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# taz.de -- Nach Gerichtsurteil in Indien: Frauen vor der Tempeltür
> In Südindien bekämpfen Hindus den Tempelbesuch „unreiner“ Frauen. Manche
> drohen sogar mit kollektivem Suizid.
Bild: Polizeieinsatz gegen Hindu-Demonstranten
Im südindischen Staat Kerala ist es am Donnerstag erneut zu teilweise
gewaltsamen Protesten gegen die gerichtliche Aufhebung eines Tempelverbots
für Frauen gekommen. Laut Medienberichten hatten in der Umgebung des
Sabarimala-Tempels radikale Hindus 32 Busse zerstört. Polizisten wurden
angegriffen, die Frauen schützen sollten, die im Tempel beten wollten.
Journalistinnen, die darüber berichteten, wurden bedroht, ihre Fahrzeuge
mit Steinen beworfen. Es gab zwar einige Festnahmen, doch war die Polizei
sichtlich überfordert. So gelangte bisher auch keine Frau zu dem Tempel in
dem bergigen Waldgebiet nahe der Grenze zu Tamil Nadu.
Am 28. September hatte Indiens Oberstes Gericht das von den Betreibern des
jahrhundertealten Sabarimala-Tempels verhängte Tempelverbot für Frauen für
verfassungswidrig erklärt. Weil viele Hindus Frauen wegen ihrer
Menstruation als unrein ansehen, war ihnen der Besuch des Pilgertempels im
Alter zwischen 10 und 50 Jahren schon lange verboten. Auch wurde
argumentiert, dass der dort verehrte keusche Hindugott Ayyapa vor den
Frauen geschützt werden müsste. Die meisten anderen Hindu-Tempel in Indien
dürfen Frauen außerhalb der Menstruation inzwischen aufsuchen.
Traditionelle Hindus, darunter auch erstaunlich viele Frauen, sehen durch
das Gerichtsurteil ihren religiösen Glauben bedroht und wehren sich
verbissen gegen den weiblichen Besuch in Sabarimala. Der Tempel ist mit bis
zu 50 Millionen männlichen Besuchern im Jahr einer der größten
hinduistischen Wallfahrtsorte. Weil er an nur rund 120 Tagen im Jahr
geöffnet ist, war Mittwoch überhaupt der erste Öffnungstag nach dem
Gerichtsurteil.
„Wir werden niemandem erlauben, Gesetz und Ordnung in die eigenen Hände zu
nehmen,“ hatte Keralas Regierungschef Pinarayi Vijayan versprochen. Der
Kommunist führt eine der letzten regionalen Linksregierungen an. Doch
seiner erklärten Gesetzestreue stellte sich nicht nur die
hindunationalistische Volkspartei BJP entgegen, die in Delhi die nationale
Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi führt.
Auch die Congress-Partei, die in Delhi und in Kerala in der Opposition ist,
will das Gerichtsurteil nicht anerkennen. Und sieben männliche Mitglieder
der hinduextremistischen Partei Shiv Sena drohen inzwischen gar mit
Gruppenselbstmord, sollten Frauen in den Tempel gelangen.
Für die Hindunationalisten ist der Konflikt ein willkommener Anlass, um
sich als wahre Verfechter des Hinduismus zu inszenieren und im Süden
Indiens, wo sie traditionell nur wenig Einfluss haben und es mehr religiöse
Harmonie gibt, an Stärke zu gewinnen. Schon im November wird in einigen
Bundesstaaten gewählt, bevor im Frühjahr auf nationaler Ebene die
Parlamentswahlen anstehen.
18 Oct 2018
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Indien
Menstruation
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Hinduismus
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