| # taz.de -- Islamistische Gefährder: Irgendwie hochriskant | |
| > Der abgeschobene Sami A. wurde als Gefährder mit „hohem Risiko“ für | |
| > Gewalttaten eingestuft. Was das konkret bedeutet, ist nicht definiert. | |
| Bild: In diesem Bochumer Wohnblock soll der Islamist Sami A. gewohnt haben | |
| Freiburg taz | Der Streit um die Abschiebung und die Frage der Rückkehr des | |
| Tunesiers Sami A. wird auch deshalb so erbittert geführt, weil Sami A. von | |
| der Polizei als „hohes Risiko“ eingestuft wird. Tatsächlich ist aber völl… | |
| unklar, was die Polizei mit der Bezeichnung „hohes Risiko“ meint. Wie | |
| taz-Recherchen ergeben haben, ist der Begriff überhaupt nicht definiert. | |
| Sami A. ist von der Polizei schon lange als islamistischer „Gefährder“ | |
| eingestuft, einer von derzeit rund 800. Seit Februar 2017 unterteilt die | |
| Polizei die große Gruppe der Gefährder anhand ihres „Gewaltrisikos“ in dr… | |
| Untergruppen: „hohes Risiko“, „auffälliges Risiko“ und „moderates Ri… | |
| Sami A. landete in der Gruppe „hohes Risiko“. | |
| Auch wenn eine Definition jener Kategorien fehlt: Die Einstufung folgt | |
| einem wissenschaftlich fundierten Verfahren. Das Bundeskriminalamt hat es | |
| gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Forensische Psychologie“ der Uni Konstanz | |
| entwickelt. Das Risikobewertungsinstrument nennt sich Radar-iTE. Dabei | |
| erfassen Sachbearbeiter der Polizei 73 Kriterien zur Sozialisation, | |
| Einstellung zu Gewalt, zu psychischen Problemen und familiären Bindungen. | |
| Am Ende errechnet das System die Risikostufe. Bei Anis Amri, dem Attentäter | |
| vom Berliner Breitscheidplatz, berechnete das System nachträglich ein | |
| „hohes Risiko.“ | |
| Ist Sami A. also ein Mann, der einen Anschlag begehen wird, falls die | |
| Polizei ihn nicht daran hindert? Ist er eine „tickende Zeitbombe“? In der | |
| Öffentlichkeit wird das durchaus so wahrgenommen. Twitter-Nutzer | |
| FoersterJoerg etwa findet es „irre“, dass ein „Mann vom Kaliber Anis Amri… | |
| vor eventueller Folter geschützt wird und man „das sehr hohe Risiko eines | |
| Anschlags durch diese Person im eigenen Land in Kauf“ nimmt. | |
| Wie hoch ist aber nun das konkrete Risiko, dass eine Person aus der Gruppe | |
| „hohes Risiko“ tatsächlich einen Anschlag ausübt? Ist „hohes Risiko“ … | |
| Wahrscheinlichkeit von über 80 Prozent, von über 50 Prozent oder von über | |
| 20 Prozent? Auf der Suche nach Antworten denkt man etwa an die Erläuterung | |
| im Beipackzettel von Medikamenten. Dort wird erklärt, was in Bezug auf | |
| Nebenwirkungen die Begriffe „sehr häufig“, „häufig“, „gelegentlich�… | |
| „selten“ und „sehr selten“ bedeuten. „Häufig“ bedeutet hier zum Be… | |
| dass von der genannten Nebenwirkung „1 bis 10 von 100 Behandelten“ | |
| betroffen sind. | |
| Ähnlich klare Kriterien lässt eine Antwort des Bundeskriminalamts auf eine | |
| Anfrage vermissen: „Eine genaue ‚Definition‘ für die Begrifflichkeiten | |
| der drei Risikostufen gibt es nicht. Die Abstufung in drei Bereiche soll | |
| eher dazu dienen, Priorisierungsentscheidungen treffen zu können.“ „Hohes | |
| Risiko“ bedeutet also lediglich, dass das Risiko höher ist als in der | |
| Gruppe „auffälliges Risiko“. Und „auffälliges Risiko“ bedeutet nur ein | |
| höheres Risiko als in der Gruppe „moderates Risiko“. | |
| Präziser wären deshalb Formulierungen wie „hohe Priorität“, „mittlere | |
| Priorität“ und „niedrige Priorität“. Denn letztlich geht es bei dieser | |
| Einstufung um die Steuerung der begrenzten polizeilichen | |
| Überwachungsressourcen. Dagegen scheinen nicht fundierte, alarmistische | |
| Formulierungen wie „hohes Risiko“ eher zu irrationalen Diskussionen und zu | |
| kopflos-illegalen Handlungen der Politik zu führen. | |
| Die Wissenschaftler, die hinter dem Verfahren stehen, sind für die | |
| begriffliche Verwirrung offensichtlich nicht verantwortlich. Der Konstanzer | |
| Psychologie-Professor Jérôme Endrass sagte: „Die semantische Bezeichnung | |
| der Risikokategorien war/ist Teil der praktischen Implementierung und wurde | |
| nicht durch uns vorgenommen.“ | |
| 17 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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