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# taz.de -- Sondersitzung im Innenausschuss: Koppers im Visier
> Die frühere Polizeivizechefin Margarete Koppers ist
> Generalstaatsanwältin. Die Opposition läuft weiter gegen sie Sturm: Am
> Montag tagt dazu der Innenausschuss.
Bild: Frau, politisch liberal, offen lesbisch: Margarete Koppers
Lange hat Margarete Koppers auf dieses Ziel hingearbeitet, nun ist sie
angekommen: Die frühere Polizeivizepräsidentin wurde nach halbjähriger
Probezeit zur Generalstaatsanwältin von Berlin berufen. Nachdem der
rot-rot-grüne Senat der Ernennung auf Lebenszeit zugestimmt hatte, händigte
ihr Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittwoch die Urkunde aus.
In Berlin ist damit zum ersten Mal eine Frau Chefanklägerin. Aber von
Feierstimmung ist nichts zu spüren. Im Gegenteil.
Auf Antrag von CDU, FDP und AfD beschäftigt sich der Innenausschuss am
heutigen Montag in einer Sondersitzung ein weiteres Mal mit der Personalie.
Wieder geht es um die Frage: Warum hat Innensenator Andreas Geisel (SPD)
gegen Koppers nie ein Disziplinarverfahren eingeleitet, obwohl die
Staatsanwaltschaft gegen sie in der Affäre um verseuchte Schießanlagen ein
Ermittlungsverfahren führt?
Schon letzte Woche hatten sich sowohl der Innen- als auch der
Rechtsausschuss mit dem Thema befasst. Die Sondersitzung hat die Opposition
nun unter der Überschrift angemeldet: „Die Kleinen hängt man, die Großen
lässt man laufen.“
Selten wurde eine Berufung politisch so bekämpft wie die von Koppers. Schon
als Behrendt die Auswahlkommission, die sein CDU-Vorgänger eingerichtet
hatte, neu besetzte, wurde ihm grüner Filz vorgeworfen. Am Mittwoch –
Koppers war gerade ernannt – drohte der rechtspolitische Sprecher der CDU,
Sven Rissmann, in Richtung des Justizsenators: „Der Mühlstein, den Sie sich
mit Koppers um den Hals gehängt haben, wird Sie mit in die Tiefe ziehen.“
Frau, politisch liberal, offen lesbisch – manche Grüne halten das für den
wahren Grund, warum die Altvorderen von CDU, FDP und AfD gegen Koppers
Sturm laufen. Aber das ist zu einfach. Koppers ist ein Mensch, der
polarisiert. Von 2010 bis 2018 war die frühere Richterin
Polizeivizepräsidentin, eineinhalb Jahre davon auch kommissarische
Polizeichefin. Nicht immer bewies sie in dem Job eine glückliche Hand. Die
Affäre um die schadstoffbelasteten Schießstände, die ihr die Opposition nun
so nachhaltig vorwirft, eignet sich aber nicht für schlichte
Schuldzuweisungen.
Jahrelang waren Berlins Polizisten beim Schießtraining giftigen
Pulverdämpfen ausgesetzt. 2009 gab es erste Gerüchte, dass die Entlüftung
unzureichend ist. Koppers soll seit 2011 Kenntnis von den Zuständen der
Schießanlagen gehabt haben. Statt diese zu schließen, so der Vorwurf der
FDP, habe sie aber bereits geschlossene Anlagen wieder geöffnet. Erst im
Frühjahr 2014 hätten die Sanierungsmaßnahmen begonnen. Fazit des
FDP-Abgeordneten Marcel Luthe: „Von einem unverzüglichen Handeln der
Behördenleitung kann keine Rede sein.“
Betroffene Polizisten haben sich in der „Interessengemeinschaft
solidarischer Staatsbediensteter“ organisiert. Diverse mittlerweile
aufgetauchte Krebs- und Atemwegserkrankungen werden von der Organisation
auf die Schießanlagen zurückgeführt. 12 Todesfälle soll es inzwischen
geben. Erwiesen ist ein Zusammenhang nicht. Ein Ausgleichsfonds, den die
rot-rot-grüne Koalition nach dem Regierungswechsel aufgelegt hat, soll
mögliche Betroffene trotzdem entschädigen. 790 Personen haben inzwischen
Anspruch angemeldet.
Aufgrund der Strafanzeige eines Polizisten hat die Staatsanwaltschaft im
Mai 2017 gegen Koppers und den früheren Polizeipräsidenten Dieter Glietsch
ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet. Bis
dahin existierte nur ein Verfahren gegen Unbekannt. Die sogenannten
Schießstandverfahren werden seither von einer Wirtschaftsabteilung der
Staatsanwaltschaft bearbeitet. Die Oberaufsicht darüber hat die
Generalstaatsanwaltschaft.
Vor Margarete Koppers war Ralf Rother Generalstaatsanwalt. In weiser
Voraussicht hatte der vor seinem Abgang noch seinen Stellvertreter, den
leitenden Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg, mit der Aufsicht des
Schießstandverfahrens betraut. Das bedeutet: Koppers hat keinen Einblick in
die Akten. Dennoch behaupteten die Oppositionsparteien am Mittwoch im
Rechtsausschuss erneut, Koppers ermittele gegen sich selbst. Eine objektive
Prüfung der Vorwürfe sei somit nicht gegeben.
Bei der Sondersitzung will die Opposition erneut beleuchten, warum gegen
Koppers nie ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist. Geisel habe
„getrickst“, um die Kandidatin durchzubringen, so die Behauptung.
Tatsächlich ist es ungewöhnlich, dass gegen die Polizeivizechefin kein
Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist. Normalerweise geschieht das
immer, wenn ein Polizist einer Straftat beschuldigt wird. Das
Disziplinarverfahren ruht danach zwar bis zum Abschluss des
Strafverfahrens. Für die Zeit gilt aber ein Beförderungstopp.
Das ist die Regel. Aber es gibt auch Ausnahmen: Zum Beispiel, wenn
offensichtlich ist, dass es sich bei der Strafanzeige um eine
Falschbeschuldigung handelt. Oder wenn absehbar ist, dass das
Strafverfahren eingestellt wird. Auf Letzteres hob Geisel ab, als er am
vergangenen Montag im Innenausschuss sagte: Es gebe keine zureichenden
Anhaltspunkte, die einen Verdacht gegen Koppers begründeten.
Justizsenator Behrendt, im Rechtsausschuss von der CDU mit dem Vorwurf der
Trickserei konfrontiert, verwies auf die Entscheidungen des Verwaltungs-
und Oberverwaltungsgerichts. Beide Instanzen hatten seiner Behörde
attestiert, dass die Entscheidung für Koppers fehlerfrei war. Dass gegen
Koppers ein Ermittlungsverfahren anhängig sei, sei dabei kein Hindernis,
befanden die Richter. Ein Disziplinarverfahren wäre dann erst recht kein
Hindernis gewesen, folgerte Behrendt. „Mit zwei Gerichtsentscheidungen
sollte es sein Bewenden haben“, sagte der Justizsenator. „Irgendwann ist
auch mal gut.“
16 Sep 2018
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizei Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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Justizpolitik
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