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# taz.de -- Runder Tisch Liegenschaftspolitik: Wachhund über Grund und Boden
> Ein Runder Tisch hat den Ausverkauf der landeseigenen Grundstücke vor
> acht Jahren gestoppt. Am Freitag tagt er zum 25. Mal.
Bild: Auch Thema am Runden Tisch: die geplante Bebauung am Checkpoint Charlie
Früher war nicht alles besser. Als sich der Runde Tisch
Liegenschaftspolitik Anfang November 2012 zum ersten Mal traf, hieß der
Berliner Finanzsenator noch Ulrich Nußbaum. Der von der SPD gestellte
Politiker weigerte sich damals standhaft, die von der Großen Koalition aus
SPD und CDU vereinbarte Wende in der Liegenschaftspolitik umzusetzen. Statt
der üblichen Bieterverfahren, bei denen landeseigene Grundstücke zum
Höchstpreis vergeben wurden, sollte künftig auch das beste Konzept eine
Rolle spielen. Für Nußbaum eine Zumutung. Selbst die CDU plädierte bei der
ersten Sitzung des Runden Tisches für einen anderen Umgang mit
landeseigenem Grund.
Wenn am Freitag der Runde Tisch Liegenschaftspolitik zum 25. Mal
zusammenkommt, sind die Schlachten von damals Geschichte. Die
Bieterverfahren sind abgeschafft, die Vergabe von Grundstücken an
diejenigen mit dem besten Konzept die Regel.
Im Koalitionsvertrag haben SPD, Linke und Grüne zudem vereinbart, das
Instrument des Erbpachtvertrags stärker anzuwenden, „um Nutzungsbindungen
langfristig zu sichern“. Damit wird, wie es Andreas Krüger sagt, der
Tatsache Rechnung getragen, „dass landeseigener Boden unverkäuflich ist“.
Andreas Krüger, einst Initiator des Modulorhauses am Moritzplatz und
Projektentwickler, war von Anfang an dabei. Er hat die erste Sitzung des
Runden Tisches moderiert, und auch am Freitag wird er wieder auf dem
Moderatorenstuhl Platz nehmen.
## Vom Erfolg überrascht
Dass die Zeit vorbei ist, in der Berlin sein Tafelsilber an die Bieter mit
dem dicksten Geldbeutel verkauft hat, sieht er auch als Erfolg des Runden
Tisches. „Wir haben mit unserer Arbeit Agenda-Setting betrieben“, sagt
Krüger. Es klingt, als sei er im Nachhinein selbst etwas überrascht: „Ich
hätte nie gedacht, dass so ein Diskussionsforum so erfolgreich sein kann.“
Gegründet wurde der Runde Tisch auch, weil es mit dem Liegenschaftsfonds
des Landes, der die Berliner Grundstücke bestmöglich vermarkten sollte,
einen klaren Gegner gab. Erstmals war es 2007 gelungen, dass der
Liegenschaftsfonds ein Gebäude nicht nach dem Bieterverfahren verkauft.
Damals wurde das ExRotaprint-Gebäude im Wedding an zwei Stiftungen
verkauft. Seitdem sind dort Gewerbebetriebe, Künstler und Sozialprojekte
unter einem Dach vereint.
Doch ein Fanal für eine neue Liegenschaftspolitik war das ExRotaprint
nicht, erinnert sich die Künstlerin Daniela Brahm, die selbst
Mitbegründerin des Runden Tischs Liegenschaftspolitik war: „Es wurde
jahrelang munter weiterverkauft.“ Erst 2012 habe es ein Moratorium für den
Verkauf von landeseigenen Grundstücke nach dem Bieterverfahren gegeben.
„Das hat wahnsinnig lange gedauert.“
Zum Erfolg des Runden Tisches, den das Mietermagazin einmal ein
„rebellisches Nest“ nannte, gehört nicht nur das Verkaufsmoratorium,
sondern auch die Legitimierung durch das Parlament. „Ich weiß nicht, wie,
aber irgendwann war klar, dass wir Räume im Abgeordnetenhaus bekommen“,
sagt Andreas Krüger und nennt das augenzwinkernd eine „Form der
Selbstermächtigung“.
## Kultivierter Umgang
Ein Runder Tisch im Landesparlament, eigentlich ein Widerspruch in sich.
Doch bei der Liegenschaftspolitik hat es funktioniert. Einmal, weil
Vertreter aller Parteien dabei waren, zum anderen hat das Abgeordnetenhaus
auch abgefärbt auf die Debattenkultur, findet Krüger. „In all den Jahren
hat noch nie jemand den anderen angebrüllt. Ein solch kultivierter Umgang
ist für Berlin eher ungewöhnlich. Vielleicht liegt es ja am Hohen Haus.“
Auch in der Verwaltung hat sich seitdem viel geändert. Der
Liegenschaftsfonds wurde entsorgt, stattdessen bewirtschaftet nun die
Berliner Immobilienmanagement GmbH die Berliner Liegenschaften. Vom Verkauf
zur Bewirtschaftung, das ist auch für Enrico Schönberg von der Initiative
„Stadt von unten“ ein Erfolg. „Dass der Berliner Boden nicht mehr
privatisiert wird, ist ein wichtiger Beitrag des Runden Tisches gewesen“,
freut er sich.
Aber der Einfluss der Zivilgesellschaft auf das, was mit dem landeseigenen
Grund und Boden passiert, sei immer noch sehr gering. „Erst auf Drängen von
Bausenatorin Lompscher sollen nun auch Genossenschaften landeseigene
Grundstücke bekommen“, sagt Schönberg. Wie berichtet, hatte der Senat am
Dienstag beschlossen, 20 Grundstücke an Genossenschaften zu vergeben sowie
einen Genossenschaftsbeauftragten einzusetzen.
## Mehr Erbpacht gefordert
Bodenpolitik ist also immer noch das Gebot der Stunde. Deshalb wird sich
auch die Jubiläumssitzung des Runden Tisches am Freitag mit dem Thema Boden
beschäftigen. Zwar spekuliert das Land nicht mehr mit seinen Grundstücken,
die privaten Eigentümer dafür umso mehr, und die Bodenpreise steigen ins
Unermessliche.
Andreas Krüger ist deshalb für mehr Restriktion. „München zeigt, dass es
rigide Einflussmöglichkeiten gibt.“ Auch eine höhere Grunderwerbsteuer sei
nötig. „Wenn das zur Beruhigung des spekulativen Umgangs mit Toplagen
führt, ist das zu begrüßen.“
Daniela Brahm von ExRotaprint findet, dass darüber hinaus das Thema
Erbpacht auf die Agenda gehört. „Der rot-rot-grüne Senat hat zwar die
Vergabe in Erbpacht in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Aber es sind
erst acht Erbpachtverträge geschlossen worden.“ Fast alle Grundstücke
gingen an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.
„Wir wollen aber auch, dass gemeinwohlorientierte private Akteure zum Zuge
kommen“, fordert Brahm. Doch bislang gebe es noch nicht einmal ein
einsehbares Liegenschaftskataster. „Wir wissen nichts über den Boden
Berlins“, meint Brahm. „Es wäre schön, wenn wir den Runden Tisch nicht me…
brauchen würden. Bis dahin spielen wir weiter Wachhund.“
7 Sep 2018
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
R2G Berlin
Liegenschaftspolitik
Checkpoint Charlie
Haus der Statistik
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Checkpoint Charlie
Bundesrat
Berlin
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