedlicher parteipolitischer Herkunft 1976 im
gleichnamigem Ort verständigten. Lehrer dürfen Schülern nicht ihre Meinung
aufzwingen, sondern sollen sie in die Lage versetzen, sich eine Meinung zu
bilden. Der Lehrende muss ein Thema kontrovers darstellen, wenn es
kontrovers ist. Seine eigene Meinung darf er nicht zur „Überwältigung“ des
Schülers einsetzen.
## Die Grenze ist die Verfassung
Doch Lehrer müssen auch für Werte der Demokratie wie Gleichbehandlung
einstehen. „Lehrer dürfen nicht für politische Positionen werben, aber sie
sind auch nicht gesichts- und meinungslos. Denn wären sie das, würden die
Schüler sie nicht ernst nehmen“, sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht.
Lehrer hätten auch dafür zu sorgen, dass im Klassengespräch jeder ausreden
darf und niemand ausgegrenzt wird. Die Grenze sei die Verfassung. „Wer die
überschreitet, muss durch die Lehrkraft ,ausgegrenzt' werden.“
Die AfD indes sieht Hamburgs Schüler seit geraumer Zeit als Opfer
politischer Indoktrination und hat etliche kleine und große Anfragen
gestellt. In einigen Fällen wurde die Schulbehörde daraufhin sogar aktiv.
Zum Beispiel wurde eine Berufsschule, die eine Veranstaltung mit Parteien
absagen wollte, damit die AfD nicht erscheint, angewiesen, diese trotzdem
abzuhalten.
Eine Geschichtslehrerin, die sich abwertend über die Partei geäußert haben
soll, wurde zum Gespräch gebeten und auf das Neutralitätsgebot hingewiesen.
Allerdings stellte sie die fragliche Passage des Unterrichts anders dar als
der Schüler, der sich bei der AfD beklagt hatte.
Solche Klagen werden nun wohl mit der Plattform mehr kommen. „In Fällen, in
denen eine schulinterne Klärung nicht möglich ist, bieten wir an,
Verdachtsfälle von der Schulbehörde überprüfen zu lassen“, so Alexander
Wolf.
Doch ist dieser Umweg über die AfD der Richtige? „Wir sagen nein. Wir sind
der richtige Ansprechpartner“, sagt Albrecht. Gegen das
Lehrerbewertungsportal wie „Spick mich“ versuchte die Schulbehörde vor
einigen Jahren vergeblich eine Musterklage zu führen. Und die AfD sagt, sie
sehe der rechtlichen Prüfung gelassen entgegen.
## Schulbehörde will beide Seiten anhören
Doch die Schulbehörde weist darauf hin, dass auch die Melder verantwortlich
handeln müssten. Zum Beispiel verpflichtet Paragraf 105 des Schulgesetzes
Mitglieder in schulischen Gremien zur Verschwiegenheit in allen
persönlichen Angelegenheiten. Bei Verfehlungen von Lehrern müssten beide
Seiten gehört werden und die zuständigen Schul-Institutionen dies klären,
sagt Albrecht. Denn sonst könnten falsche Vorwürfe zu einer Beschädigung
der Person führen.
Im Bezug auf Lehrer ist die Rechtslage klar. Sie dürfen sich nicht zuerst
mit einer Beschwerde an Parteien wenden, sondern müssen den Dienstweg
nutzen. „Sonst gilt dies als Dienstpflichtverletzung.“
Im Zivilrecht seien „unsinnige Meinungsäußerungen“ von Eltern und Schüle…
zwar hinzunehmen, fährt Albrecht fort, doch für Schüler gilt das schärfere
Schulgesetz. Sie könnten nach Paragraf 49 disziplinarisch bestraft werden,
wenn sie durch ihre Äußerungen den Schulfrieden gefährdeten. „Dies ist in
Folge von ‚Spick mich‘ passiert.“
Die Lehrergewerkschaft GEW lehnt Bewertungsplattformen für Lehrer mit Blick
auf die Persönlichkeitsrechte generell ab. Angesichts des politisch
motivierten AfD-Portals bezweifelte der Vize- Landesvorsitzende Fredrik
Dehnerdt, dass die AfD den Sinn politischer Bildung „überhaupt versteht“.
Denn auch wenn die AfD sich in einigen Fällen zu Recht beschwerte, bedeute
dies nicht, dass ihr Verständnis politischer Bildung mit anerkannten
Grundsätzen übereinstimme. „Richtig verstandene Neutralität ruft dazu auf,
als kontrovers empfundene Positionen der AfD zu benennen und sich mit ihnen
auseinander zu setzen – so wie mit jeder anderen Partei auch“, sagt
Dehnerdt. Die Plattform sei ein Instrument der Überwachung, um Druck
aufzubauen. Er forderte betroffene Lehrkräfte auf, sich an die Gewerkschaft
zu wenden.
21 Sep 2018
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Schule
AfD Hamburg
Online-Pranger
Neutralitätspflicht
Jugend
Neutralitätspflicht
AfD Hamburg
AfD Hamburg
AfD Hamburg
AfD Hamburg
Neutralitätspflicht
Schwerpunkt AfD in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geheimdienst auf Jugendarbeit angesetzt: Klima der Einschüchterung
Landesjugendamt lässt interkulturelle Jugendverbände beim Verfassungsschutz
überprüfen. Betroffene vermuten dahinter „schnöden Rassismus“.
Kommentar Sticker an Ida Ehre Schule: Der AfD zu Diensten
Der Hamburger Senat hat der AfD zum großen Auftritt verholfen. Dabei sollte
man dem AfD-Petz-Portal so wenig Beachtung schenken wie möglich.
AfD bekämpft Antifa in Hamburgs Schulen: Unerwünschte Sticker
Hamburgs Schulaufsicht hat Antifa-Aufkleber an einer Schule entfernen
lassen – auf Betreiben der AfD. Die Hinweise kamen über deren Meldeportal.
Online-Pranger der AfD: Hamburger Lehrer*innen wehren sich
„Politische Unkultur“ und „Zynismus“: In einem offene Brief positionier…
sich 106 Hamburger Lehrer*innen zum Online-Pranger der AfD.
Finanzierung des AfD-Lehrer-Prangers: Zweckentfremdetes Geld?
Die Hamburger AfD hat ihren Online-Pranger für Lehrer mit Staatsgeld
finanziert. Nun kommen Zweifel auf, ob das rechtmäßig ist.
Lehrer-Meldeplattform der AfD: Datenschutz? Fehlanzeige
Bei ihrer Meldeplattform zur Denunziation AfD-kritischer Lehrer nutzt die
Hamburger AfD eine datenschutzrechtliche Sonderstellung der
Bürgerschaftsfraktionen.
AfD Sachsen ruft zu Lehrer-Meldung auf: Petz-Partei AfD plant neues Portal
In Hamburg fordert die AfD Schüler auf, Kritik über die Partei zu melden.
Nun folgt Sachsen und erinnert dort andere Politiker an die Stasi.
Kommentar AfD-Schulportal: Nicht neutral im Sinne der Partei
Die AfD zielt auf angeblich nicht neutrale Lehrer. Sie unterschlägt: Lehrer
müssen Haltung gegenüber faschistischer Ideologie zeigen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.