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# taz.de -- Wohnungsmangel und Mietpreisexplosion: Wohngipfel der anderen Art
> In Berlin trafen sich Mieteraktivisten zum ersten „Alternativen
> Wohngipfel“: Dabei waren hohe Expertise und radikaler Realismus.
Bild: Im Bundesgebiet fehlen aktuell 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen
Berlin taz | Im Mai, nach einem parlamentarischen Abend, entstand die Idee
zu einer Gegenveranstaltung am Vortag des Wohngipfels der Bundesregierung.
[1][Caren Lay], die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, warb
damals für ein überregionales Treffen von wohnungspolitischen Aktivisten,
Wissenschaftlern und Organisationen. Am Donnerstag trafen sich nun 300
Menschen in Berlin zum „Alternativen Wohngipfel“. Trotz der Preisexplosion
auf dem Wohnungsmarkt hängt es noch immer an einzelnen Personen, wie gut
sich die mietenpolitischen Aktivisten in Deutschland vernetzen.
Bei dem Treffen ging es um eine Bestandsaufnahme der Situation – und darum,
eigene Forderungen zu entwickeln. Den Auftakt machte Andrej Holm
(Humboldt-Universität) mit einem Turbo-Referat über die Situation auf den
Wohnungsmärkten: Noch immer seien die Bestandsmieten mit 6,39 Euro relativ
niedrig. Die Neuvermietungsmieten lägen im Schnitt aber schon bei 10,90
Euro.
„Mieter, die in Wohnungen mit Bestandsmieten wohnen, behindern aus
Investorensicht den möglichen Ertrag“, sagte Holm. Die Folgen seien
Eigenbedarfskündigungen, Mieterhöhungen, Kündigungen wegen Bagatellvergehen
wie Stühlen auf dem Balkon oder fiktive Modernisierungsankündigungen.
Diese dienten nur dazu, Mieter zur Kündigung zu veranlassen und dann ihre
Wohnung zu Neuvertragsmieten teurer wieder zu vermieten. Auf den
Wohnungsmärkten herrsche eine „Ökonomie der Ertragserwartung“: Häuser
würden zu Preisen gekauft, die sich nur rentierten, wenn man die Wohnungen
deutlich teurer wieder vermiete.
## Staatliche Förderung wie das Wohngeld ist explodiert
Im Bundesgebiet fehlten heute 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen. Aber
während die staatliche sogenannte Objektförderung, also die Gelder für den
Wohnungsbau, über Jahre hinweg mehr oder weniger unverändert geblieben
wäre, sei die staatliche Subjektförderung wie das Wohngeld, geradezu
explodiert – auf 17 Milliarden Euro jährlich -, weil der Staat zu den
höheren Mieten zuzahlen müsse. „Das geht als Wirtschaftsförderung direkt zu
den Eigentümern“, sagte Holm. „Die gleichen Leute beschweren sich über
jeden staatlichen Eingriff in den Wohnungsmarkt.“
Von dem Wohngipfel der Bundesregierung erwartet Holm nicht viel. Dies sei
eine „Immobilienverwertungskonferenz“, wie schon der Blick auf die
Teilnehmerliste zeige: Sieben Immobilienverbände sind geladen, vier
Vertreter der Baulobby, dazu zwei Gewerkschaften und der Deutsche
Mieterbund (DMB). Noch dazu, so machte DMB-Bundesdirektor Lukas
Siebenkotten deutlich, sei die Redezeit des Mietervertreters auf eine
Minute begrenzt. Er erwarte, dass der Wohngipfel zur „Farce“ werde.
Siebenkotten forderte eine klare Begrenzung der Mieten in laufenden
Verträgen. 15 Prozent wie derzeit erlaubt, seien zu viel. Zwei Prozent,
also die derzeitige Inflationsrate, müssten genug sein.
Aber sehen das alle Mieteraktivisten- und organisationen so? Wie sehr die
Bewegung noch am Anfang steht, machten die anschließenden Foren deutlich,
in denen gemeinsame Forderungen gesucht wurden. Im Forum
„Mietenpreisexplosion verhindern“ einigte man sich etwa auf einen
„Mietenstopp“. Sowohl realpolitischere Forderungen wie die nach einer
besseren Mietpreisbremse als auch radikale (etwa die nach der Kontrolle der
Mieten durch Mieterräte) fielen durch.
Die Mietenbewegung, [2][die sich jetzt zusammenfindet], hat ein hohes Maß
an Expertise und radikalem Realismus. Offen ist, wann sie richtig ins
Rollen kommt. Ein Aktivist sprach am Rande der Veranstaltung von einer
bundesweiten Demonstration, die vielleicht im Juni stattfinden könnte.
20 Sep 2018
## LINKS
[1] /Streitgespraech-dreier-Wohnpolitiker/!5536882/
[2] /Kommentar-Alternativer-Mietgipfel/!5537218/
## AUTOREN
Martin Reeh
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