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# taz.de -- Kommentar „Aufstehen“ und Außenpolitik: Linke Komplexitätsred…
> Wagenknechts Bewegung will mehr soziale Gerechtigkeit. Und macht in
> simpel gestricktem Anti-Imperialismus. Mehr gibt's außenpolitisch zurzeit
> nicht.
Bild: Muss außenpolitisch noch liefern: Sahra Wagenknecht
Berlin taz | Parteien kommen ohne ein außenpolitisches Programm nicht aus,
selbst wenn es ihnen vor allem um Innenpolitik geht. Das gilt auch für
Bewegungen, die einen umfassenden Veränderungsanspruch haben. Erst recht,
wenn sich ihre Mitglieder vorbehalten, in Parteien einzutreten.
Daher schreiben Vertreter der Sammlungsbewegung schon jetzt über
Außenpolitik, obwohl es der Bewegung vor allem um eine andere Wirtschafts-
und Sozialpolitik geht. Der emeritierte Direktor des Kölner
Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Wolfgang Streeck,
plädierte am Samstag in der FAZ dafür, „gemeinsame Interessen“ mit Russla…
zu „kultivieren“ – „einem Land, das befürchten muss, in der sich
abzeichnenden Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und China
zerrieben zu werden“.
Marco Bülow (SPD), Antje Vollmer (Grüne) und Sevim Dagdelen (Linkspartei)
fordern im Spiegel „die Rückkehr zur Friedens- und Entspannungspolitik und
die Rekonstruktion einer europäischen Sicherheitsarchitektur“ – auch das
ein Plädoyer für eine Kooperation mit Russland.
Wirklich überraschen kann das nicht: In der Linkspartei und im linken
Flügel der SPD gilt noch noch immer die Brandt'sche Entspannungspolitik als
Vorbild, die man auch mit Putin zum Erfolg führen möchte. Dass Rot-Grün in
seiner Regierungszeit sich erst am Kosovo-Krieg beteiligte und dann mit der
Agenda 2010 Sozialabbau betrieb, hat bei Linken innerhalb und außerhalb der
SPD den Eindruck bestärkt, dass eine wirtschaftsfreundliche Politik im
Inneren nicht ohne eine aggressive Außenpolitik zu haben ist – und so die
doppelte Sehnsucht nach Brandt hervorgerufen.
## Stellvertreterkriege
Der erste SPD-Kanzler der Nachkriegszeit steht für die fünf Jahre der
Sozialdemokraten, in denen Entspannungs- und keynesianische
Wirtschaftspolitik zusammenfielen. Sein Nachfolger Helmut Schmidt, der
Keynesianismus mit einer harten Innen- und Außenpolitik verband, war Linken
dagegen schon immer verdächtig. Dass die Sammlungsbewegung Anleihen bei ihm
nimmt, stand nicht zu erwarten.
Bemerkenswerter sind die Aussagen zum Syrien-Konflikt: „Die
Ausplünderungspolitik der reichen Industrienationen und die nicht enden
wollenden Stellvertreterkriege der US-Militärbündnisse sind neben den
Klimaveränderungen die Hauptursache für die weltweite Massenmigration“,
schreiben Bülow, Vollmer und Dagdelen. So sieht es jetzt schon die
Linkspartei.
Etwas origineller ist Streeck: „Trotzdem machen CDU und SPD die
geopolitischen Narreteien der orientierungslos gewordenen absteigenden
Supermacht nibelungentreu weiter mit: in Syrien durch migrationspolitische
Absicherung des Hinausziehens eines Krieges, den man nicht gewinnen kann
und deshalb nicht enden lassen will.“
## Der Westen ist schuld
Für Bülow/Vollmer/Dagdelen ist damit vornehmlich der Westen Schuld an den
weltweiten Fluchtbewegungen. Sie wecken die Illusion, man könnte sie
abstellen, wenn linke Bewegungen im Westen die Regierung übernähmen. Auch
der siebenjährige Krieg in Syrien zählt für sie zu den
US-Stellvertreterkriegen. Die iranische und russische Einmischung kommen
ebensowenig vor wie die Schüsse auf friedliche Demonstrationen und
Folterungen durch das Assad-Regime, die die Opposition in die Bewaffnung
getrieben haben.
Streeck vermutet sogar eine gewisse Absicht hinter der Aufnahme von
Syrien-Flüchtlingen durch die Bundesregierung: nämlich den Bürgerkrieg
durch das Abwandern der Zivilbevölkerung aus den Kampfgebieten zu
verlängern.
Man muss dem die Sichtweise eines großen Teils des linksliberalen Lagers
entgegenhalten, um zu verstehen, dass hier zwei Weltsichten, die nicht
miteinander kompatibel sind, aufeinandertreffen: Aus dessen Sicht haben die
USA unter Barack Obama einen weltweiten Rückzug aus dem Interventionismus
der Bush-Ära eingeleitet. Die Vereinigten Staaten hielten sich wie der
gesamte Westen aus dem syrischen Bürgerkrieg militärisch zunächst heraus –
in der Hoffnung, Assad werde innerhalb weniger Monate fallen.
## Keine Gemeinsamkeiten, kein produktiver Dialog
Auch als das nicht der Fall war, bewaffnete der Westen die Opposition eher
halbherzig. Erst das Aufkommen des IS, dem von Assad zunächst viel Raum
gelassen wurde, zwang die USA zum Eingreifen – gegen den IS, nicht gegen
das syrische Regime. Die Aufnahme der syrischen Flüchtlinge in Deutschland
war die Konsequenz daraus, dass man militärisch nicht handeln wollte und
den Krieg eskalieren ließ.
In diesem Herbst, in dem sich der syrische Krieg dem Ende zuzuneigen
scheint, wäre es an der Zeit, auf Kongressen Bilanz zu ziehen. Aber
zwischen Bülow und Streeck auf der einen Seite und Gruppen, welche die
syrische Opposition unterstützt haben wie „Adopt a Revolution“, gäbe es in
der Analyse keine Gemeinsamkeiten und deshalb auch keinen produktiven
Dialog.
Es gibt keine zwangsläufige Verknüpfung zwischen einer Politik für mehr
soziale Gerechtigkeit und einem simpel gestrickten Anti-Imperialismus.
Bewegungen müssen auch nicht zwangsläufig Komplexitätsreduktion betreiben.
Aber noch hat die Sammlungsbewegung außenpolitisch nichts anderes im
Angebot.
6 Aug 2018
## AUTOREN
Martin Reeh
## TAGS
Linke Sammlungsbewegung
Wolfgang Streeck
BSW
Syrischer Bürgerkrieg
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