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# taz.de -- Neues Album von Michaela Meise: Humanistin mit Akkordeon
> Gut, überraschend, ergreifend: Michaela Meise adaptiert auf ihrem Album
> „Ich bin Griechin“ Chansons von Mikis Theodorakis bis Alexandra.
Bild: Sie ist dann mal Griechin: Michaela Meise
Eine Stimme, eine Ziehharmonika, ein Text – das reicht. Mehr braucht
Michaela Meise meist nicht, um einige große Chansons aus der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts neu zu interpretieren.
„Ich bin Griechin“ hat die Künstlerin und Musikerin Meise ihr neues Album
genannt, darauf versammelt sie insgesamt neun Stücke – fünf von Mikis
Theodorakis und je eines von George Moustaki, den Chansonnières Alexandra
und Barbara sowie der rumänischen Sängerin Maria Tănase. Mit dem Titel
spielt Meise auf ein Album der griechischen Sängerin und Schauspielerin
Melina Mercouri („Je suis grecque“, 1971) an.
Michaela Meise, die in Berlin lebt, veröffentlichte 2011 bereits ein
Soloalbum („Preis dem Todesüberwinder“), auf dem sie Kirchenlieder mit dem
Akkordeon neu bearbeitete. Sie trat zudem als Gastsängerin bei Tocotronic
und beim Dirk-von-Lowtzow’schen Side-Projekt Phantom/Ghost in Erscheinung.
Als bildende Künstlerin stellte sie zuletzt unter anderem in Norwegen, den
USA und Österreich aus.
## Fremde als Feinde
Meises Adaptionen sind packend – und gehen einem sehr nah. Zum Beispiel
ihre Interpretation von „Asma Asmaton“, dem „Lied der Lieder“ aus der
Mauthausen-Kantate von Mikis Theodorakis (bei ihr heißt es „Hohelied“).
Ohnehin ein ergreifendes Stück Musik, singt Meise hier ganz reduziert, mit
fast kindlich anmutendem, hellem Gesang: „Ihr Mädchen von Auschwitz / Ihr
Mädchen von Dachau / Habt ihr meine Freundin nicht gesehen?“ Es ist – nicht
nur, aber auch in dieser Version – ein Lied, das einen wirklich einen
Augenblick aus dem Alltag reißt, einen innehalten lässt.
Nicht zu übersehen ist dabei, dass hier fast ausschließlich sehr politische
Stücke versammelt sind – die teils leider sehr aktuell sind. Bei Songs wie
George Moustakis „Le métèque“ (Ich bin ein Fremder) (1969) singt Meise
etwa: „Ich bin ein Fremder / den man hasst / und dessen Schnauze dem nicht
passt / der immer Angst vor morgen hat“, und das möchte man schon gerne dem
ein oder anderen vorspielen, der über Flüchtlinge in Stückzahlen denkt, als
wären sie Vieh.
Meise erinnert folgerichtig implizit an das verbindende Element der Musik
und der Geschichten, die diese erzählt. Als die französische Sängerin
Barbara 1964 das Lied „Göttingen“ sang – zunächst auf Französisch, sp�…
auf Deutsch –, war das ein klassischer Fall von Völkerverständigung auf
kulturellem Wege.
Wie Michaela Meise „Göttingen“ nun mit einer Stimme, die etwas natürlich
Melancholisches hat, singt, ist toll. Tief melancholisch ist auch
„Menschheit, Menschheit“, die von ihr frei übersetzte Fassung des Stücks
„Lume, Lume“ (1966) von Maria Tănase. Es geht um Lebensüberdruss,
Enttäuschung, Inhumanität: „Wann hab ich genug von dir / Schwester
Menschheit“.
Zum Glück, und da ist der guten Kuration dieser Liedsammlung gedankt, gibt
es auch noch etwas leichter klingende Stücke wie das einleitende „Der
lachende Junge“ oder Alexandras Chanson „Mein Traum vom Fliegen“ (1968) z…
Abschluss – das einzige Stück, das auch im Original auf Deutsch gesungen
wurde. Manchmal setzt Meise übrigens auch einen behutsamen Drumbeat zum
Akkordeon ein, mal einen Bass, mal ein Klavier, einmal fungiert Dirk von
Lowtzow als Co-Sänger.
Aber all dies sind kaum hörbare Stützen der Songs – Meise setzt insgesamt
auf die simple Kraft der Lieder, der Texte, der Stimme. Das ist durchaus
als politische Geste zu lesen. Als kleiner Beitrag für mehr Humanität.
Jetzt muss das Album nur noch die richtigen Leute erreichen.
9 Aug 2018
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Chanson
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Schwerpunkt Brexit
Monaco
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