# taz.de -- Studie über Crowdworking: Die nächste Arbeiterklasse | |
> Wer sind eigentlich die Menschen, die ihr Geld mithilfe von | |
> Online-Plattformen verdienen? Eine Studie gibt Antworten. | |
Bild: Sogenannte Crowdworker sind Teil des Plattform-Kapitalismus | |
Sie vermieten ab und an Ihre Wohnung über Airbnb? Herzlichen Glückwunsch! | |
Dann gehören auch Sie zu denen, [1][die man „Crowdworkers“ nennt, auf | |
Deutsch: Plattformarbeiter:innen.] Das sind Menschen, die sich über | |
Online-Dienste Arbeit vermitteln lassen und damit Geld verdienen. Sie sind | |
Teil des Plattform-Kapitalismus. Ihnen gegenüber stehen die | |
Plattform-Betreiber. Die stellen eine Win-win-win-Situation in Aussicht: | |
für die Arbeitenden, für die Konsument:innen und für sich selbst – nur | |
Letzteres sagen sie meist nicht so laut. | |
Die Bertelsmann-Stiftung hat am Dienstag auf der re:publica eine Studie | |
vorgestellt, die unter anderem untersucht, wer das eigentlich ist, dieser | |
Mensch, der seine Arbeitskraft den Plattformen zur Verfügung stellt. Sie | |
haben dafür im vergangenen September 710 Plattformarbeiter:innen aus einem | |
repräsentativen Panel befragt. 437 Cloudworker:innen und 375 | |
Gigworker:innen waren darin. | |
Der Unterschied: Cloudworker:innen finden nicht nur die Arbeit über eine | |
Online-Plattform, sondern absolvieren sie auch online – zum Beispiel das | |
Verfassen von Produktbeschreibungen. Gigworker:innen dagegen lassen sich | |
zwar die Arbeit über eine Online-Plattform vermitteln, absolvieren sie aber | |
offline – zum Beispiel Lieferdienste. | |
Die am häufigsten genutzte Vermittlungsplattform ist das | |
Übernachtungsportal Airbnb. Knapp ein Drittel der Befragten bot hier seine | |
Dienste an. Auf Platz zwei landet der Lieferdienst Lieferando, hier ließ | |
sich gut ein Viertel der Aufträge vermitteln. Es folgt das Portal | |
Freelancer, das Selbständige mit Auftraggebern zusammenbringen will, und | |
Clickworker, das Mikrojobs wie das Schreiben von Glossaren oder die | |
Verschlagwortung von Bildern vermittelt. | |
Untersuchungen aus den vergangenen Jahren beziffern den Anteil von | |
Plattformarbeitenden niedrig – im einstelligen Prozentbereich, gemessen an | |
der Gesamtzahl der Erwerbstätigen. Werden es in den kommenden Jahren | |
deutlich mehr werden? Werden Unternehmen sie als Drohpotenzial für | |
Festangestellte nutzen? Wird die Deutsche Rentenversicherung reihenweise | |
Bescheide verschicken, wegen mutmaßlicher Scheinselbständigkeit? | |
Oder werden irgendwann mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Schreib- | |
und Verwaltungsprogramme zumindest einen Teil der Aufgaben übernehmen? Und | |
verstärkt sich für alle anderen die Spaltung zwischen hochqualifizierten | |
Spezialisten, die sich ihre Tätigkeiten aussuchen können, und | |
Geringqualifizierten, die nehmen müssen, was sie kriegen? Die in der | |
Bertelsmann-Studie befragten Expert:innen kommen jedenfalls zu einer Reihe | |
an Maßnahmen, die helfen könnten, etwa: Plattformen regulieren, Betroffene | |
mit einbeziehen, transparente Lohnstrukturen, verbesserte soziale | |
Absicherung. Und das klingt wiederum ganz klassisch. | |
## Gebildet und in der Stadt zu Hause | |
41 Jahre alt, verheiratet, aber ohne familiäre Verpflichtungen, höher | |
gebildet. Nein, das ist nicht der:die typische Einwohner:in in Deutschland, | |
da liegt das Durchschnittsalter mit 44,4 Jahren doch noch einen Tick höher. | |
Sondern der:die typische Plattformarbeiter:in. Etwas mehr als die Hälfte | |
der Befragten ist männlich, das kann aber auch an der für die aktuelle | |
Studie getroffenen Auswahl der Plattformen liegen. So hatte nämlich der | |
erste Crowdworking-Monitor des Bundessozialministeriums ergeben, dass eine | |
leichte Mehrheit weiblich ist. | |
Und auch wenn die meisten der Befragten auf dem Land leben: Verglichen mit | |
der Bevölkerungsverteilung wohnen Crowdworker:innen überdurchschnittlich | |
häufig in Städten. Das erklärt sich zum Teil mit der Art der Jobs, die die | |
