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# taz.de -- Berliner Wochenkommentar II: Kostenfreie Bitte um Verzeihung
> Bei der feierlichen Übergabe von Gebeinen der Herero und Nama gab es
> viele Entschuldigungen. Nur die alles Entscheidende fehlt bis jetzt.
Bild: Jetzt zurückgegeben: Namenloses Opfer, nur mit Inventarisierungsnummer v…
Es wurde sich viel entschuldigt in dieser Woche. Den Anfang machte am
Montag Berlins Justizsenator Dirk Behrendt bei seinem Treffen mit
Vertretern von Herero und Nama aus Namibia. „Ich kann und will um eine
Entschuldigung bitten“, sagte der Grüne zu den Nachfahren der Opfer des
ersten Genozids im 20. Jahrhundert, der von deutschen Truppen in der
damaligen Kolonie Deutsch-Südwest begangen wurde.
Weiter ging es am Mittwoch beim Gedenkgottesdienst anlässlich der Rückgabe
sterblicher Überreste an die Namibier: Bischöfin Petra Bosse-Huber
entschuldigte sich im Namen der Evangelischen Kirche Deutschlands, dass
damals auch Geistliche, wie sie sagte, mit der „theologischen
Rechtfertigung von imperialem Machtmissbrauch und kolonialer Herrschaft den
Boden für den Tod vieler Tausender Angehöriger der namibischen Volksgruppen
vorbereitet“ haben. Dafür bitte sie „aus tiefstem Herzen um Vergebung“.
Sogar die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Michelle Müntefering (SPD),
die die Gebeine schließlich an ihre namibische Amtskollegin übergab,
entschuldigte sich. Zwar könne man die „Gräueltaten“ der Vorfahren nicht
ungeschehen mache. Sie bitte aber „aus tiefsten Herzen um Verzeihung“.
Letzteres war zweifelsohne ein Fortschritt. Noch 2011 hatte sich
Münteferings Amtsvorgängerin Cornelia Pieper (FDP) bei der ersten
Gebeinübergabe geweigert, diesen Schritt zu tun.
Doch etwas Entscheidendes fehlt weiterhin. Und die Namibier warten darauf
ungeduldig, das wurde bei der Veranstaltung im Französischen Dom bei allen
Reden der Afrikaner deutlich: erstens eine Entschuldigung im Rahmen eines
offiziellen Bekenntnisses der Bundesregierung – und zwar von höchster
Stelle; zweitens die Anerkennung der Verbrechen als das, was sie waren:
Völkermord; drittens Reparationen.
Es bedarf keiner großen Fantasie, um zu ahnen, dass es an Letzterem hängt,
dass die Bundesregierung zu den ersten beiden Punkten bislang nicht bereit
ist. Doch in diesen sauren, teuren Apfel müssen die Deutschen früher oder
später ohnehin beißen – warum nicht jetzt? Den deutsch-namibischen
Versöhnungsgesprächen, die nach allem, was man hört, ebenfalls bei diesen
Streitfragen haken, wird diese permanente Verweigerung nicht gerade
förderlich sein.
Das bedeutet nicht, dass es wohlfeil ist von Behrendt und Huber, sich zu
entschuldigen, weil es sie eben nichts kostet. Aber den Namibiern hilft das
de facto wenig – ohne die eine Entschuldigung können sie sich nichts dafür
kaufen.
1 Sep 2018
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Deutscher Kolonialismus
Genozid
Namibia
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama
USA
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Afrika
Deutscher Kolonialismus
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