# taz.de -- Fördermittel für Stasi-Gedenkstätte: Völlig neue Horizonte | |
> Hohenschönhausen bekommt fünf Millionen Euro, um über linksmilitante | |
> Gewalt zu forschen. Nähe zur AfD weist die Berliner Gedenkstätte zurück. | |
Bild: Die Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen | |
BERLIN taz | Fünf Millionen Euro [1][stellt der Bund überraschend bereit] | |
„zur Aufklärung von Argumentations- und Aktionsfeldern des gewaltbereiten | |
linken Extremismus, der Erforschung der Ursachen linksmilitanter Gewalt | |
sowie der Prävention“. Alleinige Empfängerin des Geldes aus dem Programm | |
„Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums soll die | |
Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen sein. | |
Das abnehmende Interesse an der DDR-Vergangenheit sowie Sorge um | |
perspektivisch versiegende Geldquellen mögen Anlass für den Leiter der | |
Gedenkstätte, Hubertus Knabe, gewesen sein, sein Betätigungsfeld zu | |
erweitern. Im Moment erhält die Gedenkstätte noch einige weitere | |
projektbezogene hunderttausend Euro vom Bund und neuerdings eine Zulage von | |
1,4 Millionen Euro für die Erstellung eines Registers der Opfer des | |
Stalinismus. Die institutionelle Förderung in Höhe von jährlich 4,8 | |
Millionen Euro wird jeweils zur Hälfte vom Land Berlin und dem | |
Staatsministerium für Kultur des Bundes getragen. | |
Fünf Millionen Euro zusätzlich eröffnen nun völlig neue Horizonte: ein | |
neues Gebäude auf dem Gelände vielleicht und dazu Dutzende Stellen für | |
engagierte KämpferInnen gegen den Linksextremismus. Ein Sprecher der | |
Gedenkstätte erklärte gegenüber der taz, dass man „gern die Erforschung der | |
Ursachen und Erscheinungsformen des Linksextremismus verbessern und | |
zugleich die Präventionsarbeit ausbauen“ wolle. Er betonte jedoch, dass | |
dabei „alle Formen extremistischen, anti-demokratischen Denkens | |
thematisiert werden sollen“. | |
Der Gedenkstätte scheint hier eine Ergänzung zum Göttinger Institut für | |
Demokratieforschung vorzuschweben. Die Niedersachsen legen ihren | |
Schwerpunkt nicht zuletzt wegen mangelnder empirischer Notwendigkeit | |
traditionell eher weniger auf Linksextremismus. Auch das Dresdener | |
Hannah-Arendt-Institut, lange Zeit Speerspitze der Extremismustheorie, | |
konzentriert sich vor allem auf die NS-Forschung. | |
Die verbliebene Leerstelle muss für die Union im Bundestag recht | |
schmerzhaft sein, weshalb sie eine jährliche Förderung für Hohenschönhausen | |
avisierte. Das wiederum überzeugte ihre Koalitionspartner nicht – die | |
SPD-VertreterInnen ließen in der Haushaltsbereinigung Ende Juni fürs erste | |
nur einmalig die fünf Millionen durchgehen, gebunden an das Programm | |
„Demokratie leben“. | |
Die Zweifel begründet die SPD-Abgeordnete Svenja Stadler etwa mit den | |
ungeklärten Vorwürfen einer rechten Unterwanderung im Umfeld der | |
Gedenkstätte. Vor Kurzem trennte sich die Stiftung von einem Mitarbeiter, | |
der den Holocaust verharmlost hatte. Dazu legte Knabe die Zusammenarbeit | |
mit dem Förderverein der Gedenkstätte auf Eis. Dort wiederum [2][eskaliert | |
derzeit ein Streit] über AfD-Nähe und die regelmäßige Autorenschaft des | |
Vorsitzenden, Jörg Kürschner, für die Rechtspostille Junge Freiheit. | |
Unter diesen Umständen nimmt es nicht Wunder, dass Hubertus Knabe in der | |
vergangen Woche jede Nähe der Stiftung zur AfD entschieden zurückwies. Ob | |
diese Distanzierung den Trägern in Bund und Land genügt, ist jedoch | |
fraglich. Das Staatsministerium zum Beispiel begrüßt zwar die Trennung vom | |
Förderverein, erklärt gegenüber der taz jedoch: „Weitere Aufklärung ist | |
allerdings geboten und notwendig“, und spielt den Ball an das Land Berlin, | |
das die Rechtsaufsicht über die Gedenkstätte hat. | |
## Stiftungszweck extrem weit ausgelegt | |
Kultursenator Klaus Lederer, Vorsitzender des Stiftungsrates, hatte derweil | |
von der Millionenförderung bis zu einem Bericht der taz keine Kenntnis und | |
konnte Ende vergangener Woche zu den Plänen der Gedenkstätte nur mitteilen: | |
„Dem Stiftungsrat sind keinerlei konzeptionelle Überlegungen für ein | |
Forschungszentrum bekannt.“ Die zweite Vertreterin des Landes im | |
Stiftungsrat, Justizstaatssekretärin Martina Gerlach, ist im Urlaub. Auch | |
der Beirat der Stiftung hat keine Kenntnis von den Plänen. | |
Die Bekanntgabe neuer Projekte gegenüber den Aufsichtsgremien erst nach | |
Bewilligung ist ein durchaus übliches Verfahren der Gedenkstätte. In diesem | |
Fall kann es jedoch nach hinten losgehen. Der Stiftungszweck, die | |
Aufarbeitung der Verbrechen des SED-Regimes, wird mit einer Förderung für | |
Linksextremismusprävention in dieser Höhe schließlich extrem weit | |
ausgelegt, wenn nicht sogar verletzt. Und selbst bei der Erledigung der | |
eigentlichen Aufgabe der Stiftung scheint der Berliner Senat erhebliche | |
Zweifel an der Kompetenz in Hohenschönhausen zu haben. Der Betrieb eines | |
neuen Lernortes in einem ehemaligen DDR-Polizeigefängnis wurde gerade erst | |
anderweitig vergeben. | |
13 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Bundesmittel-zur-Extremismuspraevention/!5524153 | |
[2] /AfD-und-Diktaturgedenken/!5511676 | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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