Arbeitenden verrichten. Jedenfalls: Mehr als zwei Drittel haben Abitur oder | |
Fachabitur, die Hälfte aller Befragten einen Hochschulabschluss. Doch die | |
Plattformen setzen mitunter auf eigene Tests, um Arbeiter:innen für | |
bestimmte Aufträge zuzulassen – oder eben auszuschließen. | |
## Vermieten, liefern, programmieren | |
Crowdworking – der Begriff suggeriert, dass da Menschen den ganzen Tag vor | |
dem Computer sitzen [2][und durch Klicken und Tippen Geld verdienen.] In | |
der Praxis sind die Arbeiter:innen allerdings, was die konkrete Tätigkeit | |
angeht, erstaunlich analog unterwegs. Auch das könnte allerdings an der | |
Auswahl der abgefragten Plattformen liegen. Die häufigsten Tätigkeiten sind | |
plattformbasiertes Vermieten von Zimmern, das praktiziert mehr als ein | |
Viertel der Befragten, und Lieferdienste mit knapp einem Viertel. | |
Dazu kommen weitere analoge Arbeiten wie Personenbeförderung (7 Prozent) | |
und Putztätigkeiten (4 Prozent). Alles Tätigkeiten also, die in Metropolen | |
schon allein deshalb besser funktionieren, weil durch die höhere Dichte an | |
Menschen die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen höher ist. Bei reinen | |
IT-Tätigkeiten landet mit 16 Prozent das Programmieren vorne. | |
## Lieber flexibel | |
Den Engpass am Monatsende mal eben mit ein paar bezahlten Produkttests | |
überbrücken? Ein Zimmer vermieten, weil man sich sonst die Miete nicht mehr | |
leisten kann? Nein, das ist nicht das Bild, das die Studie zeichnet. | |
Geldnot als Motivation für die Plattformarbeit landet mit Platz 13 ganz | |
hinten. Häufigere Gründe: „netter Nebenerwerb“, zeitliche Flexibilität, | |
Unabhängigkeit. Dazu passt: Für die allermeisten Befragten, nämlich 99 | |
Prozent, ist die Tätigkeit nur ein Nebenjob. | |
Praktisch für die Plattformen: Wer nur nebenbei arbeitet, schaut | |
wahrscheinlich nicht so genau auf den Stundenlohn. Denn wer – wie mit 56 | |
Prozent die Mehrheit – 6 Stunden pro Woche investiert und dafür bis zu 400 | |
Euro verdient, kommt zwar bestenfalls auf einen Stundenlohn von 15 Euro. | |
Aber eben nur bestenfalls. Denn je nach persönlicher Arbeits- und | |
Einkommenssituation gehen davon auch noch Steuern und Sozialabgaben ab. | |
## Neue Technik? Yeah! | |
Wenig überraschend: Die Befragten interessieren sich für technische Trends | |
und bewerten die Digitalisierung positiv. Sie schaffe neue Chancen für ihr | |
Arbeitsumfeld, ermögliche flexibleres Arbeiten und damit einen Zeitgewinn – | |
weil sie beispielsweise nicht in ein Büro fahren müssen. Aber: Die Hälfte | |
gibt an, dass das flexible Arbeiten bei ihnen dazu führt, dass sie mehr | |
arbeiten. | |
## Harte Konkurrenz | |
Die Lieferfahrerin ist krank geworden, der Texter hat einen besseren Job | |
gefunden – kein Problem für die Plattformen, die diese Tätigkeiten | |
vermitteln. Indem sie umfangreiche oder komplexe Tätigkeiten in viele | |
kleine Jobs aufsplitten, sind die einzelnen Arbeiter:innen leichter zu | |
ersetzen. Denen wiederum ist das wohl bewusst: Konkurrenzkampf ist einer | |
der Punkte, denen die Befragten mit am häufigsten kritisieren. | |
Außerdem unter den am meisten genannten Problemen: unbezahlte Zusatzarbeit, | |
die häufig anfällt, und die fehlende soziale Absicherung. Dementsprechend | |
wünschen sie sich gleichermaßen eine Regulierung der Plattformarbeit und | |
einen Plattform-TÜV, eine Interessenvertretung und eine soziale | |
Absicherung. Denn dass es die nicht gibt, ist Kalkül der Plattformen und | |
der Unternehmen, die über sie Aufträge vergeben: Sie können diesen Teil des | |
unternehmerischen Risikos einfach auf die Arbeiter:innen auslagern. Diese | |
Probleme könnten auch Ursachen dafür sein, dass mit 58 Prozent die Mehrheit | |
die Plattformarbeit nicht als Bestandteil des künftigen beruflichen | |
Werdegangs sieht. | |
8 May 2019 | |
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[1] /Crowdworker-in-Deutschland/!5524633 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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