| # taz.de -- Gastkommentar Historische Kommission: Die Geschichtsdemenz der SPD | |
| > Die Sozialdemokraten wollen ihre Historische Kommission abschaffen. Dabei | |
| > lässt sich ohne Wissen um die Vergangenheit keine Zukunft gewinnen. | |
| Bild: Was die SPD-Gründerväter August Bebel und Ferdinand Lasalle wohl dazu s… | |
| Rechtspopulisten okkupieren die deutsche Geschichte, erst kürzlich traf es | |
| die „Wiege der deutschen Demokratie“, das Hambacher Fest von 1832. Von | |
| linksaußen ertönt zur 100. Wiederkehr der Revolution von 1918 eine alte | |
| Melodie: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“, wobei eine Linie bis zur | |
| Agenda 2010 suggeriert wird. Überall wanken demokratische | |
| Erinnerungskulturen, in Polen, Ungarn, in Frankreich – in jedem Museum, | |
| jeder Erinnerungsstätte, bei jedem Jahrestag. | |
| Ausgerechnet in diesem Umfeld hat jene deutsche Partei, die sich rühmt, die | |
| älteste zu sein, und stolz ist auf ihre Demokratiegeschichte, eine | |
| abstruse Idee: ihre Historische Kommission einzustellen. | |
| Man könnte klagen, dass die jungen SPD-Funktionäre eben keinen Sinn für | |
| Geschichte haben. Aber es ist schlimmer: Sie haben keine Ahnung davon, | |
| warum unsere Demokratie ein Geschichtsbewusstsein benötigt, um nicht zu | |
| verkümmern. | |
| Ohne Wissen um die Vergangenheit lässt sich keine Zukunft gewinnen. | |
| Kritisches Geschichtsbewusstsein ist ein Lebenselixier für jede Demokratie. | |
| Denn Geschichte ist die Trias aus Vergangenheitsdeutung, | |
| Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive. Sie ist lebendige Aufklärung | |
| und Demokratiewissenschaft. | |
| ## Geschichte als Waffe | |
| Jedes Leben wird rückwärts gedeutet und nach vorne gelebt. Ohne historische | |
| Erfahrung kommen wir nicht aus. Geschichte zeigt uns, woher wir kommen – | |
| sie zeigt uns aber vor allem, was wir nicht mehr sind. Alle Europäer, die | |
| Diktaturen überwinden und Zivilgesellschaften aufbauen mussten, wissen das. | |
| Für Antidemokraten war und ist Geschichte immer eine Waffe. In den | |
| anstehenden erinnerungskulturellen Kämpfen wird die stolzeste deutsche | |
| Partei stimmlos sein. Das geschichtsgesättigte Solidaritätslied der | |
| Arbeiter wird neu geschrieben. Aus: „Vorwärts und nicht vergessen“ wird | |
| „Vorwärts und schnell vergessen“. | |
| Schadenfreude ist unangebracht. Denn es geht gar nicht um die | |
| geschichtsblind gewordene alte Tante SPD. Es geht, und das ist das Fatale | |
| dieser Posse, um die demokratische Gesellschaft. | |
| 24 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Edgar Wolfrum | |
| ## TAGS | |
| SPD | |
| Deutsche Geschichte | |
| Geschichte | |
| Demokratie | |
| Rechter Populismus | |
| Populismus | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| SPD | |
| SPD | |
| SPD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Debatte EU und Nationalismus: Tod der Nation, es lebe Europa | |
| Frieden in Europa kann es nur geben, wenn die Nationen ihre Souveränität | |
| aufgeben. Das ist auch das Ziel der EU – nur haben wir es vergessen. | |
| SPD-Parteitag in Wiesbaden: Nun abstimmen, später debattieren | |
| Die SPD will sich erneuern, alle Hoffnungen richten sich auf die | |
| designierte Vorsitzende Andrea Nahles. Alle? Nein. Es wird auch Verdruss | |
| geben. | |
| SPD-Politikerin Andrea Nahles: Die Boxerin | |
| Die SPD beweist dieser Tage wieder ihr Talent zur Selbstzerfleischung. Wird | |
| es Andrea Nahles gelingen, die Partei aus der Krise zu führen? | |
| Kommentar SPD-Abstimmung in Bonn: Hundert Jahre Kompromiss | |
| Die SPD wird an einer erneuten Großen Koalition nicht sterben. Sie dürfte | |
| aber weiter abmagern – zu einem Strich in der politischen Landschaft. |