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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Hässlichkeit im Hass
> Manchmal ist es sehr fruchtbar, sich bei Ereignissen wie in Chemnitz dem
> nachrangigen Aspekt der Ästhetik zu widmen, der so nachrangig gar nicht
> ist.
Bild: Wieso kann ich dem Kind erfolgreich einreden, Windräder dienten als Prop…
Auf Facebook schreibt die wunderbare Schauspielerin Nermina Kukic: „Ich
sag’s ganz ehrlich: Ich habe bei diesen politischen Dingen, die uns hier so
begegnen, auch ganz klar ein ästhetisches Problem.“ Endlich, denke ich,
sagt’s mal eine. Es ist alles nicht schön.
Nun ist Ästhetik bei den Dingen, die uns begegnen in Chemnitz oder
anderswo, gewiss das geringste Problem. Manchmal ist es aber sehr
fruchtbar, das große Ganze in seiner ganzen großen Beschissenheit einfach
mal stehen zu lassen – und sich dem nachrangigen Aspekt der Hässlichkeit zu
widmen, der so nachrangig gar nicht ist.
Er ist vielmehr wesentlich, also dem Wesen der in Chemnitz und anderswo
auftretenden Gestalten eigen. Hass entstellt die menschlichen Züge. Die
Rede sei nicht von der Wahl der Drogen, einer offensichtlichen Mischung aus
Alkohol und Amphetaminen. Auch nicht von der Bekleidung, den bedruckten
Sweatshirts, gebleichten Jeans und tätowierten Kapuzenpullis. Sondern von
ganzen Physiognomien.
Es dominiert dort das Verhuschte und das Fleischereifachgeschäftliche, der
Stiernacken und, vor allem, eine tief in die Trillerpfeifengesichter der
Zukurzgekommenen eingegrabene und dort seit Jahren vor sich hin glimmende
Sehnsucht: „O, wenn ich doch nur könnte, wie ich wollte! Kann ich? Jetzt?“
Kann, wer wirklich ein „besorgter Bürger“ ist, seinen Blick mit
Wohlgefallen über diesen dystopischen Mob gleiten lassen und den Wunsch
hegen, sich da einzureihen? Bei der AfD selbst geht es etwas anders zu. Auf
Wahlkampfveranstaltungen regiert das Adrette, Anständige, Bürgerliche, die
eichenrustikale Gediegenheit des Eigenheimfaschismus.
Die AfD-Dame trägt jetzt ihr traditionelles Frauenbild spazieren, mit
Brosche, Pumps und hochtoupiertem Haupthaar; bei Adipositas versteckt sie
sich in einer aufgerüschten Bluse. Junge Frauen gibt es nicht.
Der AfD-Herr hingegen duftet nach Old Spice oder Schäferhund und kommt in
Slippern oder Sandalen angeschlurft, man sieht zuerst die eingewachsenen
Zehennägel. Bei mehr modischem Bewusstsein ist es ein schlecht sitzender
Anzug von C&A, wahlweise auch der lässig-koloniale „Out of Africa“-Look
deutschstämmiger Großgrundbesitzer in Namibia.
Junge Männer tragen T-Shirts mit dem Gesicht von Putin drauf, dessen
gummimaskenhafte Mimik sie bereits perfekt beherrschen. Alle sehen sie so
aus, als hätten sie einbetonierte Leichen im Keller oder noch die Absicht,
jemanden einzubetonieren.
Etymologisch wurzelt die Hässlichkeit im Hass, das leuchtet ein. Innerer
Hass tritt als äußere Hässlichkeit zutage, vermutlich durch die Poren. Und
diese Hässlichkeit ruft, als Abweichung vom Ideal der Schönheit, beim
neutralen Betrachter wiederum Hass hervor – und damit neue Hässlichkeit.
Ein Teufelskreis. Es ist nicht schön.
31 Aug 2018
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Chemnitz
Nazis
Ästhetik
Patriarchat
Starbucks
Schwerpunkt AfD
Wind
Fahren ohne Fahrschein
Mütter
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