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# taz.de -- Romanverfilmung „So was von da“: Heimatfilm auf Koks
> Jakob Lass hat den St. Pauli-Roman „So was von da“ von Tino Hanekamp
> verfilmt – authentisch und komisch, aber mit abgeschmackten Film-Tricks.
Bild: Filmisch ist noch Luft nach oben: Oskar und Pablo feiern die letzte Clubn…
HAMBURG taz | Es klingt wie ein Widerspruch: Eine Romanadaption, bei der
alle Szenen von den Darstellern improvisiert wurden. In der Regel versucht
ein Regisseur so viel wie möglich von den Worten des Autoren in die
Verfilmung hinüberzuretten, aber hier landeten alle Dialoge im Papierkorb.
2011 gelang Tino Hanekamp mit seinem Debüt „So was von da“ ein Bestseller.
Darin erzählte der Hamburger Autor von der letzten Nacht eines Hamburger
Clubs – aus der Perspektive des Besitzers. Denn Hanekamp selbst war
Mitgründer des Hamburger Clubs Weltbühne, der 2005 schließen musste.
Ein autobiografisches Buch also, dessen Autor wusste, wovon er schrieb: Das
Lebensgefühl der Clubgänger, Musiker und Künstler hat Hanekamp gut
eingefangen. Aber er ist auch kein Sven Regener, geschliffene Dialoge sind
nicht seine Stärke. Seine Protagonisten sollten möglichst natürlich und
spontan klingen – und da ist der Ansatz des Regisseurs Jakob Lass durchaus
einleuchtend.
In diesem Sinne ist „So was von da“ also überraschend werktreu. Dabei
schummelt Lass allerdings ein wenig, denn er arbeitet viel mit der
Erzählstimme seines Protagonisten Oskar – der spricht dann aus dem Off
Originalsätze aus dem Roman. Lass teilt die Handlung außerdem in Kapitel
ein, die Titel wie „Der tote Elvis“ oder „Die Tintenfischfrau“ haben und
den Film dann doch wie eine Romanverfilmung wirken lassen.
Hier scheint Lass seinen eigenen Mitteln nicht zu trauen. Dabei ist die
atmosphärisch intensive und authentische Inszenierung seine Stärke. Im
Hamburger Club Rakete ließ er vier Tage lang Partys feiern und seine
Darsteller dabei neben echten Gästen agieren.
Das St.-Pauli-Original Karl Heinz Schwensen spielt einen Ex-Zuhälter namens
Kiezkalle – also im Grunde sich selbst. Und wer im Film einen Musiker
verkörpert, kann auch wirklich Musik machen wie der Newcomer Mathias Bloech
und Bela B. Felsenheimer von den Ärzten. Die Konzertaufnahmen im Club – von
Punkrock bis zu einer romantischen Ballade – sind Lass überzeugend
gelungen.
Es passiert viel in dieser letzten Clubnacht. Oskar wird von Kiezkalle
unter Druck gesetzt und muss im Laufe der Nacht 10.000 Euro auftreiben –
sonst verliert er einen Finger. Sein bester Freund Rocky, Sohn eines
todkranken Rockstars und der Hamburger Innensenatorin ist erfolgreicher
Musiker geworden und leidet unter einer Identitätskrise. Außerdem taucht
plötzlich Oskars verflossene große Liebe Mathilda wieder auf und Nina aus
seiner Gang offenbart ihm auch noch, dass sie einen Hirntumor hat.
Mit so viel Erzählsträngen wird „So was von da“ zwangsläufig zu einem
Episodenfilm, bei dem die einzelnen Geschichten eher nebeneinander stehen
als ineinander aufgehen.
## Komische Antifa
Natürlich darf ein ordentlicher Drogenrausch nicht fehlen, aber dabei
bleibt Lass enttäuschend konventionell, indem er die Stilmittel kopiert,
die in Genrefilmen aus Hollywood gängig sind. Eine Traumvision, in der
Oskar seiner Mathilda von der Bühne herunter einen Heiratsantrag macht, ist
auch alles andere als originell. Und wenn Oskar sich mit einem Freund in
einer überschwemmten Toilette übermütig balgt, ist das eher bemüht als
spritzig und man wundert sich darüber, wie schnell ihre Kleidung wieder
trocken wird.
Andere Episoden sind besser gelungen. So bleibt etwa die Hamburger
Innensenatorin im Fahrstuhl des Clubs stecken und ordert einen
Polizeieinsatz an, um daraus befreit zu werden. Corinna Harfouch schimpft
schön bissig und komisch in dieser Rolle und ihr fällt dann auch der beste
improvisierte Satz des Films ein, der ihre Figur präzise auf den Punkt
bringt: „Ich will Sie nie wieder in meiner Nähe sehen!“, herrscht sie einen
ihrer Bediensteten an, der das Pech hatte, mit ihr im Fahrstuhl eingesperrt
zu werden.
Beim Auftritt der Band von Oskars bestem Freund Rocky kommt es zu einer
Schlägerei auf der Bühne, bei der der Musiker schließlich seine
zerschlagene Gitarre in der Hand hält wie einst Jeff Beck in Antonionis
„Blow up“. Egal, ob dies nun ein Zitat ist – es ist ein schöner Moment im
Film.
## Verzerrte Stimmen
Komisch ist auch die Drohung mit der Antifa, mit der die Freunde von Oskar
den Schlägertrupp von Kiezkalle in die Flucht schlagen wollen – in solchen
Momenten ist „So was von da“ ein netter Hamburger Heimatfilm.
Jakob Lass ließ zwar bei den Dreharbeiten die Darsteller improvisieren,
aber stilistisch ist sein Film alles andere als Freestyle. So sind etwa
Farbdramaturgie und Lichtsetzung oft hochdramatisch eingesetzt. Es gibt
etwa Sequenzen mit extremem Gegenlicht, bei denen von den Figuren nur noch
die Konturen zu erkennen sind. Und Lass hat viel Arbeit in die
Postproduktion gesteckt, arbeitet oft mit Jump- und Stopcuts, bricht also
die klassischen Schnittregeln, indem er in einer Einstellung nach vorne
springt oder das Bild kurz einfrieren lässt.
Gern benutzt Lass auch die Split-Screen-Technik, bei der das Filmbild
geteilt wird und man entweder parallel laufende Handlungen gleichzeitig
oder eine aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen kann. Selbst die
improvisierten Dialoge verfremdet er zum Teil, indem er die Stimmen
verzerrt. Dies sind Stilmittel eines Kinos, das eher subjektiv als
realistisch erzählt, also die Figuren eher über ihre Empfindungen als durch
ihre Handlungen definiert.
Niklas Bruhn hat die Hauptrolle vor allem deshalb bekommen, weil er Tino
Hanekamp so ähnlich sieht, aber er spielt in seinem Filmdebüt den Oskar
souverän als melancholischen Hedonisten. Dank ihm hat die Figur Charme und
Tiefe – obwohl das Drehbuch ihn wie ein Stehaufmännchen durch die Nacht
hetzen lässt.
16 Aug 2018
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
St. Pauli
Romanverfilmung
Autobiografie
Episodenfilm
Nachtleben
Filmfestival
Offene Gesellschaft
Hörspiel
Theater
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