# taz.de -- Linke Bewegung „Aufstehen“ online: Die PR ist gut, jetzt wird g… | |
> Was aus Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung wird, ist noch offen. Die PR | |
> ist aber schon mal gut gelungen. Sehr gut sogar. | |
Bild: „Hallo, hier bei mir sammelt sich die Linke! … Hallo! … Hallo? … … | |
BERLIN taz | Nada, Journalistin mit syrischen Wurzeln, sitzt auf einer | |
Parkbank. Sanfte Kamerafahrten, muntere Klaviermusik. Sie fürchte sich vor | |
dem Rechtsruck in Deutschland, sagt sie, und wünscht sich Politiker, die | |
„differenzierter reden.“ Die Gewerkschafterin Susi Neumann, einst mit | |
Sigmar Gabriel auf einer Bühne, erzählt in breitem Pottslang von jungen | |
Frauen, die nur Sechsmonatsverträge kennen und nicht wissen wie sie mal ein | |
Kind durchbringen sollen. | |
Ein junger Landschaftsgärtner („Ich bin SPD-Stammwähler“) fände es einfa… | |
gut, wenn Leute wie er mehr Geld bekommen würden. Ein schwarzer DJ plaudert | |
munter drauf los und erwähnt nebenbei, dass es schon seltsam ist, dass sich | |
seit dem Flüchtlingsherbst 2015 Leute in der U-Bahn von ihm weg setzen, | |
weil sie ihn für eineN Flüchtling halten. Ein jovialer Dorfbürgermeister | |
sorgt sich, dass Jüngere keine Lust mehr auf Kommunalpolitik haben. Ein | |
Pastor fürchtet, dass es gefährlich wird, wenn mehr „gegen den Islam | |
emotionalisiert“ wird. | |
Momentaufnahmen aus Deutschland 2018. Lebensnah, ohne gestanzte Formeln. | |
Kritisch, aber ohne Sozialkitsch. Das sieht aus wie ein Clip für eine | |
klassische Regenbogenkoalition – von der deutschen Rentnerin bis zur | |
migrantischen Journalistin. Oder wie SPD-Wahlwerbung, nur besser. | |
Doch dies ist der erste visuelle Auftritt von [1][Sahra Wagenknechts lange | |
angekündigter] und [2][immer wieder verschobener] Sammlungsbewegung, | |
[3][die nun „Aufstehen“ getauft ist]. In einem Monat, am 4. September, will | |
Wagenknecht ihre MitstreiterInnen vorstellen. Dann soll das Manifest der | |
Bewegung präsentiert werden. | |
## Der AfD-Sound ist nicht mehr drin | |
Erste Fassungen hatten noch einen deutlich AfD-nahen Sound. Als die zu | |
gründende Bewegung noch „fairland“ heißen sollte, wurde mehr „kulturelle | |
Eigenständigkeit“ und „Identität“ eingeklagt. In einer neueren Fassung,… | |
der taz vorliegt, fehlen solche Töne. Der „fairland“-Aufruf las sich | |
EU-skeptisch, in der neuen Fassung heißt es moderat: „Die Europäische Union | |
hat eine Perspektive als Schutz- und Gestaltungsraum, nicht jedoch als | |
Katalysator einer marktradikalen Globalisierung.“ | |
Offenbar soll die Sammlungsbewegung verbindlicher klingen und nicht mehr so | |
ressentimenthaft. Manches, etwa die Behauptung, dass Waffenexporte und | |
US-Kriege der wesentliche Grund für Migration aus dem Süden seien, liest | |
sich noch immer recht schlicht. Doch der Text hat nun einen eher | |
linkssozialdemokratischen Tonfall. | |
Wagenknecht kann bekanntlich auch anders. „Weltoffenheit, Antirassismus und | |
Minderheitenschutz sind das Wohlfühl-Label, um rüde Umverteilung von unten | |
nach oben zu kaschieren und ihren Nutznießern ein gutes Gewissen zu | |
bereiten.“ Das hatte Wagenknecht kürzlich in [4][einem Beitrag für die Welt | |
