# taz.de -- Proteste im Hambacher Forst: Gewaltsames Finale droht | |
> Hundertschaften durchsuchen das Camp von Tagebau-GegnerInnen und die | |
> mobilisieren UnterstützerInnen. Eine Eskalation scheint unausweichlich. | |
Bild: Steinwürfe und Verhaftungen: Der Konflikt zwischen Tagebaugegnern und Po… | |
„In Russland würde es so was nicht geben“, sagt der Taxifahrer auf dem Weg | |
in den Hambacher Forst. „Das ganze Anrücken, Abrücken. Da kommt die Polizei | |
einmal, und dann ist es vorbei.“ Der Dürener Fahrer lebt seit 30 Jahren in | |
Deutschland. Das Geschehen in dem berühmten Wald scheint er eher | |
pragmatisch zu sehen und fügt hinzu: „Wobei, Russland ist keine Demokratie. | |
Ohne Demokratie geht das schneller.“ | |
Im seit 2012 [1][besetzten Hambacher Forst] könnte sich jetzt zeigen, wie | |
langsam eine Demokratie arbeiten muss. Die Immensität der Gewalt, die sich | |
hier anbahnt, scheint kaum noch zu verhindern. Das vergangene Wochenende, | |
an dem mehrere Hundertschaften im Einsatz waren, um RWE-MitarbeiterInnen | |
Geleitschutz bei der Beseitigung von Blockaden zu geben, und an dem | |
PolizistInnen mit Steinschleudern verletzt und mit Böllern wie | |
Molotowcocktails beschossen wurden, liefert nur eine Ahnung von dem, was da | |
kommen mag. | |
Ab dem 1. Oktober [2][darf RWE wieder roden]. Es geht um das letzte | |
Waldstück. Und um dieses dem Erdboden gleichzumachen, muss die Besetzung | |
komplett beseitigt werden. Die Aachener Polizei bereitet einen riesigen | |
Einsatz vor. „Die Polizei in Aachen fordert Verstärkung an, so wie sie sie | |
braucht“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen | |
(NRW) der taz. | |
„Wie viele Beamte genau eingesetzt werden, kann man jetzt noch nicht sagen, | |
dafür ist die Lage zu dynamisch.“ Bei anderen Großeinsätzen in NRW seien | |
schon 5.000 bis 6.000 BeamtInnen im Einsatz gewesen. | |
## Angespannte Stimmung | |
Aus dem besetzten Wiesencamp, das noch im Frühjahr wie ein Ferienlager | |
wirkte, ist die Freude gewichen. Noch dürfte die Zahl der BesetzerInnen | |
dreistellig sein, aber jeden Tag werden sie mehr. „Man merkt, wie | |
angespannt die Stimmung ist“, sagt einer von ihnen. Neben | |
UmweltaktivistInnen machen auch die BewohnerInnen benachbarteer Dörfer | |
mobil, die dem Tagebau ebenfalls weichen sollen. | |
Am Dienstag trafen Hundertschaften für eine Durchsuchung der Wiese ein. | |
Laut Polizeiangaben ging es dabei um Beweise für kürzlich begangene | |
Straftaten und Gegenstände, die zur Vorbereitung solcher benutzt werden | |
könnten. | |
Die Frage ist jetzt: Lässt sich eine gewaltsame Eskalation noch verhindern? | |
Und wenn ja, wie? Fakt ist: Rechtlich darf RWE roden. Fakt ist auch: Die | |
BesetzerInnen werden nicht weichen. Am Montag luden die Spitzen großer und | |
kleiner Umweltverbände auf einer Wiese am Hambacher Forst zu einer | |
Pressekonferenz und übernahmen Patenschaften für die Bäume. | |
Sie wollen, dass [3][die Konfrontation – wenn nicht abgewendet – so | |
wenigstens aufgeschoben] wird. Greenpeace, der BUND, der Landesverband für | |
Erneuerbare Energien, die Naturfreunde Deutschlands sowie die | |
AnwohnerInnen-Organisation Buirer für Buir bitten die Politik, RWE dazu zu | |
bewegen, mit der Räumung zu warten. | |
## Umweltverbände wollen Zeit | |
Die Verbände beteiligen sich in der von der Bundesregierung im Juni | |
eingesetzten Kohle-Ausstiegskommission und finden: Man dürfe keine | |
unumkehrbaren Fakten schaffen, bis die kommissionelle Arbeit im Winter | |
beendet sei. „Wir glauben nicht, dass die Kommission ohne Störungen | |
arbeiten kann, wenn hier gleichzeitig der Hambacher Wald gerodet wird“, | |
sagte Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace. | |
Was die Umweltverbände wollen, ist Zeit. Dabei berufen sie sich auf eine | |
Kleine Anfrage der Grünen. Aus der Antwort der NRW-Landesregierung geht | |
hervor, dass RWE für den planmäßigen Abbau 2018/19 etwa 80 bis 100 Hektar | |
Land benötigt – die Fläche zwischen Restwald und Tagebau beträgt aber 150 | |
Hektar. Es sei dem Konzern also möglich, die Rodung ohne Verluste | |
aufzuschieben, erklären die Verbandsvertreter einhellig. | |
Daran bestehe ihrer Ansicht nach aber kein Interesse, im Gegenteil: RWE | |
lege es darauf an, dass die Umweltverbände sich im Falle einer Rodung aus | |
der Kommission zurückzögen und diese platze. Außerdem gehe es RWE darum, | |
die Entschädigungssumme im Falle eines Kohleausstiegs hochzutreiben. | |
RWE sieht das anders: Entscheidend für die Rodung seien | |
Sicherheitsabstände, die gewahrt werden müssten, sagt Sprecher Lothar | |
Lambertz der taz. „Dass RWE in diesem Herbst Rodungen vornehmen muss, damit | |
dem Tagebau in Hambach nicht zeitnah die Kohle ausgeht, aus der 15 Prozent | |
des Stroms in NRW produziert werden, war öffentlich bekannt, noch weit | |
bevor die Kommission eingesetzt worden ist.“ In der Kommission sehe man | |
eine Chance, ein schwieriges Thema zu befrieden. | |
## Drei Möglichkeiten gegen eine Katastrophe | |
Wie kann angesichts dieser verhärteten Positionen noch verhindert werden, | |
dass es im Hambacher Forst zu einer Katastrophe kommt? Drei Möglichkeiten | |
gibt es. Erstens, RWE findet eine Möglichkeit, die Rodungen aufzuschieben. | |
Zweitens, die Landesregierung ändert die unter Vorbehalt erteilte | |
Genehmigung für die aktuelle Saison, sodass sie Rodungen ausschließt – RWE | |
hätte dann wahrscheinlich Anspruch auf Schadenersatz. | |
Drittens, das beim Oberverwaltungsgericht Münster anhängige Verfahren des | |
BUND wird rechtzeitig bearbeitet und die aufschiebende Wirkung einer | |
früheren Klage wiederhergestellt. | |
Für den Hambacher Forst allerdings sieht es in jedem Fall schlecht aus: Von | |
der Aachener Zeitung befragte Bergbauexperten stellen fest: Um die | |
Böschungen in kommenden Jahrhunderten stabil zu halten, müsse der Tagebau | |
selbst bei sofortiger Stilllegung um einige Hundert Meter in alle | |
Richtungen vergrößert werden. Vom Wald trennen ihn momentan noch etwa 300 | |
Meter. | |
28 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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