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# taz.de -- LGBT-Aktivist über Urteil in Indien: „Endlich nicht mehr krimine…
> Indien hat nach 157 Jahren Homosexualität legalisiert. Der Aktivist Ankit
> Bhuptani hofft, dass das Gerichtsurteil ein Startpunkt für weitere
> Liberalisierungen ist.
Bild: In Bangalore feiert eine LGBT-Aktivistin die Entkriminalisierung der Homo…
taz: Nach 157 Jahren der Kriminalisierung hat das Oberste Gericht am
Donnerstag [1][Homosexualität in Indien endgültig legalisiert.] Was war
Ihre erste Reaktion, als Sie von der Entscheidung erfuhren?
Ankit Bhuptani: Wir als LGBT-Community sind so glücklich über diese
Entscheidung. Endlich sind wir keine Kriminellen mehr! Der Moment der
Entscheidung war voller Emotionen, Tränen und Glück. Ich arbeite in einer
Non-Profit-Organisation, die weniger Privilegierte bilden und empowern
will. Meine Kollegen umarmten und beglückwünschten mich. Jetzt bin ich in
Kontakt mit anderen Aktivisten im ganzen Land. Wir sind so froh, dass das
diskriminierende Gesetz endlich abgeschafft wurde. Heute ist ein Tag der
Freude.
2009 wurde gleichgeschlechtlicher Sex schon einmal entkriminalisiert, bis
die Entscheidung 2013 [2][nach einem Appell von religiösen Autoritäten
wieder aufgehoben wurde.] Ist da nicht weiterhin Vorsicht geboten?
Wir sind uns absolut sicher, dass das Oberste Gericht heute eine endgültige
Entscheidung getroffen hat. Die Begründung der Richter war, dass die
Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen gegen die
Verfassung verstößt. Es wurde also nicht mit Religion, sondern mit der
Verfassung argumentiert. Die Diskriminierung auf Basis der sexuellen
Orientierung wurde zum Verstoß gegen die Grundrechte erklärt und es wurde
deutlich gemacht, dass die „verfassungsmäßige Moral“ über der
„gesellschaftlichen Moral“ steht. Es gibt nur einen einzigen Fall in
Indien, in dem eine solche Argumentation zurückgenommen wurde. Daher halte
ich es für fast unmöglich, dass uns unsere Rechte erneut genommen werden.
Wir gehen nicht mehr zurück in den Schrank.
Sie sind selbst religiös und haben in Mumbai [3][eine hinduistische
LGBT-Organisation gegründet.] 2013 kündigten Sie Ihren Job bei einer
Kreditratingagentur, um mit Reden im ganzen Land über Homosexualiät
aufzuklären. Welche Reaktionen erhalten Sie im Gespräch mit Konservativen?
Ich habe in Schulen, in der U-Bahn und auf öffentlichen Plätzen gesprochen,
auch in religiösen und kleinen Städten. Meiner Einschätzung nach gibt es
mittlerweile eine Mehrheit in der Gesellschaft, die Rechte für Schwule,
Lesben, Bisexuelle und Transpersonen befürwortet. Es outen sich nicht nur
immer mehr Menschen als queer, sondern auch immer mehr outen sich als
BefürworterInnen für queere Rechte.
Moment. Homosexualität ist doch noch immer [4][in großen Teilen der
Gesellschaft tabuisiert und stigmatisiert,] viele Frauen und LGBT-Personen
leiden unter patriarchalen und homophoben Zuständen.
Das stimmt. Aber die heutige Gerichtsentscheidung ist ein wichtiger
Meilenstein für eine Änderung dieser Zustände. Der abgeschaffte Paragraf
377 diente Schwulenfeinden als gutes Argument für ihren Hass. Auf der
Grundlage konnten LGBT-Personen erpresst oder gleich bei der Polizei
angeschwärzt werden. In den letzten Jahren wurden Hunderte Personen auf der
Grundlage des Paragrafen festgenommen, darunter viele Minderjährige. All
das ist jetzt nicht mehr möglich. Ächtung und Diskriminierung gibt es
weiterhin. Doch es hilft schon, dass Homosexualität in den letzten Jahren
vermehrt in den indischen Medien behandelt wird.
Trotzdem ist beispielsweise weiterhin in Teilen der Gesellschaft die
Ansicht vertreten, [5][Homosexualität sei nur eine Erfindung des Westens.]
Ja, leider. Das ist absolut lächerlich. Im Jahrtausende alten Kamasutra
gibt es gleichgeschlechtliche Praktiken, auch in alten Hindu-Tempeln sind
queere Geschichten und Bilder zu sehen. Auch diese Ansicht wird sich nicht
halten, davon bin ich überzeugt. Von den Kritikern, auch den religiösen,
ist seit dem Gerichtsurteil jedenfalls wenig zu hören.
Was bedeutet die Entkriminalisierung der Homosexualität für die Debatte um
weitergehende LGBT-Rechte in Indien – gerade in Bezug auf Gleichstellung im
Ehe- und Adoptionsrecht und in Bezug auf Programme zur HIV-Prävention?
Durch die Abschaffung des diskriminierenden Gesetzes werden sich immer mehr
Menschen wohlfühlen, offen schwul, lesbisch oder bisexuell zu leben. Es
wird in nächster Zeit viele Coming-Outs geben und ich halte es auf jeden
Fall für möglich, dass die Debatte um die Eheöffnung und das Adoptionsrecht
bald ebenfalls in eine progressive Richtung gelenkt wird. Die
Entkriminalisierung wird sich auch positiv auf eine Enttabuisierung
auswirken, auch die Vorbehalte bei Ärzten werden sinken. Tatsächlich ist
das Urteil also auch ein Meilenstein für die HIV-Prävention. Das war erst
der Startpunkt.
6 Sep 2018
## LINKS
[1] /Oberstes-Gericht-in-Indien/!5533781
[2] /Homosexualitaet-in-Indien-wieder-strafbar/!5052958
[3] http://www.edexlive.com/news/2018/jun/27/meet-the-mumbaikar-whos-making-hin…
[4] /Indisches-Queer-Magazin/!5050920
[5] /Homosexualitaet-in-Indien/!5159525
## AUTOREN
Frederik Schindler
## TAGS
Indien
Schwerpunkt LGBTQIA
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