# taz.de -- 40 Jahre Braunkohlewiderstand: „Besetzer sind ein idealer Hinguck… | |
> Der Beginn des Widerstands gegen die Tagebaue im Rheinland jährt sich zum | |
> 40. Mal. Fast so lange ist der Waldpädagoge Michael Zobel dabei. | |
Bild: Gelebter Protest im Hambacher Forst | |
taz: Herr Zobel. kommen heute andere Leute zu den Protesten gegen die | |
Braunkohle im Rheinland als vor 40 Jahren? | |
Michael Zobel: Als ich 1980 in Aachen mit dem Geologie-Studium begonnen | |
habe, gab es bereits die [1][Hambach-Gruppe]. Das waren auch | |
Geologie-Studenten. Aber damals gab es keinen Widerstand, Braunkohle war | |
die Energiequelle überhaupt. Erst als die ersten Häuser abgerissen wurden, | |
haben die Menschen, die dort gewohnt haben, etwas getan. Heute haben wir | |
ein sehr breites Bündnis. Es gibt lokale Gruppen wie die „Buirer für Buir�… | |
die Initiative der Bergbaugeschädigten, Umweltverbände wie den BUND, | |
kirchliche Initiativen, selbst den Grünen fällt es wieder leichter, | |
Positionen zu zeigen, seitdem sie in NRW in der Opposition sind. | |
Am vergangenen Wochenende haben Sie das 40. Jubiläum der Aktionen in der | |
Region gefeiert. Wie war ’s? | |
Wir sind mit zwei Radtouren aus Köln und Aachen zum Tagebau gefahren – | |
insgesamt 300 Leute. Am Rand des Tagebaus haben wir ein | |
Regenbogen-Transparent entrollt. Wir wollten positive Bilder erzeugen, denn | |
im Moment werden die Aktionen im Wald mal wieder kriminalisiert. | |
300 Leute sind nicht wirklich viel. Haben all die Proteste also zu wenig | |
bewirkt? | |
Das Thema mobilisiert inzwischen schon einige Menschen, drei Tage zuvor | |
waren ja auch viele bei der [2][RWE-Hauptversammlung in Essen]. Seit vier | |
Jahren mache ich Touren im Hambacher Forst, daran haben bis jetzt insgesamt | |
rund 12.000 Menschen teilgenommen. Eigentlich gibt es das ganze Jahr über | |
Aktionen, bis im Oktober „Ende Gelände“ mit Tausenden Teilnehmern | |
stattfindet. Die Lage ist dieses Jahr besonders dramatisch. Vom Hambacher | |
Forst sind noch zehn Prozent übrig, RWE will dieses Jahr doppelt so viel | |
roden wie im vergangenen Jahr, weil damals die Rodung wegen juristischer | |
Gründe ausfiel. | |
Seit sechs Jahren leben auch Waldbesetzer im Hambacher Forst. Was hat diese | |
Besetzung gebracht? | |
Ohne die Menschen im Wald wäre das Thema nicht so präsent. Das ist der | |
größte Erfolg, den wir zu verzeichnen haben. Die Waldbesetzer sind der | |
ideale Hingucker. 2012, nachdem die erste Besetzung geräumt wurde, hat RWE | |
gedacht, dass das Thema erledigt sei. Heute sind mehr Menschen als je zuvor | |
im Wald. | |
Sie sind 59 Jahre alt, bei Aktionen wie „Ende Gelände“ sind vor allem | |
junge Aktivisten dabei. Wie hat das denn Protest verändert? | |
Als ich mit meiner Lebensgefährtin vor über vier Jahren zum ersten Mal in | |
den Forst kam, da waren die Reaktionen von den Menschen: Hey, was macht | |
jemand aus eurer Generation hier? Das hat mir erst mal einen Stich in die | |
Magengrube versetzt, aber dann habe ich ein bisschen nachgerechnet. Ich bin | |
ja mindestens dreimal so alt wie viele dort. Junge Menschen sind sehr | |
ungeduldig. Sie sagen: Dieser Welt geht es schlecht und die politischen | |
Entscheidungen brauchen viel zu lange. Außerdem haben sie sicherlich auch | |
noch mehr Energie, um in den Tagebau zu stürmen oder auf den Bagger zu | |
klettern. Das kann auch nicht jeder. | |
Der Protest gegen die Braunkohle war in NRW auch immer schwierig, weil es | |
gewichtige Fürsprecher wie die CDU, SPD, RWE oder die Bergbau-Gewerkschaft | |
IG BCE gab. Hat sich da bis heute etwas verbessert? | |
Da hat sich nichts verbessert. Die Frage ist ja, warum der lokale | |
Widerstand so gering ist. Das ist historisch gewachsen. In den meisten | |
Dörfern rund um den Tagebau gab es mal jemanden, der früher bei Rheinbraun | |
gearbeitet hat, der jetzt vielleicht bei RWE arbeitet. Der Sportverein | |
kriegt mit solchen Kontakten schon mal schneller eine neue Flutlichtanlage | |
und die Schule ist ein bisschen besser ausgestattet. Das passiert ganz | |
viel. Die IG BCE halte ich für eine der verknöchertsten und konservativsten | |
Gewerkschaften überhaupt. Sie schürt Ängste. Natürlich ist das Thema | |
Arbeitsplätze wichtig. Aber wenn die Bagger stillstehen, dann geht die | |
Arbeit doch erst los, weil der Tagebau rekultiviert werden muss. | |
Eine der ersten Schriften der Hambach-Gruppe hieß „Verheizte Heimat“. | |
Denken Sie, der Begriff ist für den Widerstand gegen die Braunkohle | |
nützlich? | |
Ich tue mich mit dem Begriff schwer, aber ich bin viel in den Dörfern | |
unterwegs, die ja weiterhin abgerissen werden sollen. Es ist schon | |
dramatisch, was dort mit den Leuten passiert. Ich rede mit ihnen und sie | |
fangen an zu weinen, weil sie ihr Haus verlassen müssen. Es ist merkwürdig. | |
Einerseits wird Identität eingefordert, auch durch das Heimatministerium, | |
was wir ja auch in NRW haben. Andererseits werden rund um den Tagebau viele | |
Menschen ihrer Heimat beraubt. | |
2 May 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Klimaprotest-im-Hambacher-Tagebau/!5457820 | |
[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1086652.rwe-hauptversammlung-vor-d… | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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