# taz.de -- Debatte über Künstliche Intelligenz: Fatale Schlagseite | |
> Die Gesellschaft muss sich beim Thema KI stärker einmischen. Vor allem | |
> beim Gestalten der sich jetzt bildenden Anwendungsstrukturen. | |
Bild: Der Mensch muss aufpassen, dass ihm nicht die Entscheidungsgewalt abhande… | |
Berlin taz | Die Diskussion über die Künstliche Intelligenz (KI), wie sie | |
derzeit in Politik und Gesellschaft geführt wird, hat eine fatale | |
Schlagseite. Zu sehr werden positive wie negative Auswirkungen für einzelne | |
Anwendungsbereiche erörtert, etwa Medizin, Verkehrstechnik oder | |
Fabrikproduktion. Völlig unterwertig ist dagegen die Debatte über die | |
Gestaltung der entstehenden großtechnischen Strukturen zur Produktion und | |
Nutzung von artificial intelligence, vor allem in der Polarität | |
öffentlich-staatlicher Regulierung und privatwirtschaftlicher Verwertung | |
und Reichtumsverteilung. | |
Auf dieses Defizit haben jetzt zwei Politikwissenschaftler des [1][AIT | |
Austrian Institute of Technology] im neuen Technologiejahrbuch für das | |
[2][Europäische Forum Alpbach], den gegenwärtig in Tirol stattfindenden | |
Thinktank für Innovation und Wissenschaft, hingewiesen. Der rasanten | |
Entwicklung von Internet und KI könne der Staat kaum noch regulativ folgen, | |
stellt AIT-Forscherin [3][Petra Schaper-Rinkel] fest: „Die Entscheidungen | |
werden heute nicht primär in demokratisch legitimierten Kontexten, sondern | |
von den großen technologischen Playern getroffen: Sie machen weltweit | |
Gesellschaftspolitik.“ Die derzeitige Sozialpolitik beschränke sich dagegen | |
auf die Auswirkungen der Technologien auf die Arbeit wie etwa das Entstehen | |
des Crowdworking-Bereichs. | |
„Aber es kommt niemand auf die Idee, sich um die Gestaltung der | |
Infrastrukturen zu kümmern, die arbeits- und sozialpolitisch zentral für | |
die Zukunft sind“, bemängelt Schaper-Rinkel im Technologiejahrbuch, das | |
ganz der KI gewidmet ist. „Im 19. Jahrhundert hat man aus guten Gründen die | |
Telekommunikation oder die Bahn quasi nationalstaatlich organisiert.“ Die | |
Begründung für das Primat der öffentlichen Hand: „Das sind die | |
Infrastrukturen, auf denen der Fortschritt beruht.“ | |
Schon jetzt verändere sich unter der Digitalisierungsdynamik der Prozess | |
der öffentlichen Wissenschaft massiv, ergänzt AIT-Innovationsforscher | |
Matthias Weber. Auf die Geschwindigkeit der Innovationsprozesse könne die | |
herkömmliche Forschungs- und Technologiepolitik „mit ihrer eher langsamen | |
Herangehensweise nicht mehr schnell genug reagieren“. | |
Nötig ist aus Sicht der AIT-Experten eine Disruption weniger in der | |
Innovation als vielmehr in der politischen Rahmengestaltung, womit sich | |
dann auch viele Nebenprobleme erledigten. „Wenn etwa der Internethandel in | |
Europa auf einer kollaborativen Plattform stattfinden würde statt auf | |
Amazon“, gibt Petra Schaper-Rinkel zu bedenken, „ließe sich der Zugang zu | |
den Daten demokratisch regeln.“ | |
Dann gäbe es sowohl individuelle Transparenz als auch die Möglichkeit der | |
Steuerung, Stichwort Datenschutz. Es könnten zugleich aber auch | |
„gesamtgesellschaftliche Vorteile des Wohlfahrtsstaats allen zugutekommen“, | |
zeigt sich die Wiener Technikforscherin überzeugt. | |
29 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ait.ac.at/ | |
[2] https://www.alpbach.org/de/ | |
[3] http://schaper-rinkel.eu/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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