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# taz.de -- Widerspruchslösung für Organspende: Der Kampf um Lebenszeit
> CDU-Gesundheitsminister Spahn will, dass künftig aktiv widersprechen
> muss, wer seine Organe nicht spenden will. Dafür gibt es gute Argumente.
Bild: Der Deutsche Ethikrat warnt vor einer „Abgabepflicht“ von Organen
Die Debatte ist hoch emotionalisiert und mit Metaphern gesättigt, und das
ist ein Teil des Problems. Von einer drohenden „Organabgabepflicht“
[1][spricht der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, im
Evangelischen Pressedienst.] Vor einer verschärften „Vertrauenskrise“ warnt
der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch.
Dabrock und Brysch rügen den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU), der eine „Widerspruchslösung“ bei der Organspende durchsetzen
möchte. Einen eigenen Gesetzentwurf will der Minister dabei nicht
einbringen, sondern eine Debatte im Bundestag anstoßen. Spahn ist für die
sogenannte doppelte Widerspruchslösung. Damit sollen BürgerInnen im Falle
eines Hirntods automatisch Organe entnommen werden können, es sei denn, sie
haben zu Lebzeiten aktiv dagegen gestimmt. Nach dem Hirntod können zudem
noch die Angehörigen einer Organentnahme aktiv widersprechen.
Bisher gilt in Deutschland die Entscheidungslösung: SpenderInnen müssen zu
Lebzeiten aktiv einer potenziellen Organspende zustimmen, [2][etwa durch
Ausfüllen eines Organspendeausweises.] Wenn kein Ausweis vorliegt, können
auch noch die Angehörigen die Zustimmung zur Organspende erteilen.
Ansonsten dürfen keine Organe entnommen werden. Kritiker rügen die
Transplantionsmedizin ohnehin als „Ausweiden“ der Körper, die zum
„Ersatzteillager“ werden.
Dabrock vom Deutschen Ethikrat nennt die von Spahn geforderte
Widerspruchslösung, die es beispielsweise schon in Spanien gibt, einen
„Paradigmenwechsel“. [3][Die „Organspende“ würde damit zu einer
„Abgabepflicht“.] Doch einer Pflicht könnte man sich nicht entziehen –
dabei ist genau das möglich bei der Widerspruchslösung durch den zu
Lebzeiten eingelegten und in einer Datenbank registrierten Widerspruch.
Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz warnt vor einer
Verstärkung der „Vertrauenskrise“ im Verhältnis zur
Transplantationsmedizin, käme die Widerspruchslösung. Eine
„Vertrauenskrise“ gibt es jetzt schon in der Haltung vieler BürgerInnen zur
Transplantationsmedizin. Die Zahl der OrganspenderInnen brach 2012 ein, als
aufgedeckt wurde, dass Mediziner Wartelisten manipulierten, damit ihre
schwerkranken Patienten eher an die raren Spenderorgane kamen.
## Neue moralische Konflikte
Durch Medienberichte wurde bekannt, dass die Kreislauffunktionen der
hirntoten Patienten während einer Organentnahme durch intensivmedizinische
Maßnahmen aufrechterhalten werden müssen. Diese „organprotektiven
Maßnahmen“ wirken auf manche Menschen fälschlicherweise so, als seien
Organspender möglicherweise doch noch irgendwie am Leben und als könne hier
manipuliert werden. Der Hirntod ist aber eine eindeutige Diagnose.
Die begrüßenswerte Widerspruchslösung brächte allerdings neue moralische
Konflikte. Sich als Nichtspender registrieren zu lassen wäre ein eigener
Handlungsakt. Bin ich dann zu verurteilen, weil ich mich Todkranken
verweigere? Sollen registrierte Nichtspender im Falle einer schweren
Erkrankung als potenzielle Organempfänger noch auf Wartelisten kommen?
Kein Wunder, dass Spahn die politische Entscheidung an die Abgeordneten des
Bundestages delegieren möchte. Bei diesem Thema gibt es keine politischen
Gewinner. Aber: 10.000 Patienten stehen auf den Wartelisten bei nur knapp
800 SpenderInnen in Deutschland im vergangenen Jahr. Sie warten auf mehr
Spender, mehr Lebensjahre. Vielleicht gibt es einfach kein besseres
Argument.
4 Sep 2018
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/inland/widerspruchsloesung-101.html
[2] /Neue-Organspende-Regelung/!5099346
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Organspenden-Hamburg-unterstuetzt-Sp…
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
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