# taz.de -- Kolumne „Durch die Nacht“: Echt nicht zu heiß zum Clubben | |
> Der Trend zur Open-Airisierung und Gartifizierung hält an: Clubben in | |
> Berlin ist inzwischen wie ein Ausflug an einen Brandenburger See. | |
Bild: Hier will jedeR rein: Eingang zum Berghain. Aber haben die echt einen Swi… | |
Hätten sich deutsche Bauern auf den Klimawandel und zunehmende Hitzesommer | |
so eingestellt wie Berliner Clubbetreiber, müssten sie jetzt nicht um Hilfe | |
des Staates betteln. Die Open-Airisierung und Gartifizierung der | |
hauptstädtischen Clubszene ist schon seit Jahren zu beobachten und in | |
diesem Megasommer fährt sie in Anbetracht dieser Entwicklung – sorry, | |
Landwirte! – ihre Ernte ein. | |
„Viel zu heiß zum Clubben“, diesen Satz höre ich eigentlich von niemandem. | |
Die Angst vor einem Kreislaufkollaps in unbelüfteten Räumen, in denen es | |
riecht wie in einer Fußballer-Umkleide nach dem Spiel, gibt es beim | |
Partygang nicht. Die Leute gehen lieber gezielt in das [1][://about blank], | |
wenn dort der Garten geöffnet ist. Und im Hof vom Mensch Meier ist | |
natürlich auch mehr los als drinnen, wo einem die Schwüle den Atem zu | |
nehmen droht. Clubben in Berlin ist inzwischen wie ein Ausflug an einen | |
Brandenburger See. | |
Wenn ich bedenke, wo die Berliner Club- und Techno-Kultur eigentlich | |
herkommt, nämlich aus finsteren, fensterlosen Löchern wie dem ehemaligen | |
Tresor, erscheint mir die fortschreitende Balearisierung der Szene schon | |
bemerkenswert. Einst war hier Techno der passende Sound zum harten | |
Großstadtbeton, jetzt erklingt er aus der Gartenlaube. | |
Die [2][Bar 25] hatte es vorgemacht, dass man auch an der Spree tanzen kann | |
wie im Urlaub am Strand. Inzwischen fühlt sich diese Caipirinha-Stimmung in | |
den Clubs der Stadt ganz selbstverständlich an. Falls es wirklich stimmen | |
sollte, dass man in Berlin dank des Klimawandels bald kaum noch Wollpullis | |
braucht und die T-Shirt-Monate zunehmen, können die Clubs ihren | |
Indoor-Betrieb irgendwann ganz einstellen – und nur noch ihre Gärten, | |
Terrassen und sonstige Open-Air-Gegebenheiten öffnen. | |
## Durchschnittstemperaturen wie im Death Valley | |
Das Nachsehen hat da ausgerechnet ein Laden wie das [3][Berghain]. Kein | |
Garten, keine Terrasse, das ist eigentlich ziemlich Neunziger. Gut, Berlins | |
Spitzenclub wird auch ohne angeschlossenen Frischluftbereich immer voll. | |
Und das wird wohl auch noch so bleiben, falls wir einmal | |
Durchschnittstemperaturen wie im Death Valley haben sollten. | |
Aber es kursiert ja das hartnäckige Gerücht, dass sich auf dem Dach des | |
Berghains ein Swimmingpool befinden soll. Wenn dem tatsächlich so sein | |
sollte, würde ich dringend empfehlen, diesen langsam mal für die Besucher | |
zu öffnen. Diese Maßnahme würde den Laden jedenfalls in einem Sommer wie | |
diesem noch attraktiver machen. Auf die Formen, die ein derartiger Badespaß | |
im Hedonismus-Tempel annehmen würde, wäre ich gespannt. | |
Ich frage mich zudem, wie die neue „Heißzeit“, die uns ja jetzt eventuell | |
droht, den Sound of Berlin verändern wird. Berlin-Techno ist ja nicht | |
umsonst dunkel, grummelig und hart. Also ein wenig so wie bislang die | |
längste Zeit des Jahres über das Berliner Wetter. | |
Droht uns jetzt als neuer Trend eine Schwemme an Balearic-House, wo die | |
Beats warm sind wie Sonnenstrahlen, die einem die nackten Füße kitzeln, und | |
der nicht ohne Grund in Ibiza entstanden ist? Oder wird sich Techno bald | |
anhören wie dieses überdrehte EDM-Zeugs, das sie inzwischen am liebsten | |
beim Spring Break in den USA spielen und zu dem man sich ständig eine | |
Bierdusche verpassen oder beim nächsten Wet-Shirt-Contest teilnehmen | |
möchte? | |
12 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://aboutparty.net/ | |
[2] https://www.bar25.de/ | |
[3] http://berghain.de/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
## TAGS | |
Kolumne Durch die Nacht | |
Berghain | |
Clubszene | |
Berlin Brandenburg | |
Polizei Berlin | |
Protestbewegung | |
Lärm | |
Berghain | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne „Durch die Nacht“: Ein Angriff auf den Hedonismus | |
Es wird gefährlicher in den Clubs. Das legt eine Statistik nahe, über die | |
man diskutieren könnte … Ein FDP-Mann fordert daher mehr Razzien – wegen | |
Drogen. | |
Feiern als Form des Protests: Beats für eine bessere Welt | |
In London, Berlin, Hamburg und Tiflis bringen Demonstrierende ein Konzept | |
zurück, das es früher schon gab: die Protestparty. Bringt das was? | |
Clubs in Berlin: Eine Million für Lärmschutz | |
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) will heute ein Förderprogramm für | |
Club-Lärmschutz durch den Parlamentsausschuss bringen. | |
Berghain-DJ Fiedel im Gespräch: „Es schlägt, schlägt, schlägt“ | |
Fiedel ist DJ im Berliner Club Berghain und betreibt das Killasan | |
Soundsystem. Ein Gespräch über die Wärme von Bassboxen und die richtige | |
Lautstärke. | |
Initiator über Club-Bündnis gegen Rechts: „Nein, AfD, nicht mit uns“ | |
Mehr als 170 Berliner Clubs wollten die „AfD wegbassen“. Initiator Anias | |
Stier über den notwendigen Protest. „Wir haben keinen Bock mehr auf die | |
rechte Scheiße“, sagt er. |