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# taz.de -- Bedeutung des Urteils zu Xavier Naidoo: Antisemitismus beim Namen n…
> Das Landgericht Regensburg beschließt, dass der Sänger Xavier Naidoo
> nicht Antisemit genannt werden darf. Ein Urteil mit gefährlicher
> Symbolkraft.
Bild: Mehr als nur ein schlechter Sänger: Xavier Naidoo
Xavier Naidoo [1][spricht bei Treffen von sogenannten „Reichsbürgern“],
übernimmt in seinen Liedern Wordings der neuen Rechten und reproduziert
judenfeindliche Stereotype. Doch ist Naidoo ein Antisemit? Niemals.
Zumindest darf man ihn künftig nicht mehr als einen bezeichnen. So lautet
[2][das Urteil des Landgerichts Regensburg vom vergangenen Dienstag]. Das
Urteil hat noch keine Rechtskraft. Geklagt hatte der Sänger der Band „Söhne
Mannheims“ gegen eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung, die noch in
Berufung gehen kann.
Diese hatte im vergangenen Jahr vor Publikum gesagt: „Er ist Antisemit, das
ist strukturell nachweisbar.“ Laut Richterin Barbara Pöschl konnte die
Referentin ihre Vorwürfe nicht belegen. Zwar handele es sich bei der
Aussage der Referentin, um eine Meinungsäußerung, doch hier überwiege das
Persönlichkeitsrecht des Sängers. Richterin Pöschl verkündete in ihrer
Urteilsverkündung, dass Naidoo nicht „in seinem ganzen Tun und Denken als
Antisemit einzustufen ist“.
Gerade diese Argumentation verdeutlicht, wie schwierig das Urteil ist. Es
wirft die Frage auf: Ist jemand ein*e Antisemit*in, wenn er oder sie etwas
Antisemitisches sage? Wer das bejaht, muss demnach auch Menschen, die etwas
Rassistisches oder Sexistisches sagen, als Rassist*innen oder Sexist*innen
bezeichnen. Doch wer bitte sind die Menschen, die noch nie einen
stereotypen Witz erzählt haben? Die sich immer einmischen, wenn sie
diskriminierendes Verhalten sehen? Die noch nie eine PoC für ihr gutes
Deutsch gelobt haben oder sie gefragt haben, woher sie „wirklich“ kommen?
Menschen, die noch nie jemanden diskriminiert haben, durch Gedanken, Worte
oder Taten, gibt es nicht. Sie dann als Rassist*innen, Sexist*innen oder
Antisemit*innen zu bezeichnen, ist richtig, denn es zeigt auf, wie
ganzheitlich und strukturell diese Diskriminierungsformen sind. Denn
Diskriminierung ist nie das Fehlverhalten eines*r einzelnen. Es sind
Denkmuster und Strukturen, die unsere Gesellschaft verinnerlicht hat und
ständig reproduziert. Doch wie dann unterscheiden zwischen einer Alice
Weidel, Xavier Naidoo und der Nachbarin?
Entscheidend ist, wie wir damit umgehen, wenn wir selbst oder andere
erkennen, was wir sagen, denken oder tun. Ob wir versuchen, unser Verhalten
kritisch zu hinterfragen und daraus lernen.
## Antisemitische Klischees und Codes
Wer das nicht tut, ist das Problem. Und einer von ihnen ist Naidoo. Er
widerspricht der Aussage der Referentin, er sei Antisemit. Er begründet es
damit, dass sein Sohn ja einen hebräischen Namen trage. Doch diese
Argumentation ist in etwa so haltbar, wie „Ich bin kein Rassist, ich habe
einen schwarzen Bekannten“ oder „Ich kann kein Sexist sein, denn meine
Mutter ist ja eine Frau“.
Die Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung bezieht sich im Prozess auf
seine Liedtexte, in denen er Antisemitisches reproduziert. Dort singt er:
„Baron Totschild gibt den Ton an“. Er benutzt Totschild als eine Chiffre
für die jüdische Bankerfamilie Rothschild und reproduziert damit die
Verschwörungstheorie, dass Juden die Allmacht über das Finanzwesen hätten.
In einem weiteren Lied heißt es: „Muslime tragen den neuen Judenstern.
Alles Terroristen, wir haben sie nicht mehr gern.“ Darin ist nicht nur eine
Verharmlosung des Holocausts, sondern auch Hetze gegen Muslim*innen zu
lesen.
Naidoo behauptete vor Gericht, diese antisemitischen Klischees und Codes
nicht zu kennen. Und zeigt damit, dass er das Problem nicht verstanden hat
oder nicht verstehen will. Als eines kann man ihn damit auf jeden Fall
bezeichnen: ignorant.
## Falsches Signal
Wenn wir antisemitische Äußerungen und Verschwörungstheorien nicht mehr als
solche benennen, ist das falsch. Das Gerichtsurteil vermittelt den
Eindruck, es sei okay diese Stereotype zu reproduzieren und erweitert damit
den Bereich des Sagbaren.
Es entsteht eine Grauzone, die damit auch künfitg weiter genutzt werden
kann, um Menschenverachtendes weiterzuverbreiten. Doch gerade in Zeiten, in
denen [3][Hass auf Juden und Jüdinnen in Deutschland zunimmt] und junge
Männer [4][mit Kippa auf offener Straße verprügelt werden,] ist es
notwendig, die Dinge beim Namen zu nennen.
Und das hätte auch im Urteil von Naidoo passieren müssen. Denn die
Kunstfreiheit wurde beim Urteil berücksichtigt, nicht aber welchen Einfluss
und welche Reichweite Naidoo mit seinen Liedern hat. Und wenn Naidoo nicht
als Antisemit bezeichnet werden möchte, sollte er aufhören Antisemitisches
zu sagen. Vielleicht sollte er besser wieder von irgendwelchen steinigen
Wegen singen. Oder einfach gar nicht mehr.
18 Jul 2018
## LINKS
[1] /Die-Wahrheit/!5406163
[2] /Saenger-hat-mit-Klage-Erfolg/!5522483
[3] /Antisemitische-Angriffe-gegen-Gastronom/!5522463
[4] /Prozess-wegen-antisemitischem-Uebergriff/!5514784
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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Antisemitismus
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