# taz.de -- Kommentar Prozess um § 219a: Verlieren heißt gewinnen | |
> Von der Bundesregierung ist eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes | |
> nicht zu erwarten. Doch das Bundesverfassungsgericht könnte helfen. | |
Bild: Kristina Hänel wünscht sich keinen Freispruch (Archivbild 2017) | |
Kristina Hänel wünscht sich keinen Freispruch. Die Ärztin gesteht, was man | |
ihr vorwirft: Sie informiert auf ihrer Webseite darüber, dass sie | |
Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Und sie will daran auch nichts ändern. | |
[1][Was sie ändern will, ist die Rechtslage]. Dass sie dafür inzwischen auf | |
das Bundesverfassungsgericht setzt und nicht auf die Politik, ist nur | |
nachvollziehbar. | |
Noch Anfang des Jahres sah es so aus, [2][als sei die Abschaffung von | |
Paragraf 219a ein Selbstläufer]; übrig geblieben ist davon nicht viel. Die | |
SPD bereitet sich verbal schon auf einen Kompromiss mit der Union vor. Die | |
aber hat bisher keine Einsicht erkennen lassen und will stattdessen | |
wahlweise die Pflichtberatung noch weiter ausbauen oder Listen etwa auf den | |
Seiten von Ämtern oder Ministerien einführen, ohne Paragraf 219a zu ändern. | |
Beides wären faule Kompromisse. Selbst eine Änderung im Strafrecht, wonach | |
nur noch anstößige oder reißerische Werbung unter Strafe stünde, wäre kaum | |
befriedigend: Ärzt*innen wären weiterhin den Anzeigen fundamentalistischer | |
„Lebensschützer“ ausgesetzt, die mitunter Abtreibungen [3][mit dem | |
Holocaust gleichsetzen]. Anstößigkeit scheint für diese Menschen eine | |
dehnbare Kategorie zu sein. | |
Perspektiven auf Informationen zum Schwangerschaftsabbruch. Interviews des | |
Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft | |
e.V. ([4][AKF]) mit Ärztinnen und interessierten Frauen: | |
Schwangerschaftsabbrüche gelten nach wie vor als „Straftaten gegen das | |
Leben“ – ebenso die sachliche Information durch eine Ärztin, dass sie diese | |
durchführt. Die Bundesländer müssen laut Gesetz sicherstellen, dass es | |
ausreichend Einrichtungen gibt, die Abbrüche durchführen. Die Ärzt*innen | |
erfüllen quasi einen Staatsauftrag, wie der Jurist Reinhard Merkel | |
anmerkte – sie dafür zu bestrafen ist absurd. | |
Die Chancen, dass auch das Bundesverfassungsgericht dies so sieht, stehen | |
gut. Und so wäre eine klare und endgültige Entscheidung aus Karlsruhe im | |
Zweifel zielführender als ein Irgendwie-Kompromiss aus Berlin. Für den | |
Gesetzgeber wäre es reichlich peinlich, sich derart von einem Gericht in | |
die gesellschaftliche Gegenwart tragen zu lassen – mal wieder. | |
28 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Geldstrafe-wegen-Abtreibungswerbung/!5466133 | |
[2] /Abschaffung-von-219a/!5463558 | |
[3] /Diskussion-um-Unwort-des-Jahres/!5468381 | |
[4] https://www.akf-info.de/portal/2018/08/26/perspektiven-auf-informationen-zu… | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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