geschrieben]. Dieser Satz denunziert fast alle als Wasserträger des | |
Finanzkapitalismus – vom christlichen Flüchtlingsunterstützer über den | |
homosexuellen Aktivisten bis zum Linksliberalen, der abends bei Amnesty | |
International mitarbeitet. | |
## Euro zerschlagen? | |
Doch inzwischen scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass es nicht | |
besonders effektiv ist, mit Ressentiment-Sprüchen zu teilen, wenn man doch | |
sammeln will. Im Spiegel sagt Wagenknecht, dass die Migration „viel zu | |
stark ins Zentrum der Politik gerückt ist“. Vielleicht ist der Satz Taktik, | |
vielleicht Ausdruck der überfälligen Erkenntnis, dass es bei der | |
Migrationskritik auch Linken so geht wie Horst Seehofer: Am Ende profitiert | |
die AfD. | |
Wer will noch aufstehen? Zu den Stichwortgebern gehört der Dramaturg Bernd | |
Stegemann. Ein Spirtus rector des Projekts ist der Soziologe Wolfgang | |
Streeck, der [5][am Freitag in der FAZ eine gepfefferte Polemik] | |
veröffentlichte, die anders klingt als die moderate Aufruf-Fassung. Streeck | |
empfiehlt, wenn sich nichts radikal ändert, den Euro zu zerschlagen. | |
## Noch gibt es kaum Unterstützer | |
Die Grüne Antje Vollmer, früher Bundestagsvizepräsidentin, hat im Spiegel | |
zusammen mit Sevim Dağdelen und dem SPD-Linken Marco Bülow zudem einen | |
freundlichen Text über „Aufstehen“ verfasst. Doch insgesamt ist der Kreis | |
der Unterstützer übersichtlich. Dağdelen ist eine der wenigen | |
bedingungslosen Wagenknecht-Unterstützerinnen in der Linksfraktion, der | |
SPD-Linke Bülow gilt in der SPD-Fraktion als Soloplayer. Immerhin hat auch | |
der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, seit langem Aktivist für | |
Rot-Rot-Grün, vorsichtig Sympathien erkennen lassen. Weil „SPD, Linke und | |
Grüne es nicht geschafft haben, eine neue gestaltende Politik zu | |
entwickeln“ seien andere Wege vernünftig. Und als Warnung an Wagenknecht: | |
„Linke Bewegungen“ seien mit „Ressentiments gegenüber Minderheiten | |
unvereinbar“. | |
Mehr noch als das schmale Echo aus den SPD und Grünen muss Wagenknecht und | |
ihre Mitstreiter etwas anderes sorgen. Vergleichbare Bewegungen – wie | |
Momentum in Großbritannien, Podemos in Spanien, Syriza in Griechenland – | |
waren nur erfolgreich, weil sie von aktionsbereiten, agilen jungen Leute | |
getragen wurden. Mit älteren Professoren und Ex-PolitikerInnen wird das | |
nicht gelingen. „Aufstehen“ ist ja das Paradox einer Bewegung, die von oben | |
gegründet werden soll. | |
Die Inszenierung der „Aufstehen“-Website zeigt: Die MacherInnen von | |
„Aufstehen“ haben begriffen, dass sie zumindest ein anderes Image brauchen | |
– jünger, migrantischer, offener. | |
4 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Linke-Sammlungsbewegung/!5520446 | |
[2] /Sammlungsbewegung-hat-einen-Namen/!5526421 | |
[3] https://www.aufstehen.de/ | |
[4] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article178121522/Gastbeitrag-Warum-w… | |
[5] http://plus.faz.net/faz-plus/feuilleton/2018-08-04/9172571236b74557da58ae6d… | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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